Trotz jeder Menge Gegenwind - Bayern will Corona-Tests für Jedermann

In Bayern können sich ab Juli alle Bürger gratis auf Corona testen
lassen - auch ohne Symptome. Außerhalb des Freistaates stößt der Plan

auf viel Kritik und prompt hat Deutschland ein neues Streitthema.

München (dpa) - Der bayerische Sonderweg mit kostenlosen Corona-Tests
für alle Bürger des Freistaats hat sich bundesweit zum Streitfall
entwickelt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verteidigte das
Konzept am Montag gegen die Kritik von Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) und anderen Bundesländern. «Das ist die einzige
ernsthafte Option, es wird sonst zu wenig getestet», sagte der
CSU-Chef am Montag in München.

Der Freistaat Bayern erweitere das Testangebot jetzt: «Wir warten
nicht auf endlose Gespräche zwischen einzelnen Kostenträgern, sondern
wir gehen in Vorleistung, weil wir glauben, dass neben Abstand halten
Testen die einzige ernsthafte Chance ist, Infektionsketten zu
unterbrechen», sagte Söder.

Am Dienstag will das Kabinett in München das neue Konzept
beschließen, welches neben Serientests für das gesamte medizinische
Personal, für die Altenpflege und Behinderteneinrichtungen auch
freiwillige Angebote für Lehrer und Erzieher vorsieht. Laut Söder
drohen hier nach den Ferien Gefahren für eine erneute
Ansteckungswelle.

Eigentlicher Streitpunkt sind aber kostenlose Testmöglichkeiten für
jeden, auch ohne Krankheitssymptome. Bei Tests von Personen mit
Symptomen soll es zudem eine 24-Stunden-Garantie geben, bis das
Testergebnis vorliege, sagte Söder. Dabei will der Freistaat Tests
bezahlen, die nicht auf Kassenkosten gehen. Kalkuliert wird zunächst
mit einem dreistelligen Millionenbetrag.

Angesichts der Planungen treffe die geäußerte Kritik, etwa von Spahn,
viele Corona-Tests ohne systematisches Vorgehen seien nicht
zielführend, auf Bayern nicht zu. «Wir haben ja genau ein System
entwickelt», sagte Söder.

Auch Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) wies die Kritik zurück:
Bayerns Corona-Testkonzept laute nicht «einfach nur viel testen». Der
Freistaat biete aber allen Menschen, die auf eine Infektion auf
SARS-CoV-2 getestet werden wollten, die Möglichkeit dafür. «Dies kann

niemand ernsthaft kritisieren.» Man erhoffe sich durch die
zusätzlichen Tests auch Zufallsbefunde, über die neue
Infektionsketten eingedämmt werden könnten. «Nur weil jemand
symptomlos ist, heißt das ja nicht, dass er nichts hat.»

Statt Kritik am bayerischen Testplan forderte Söder mit Blick auf die
Lage außerhalb Bayerns, beim Ausbau des Gesundheitssystems nicht
nachzulassen. «Dazu gehört dringend, die Gesundheitskapazitäten in
den Krankenhäusern zu verbessern, die Gesundheitsdienste auszubauen
und eben auch Testen zu stärken», sagte er. «Jeder, der Tests weniger

macht, gefährdet damit insgesamt die verbesserte Situation, die wir
derzeit haben.» Aus der bayerischen Staatsregierung hieß es zudem,
dass man sich wünsche, dass sich der Bund noch stärker bei der
Finanzierung von Corona-Tests in Deutschland einbringen würde.

Als Beispiel nannte Söder die hohe Zahl an Corona-Fällen im Kreis
Gütersloh (Nordrhein-Westfalen) infolge der Vorkommnisse in einem
Schlachtbetrieb. Plötzlich werde wieder alles getestet. «Hätte man
das vielleicht ein bisschen eher gemacht, hätte man manches
vielleicht verhindern können.» Für Bayern bleibe es dabei: «Wir
wollen einfach eine größere Testkapazität haben. Und der Eindruck
ist, dass es die Patienten besonders annehmen. Patientenschützer
bedanken sich dafür und wollen es auch in ganz Deutschland.»

Spahn hatte am Montag bei Twitter das geplante Angebot von
Corona-Tests für jedermann in Bayern kritisiert: «Einfach nur viel
testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht
zielführend. Denn es wiegt in falscher Sicherheit, erhöht das Risiko
falsch-positiver Ergebnisse und belastet die vorhandene
Testkapazität.» Er betonte: «Testen, testen, testen - aber gezielt.
»
Das entspreche der mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) entwickelten
nationalen Teststrategie. Auch andere Bundesländer kündigten
reihenweise an, nicht dem bayerischen Testweg folgen zu wollen.

Bayerns Hausärzte erwarten angesichts der Einführung von Corona-Tests
für jedermann zusätzliche Arbeit. «Wir bereiten uns darauf vor, dass

es mehr Interesse gibt», sagte der Vorsitzende des Bayerischen
Hausärzteverbandes, Markus Beier. Er begrüßte die Pläne für
vorbeugende Corona-Tests. «Es macht Sinn, auch Menschen ohne
Symptomatik zu testen. Bisher war aber nicht klar, wer bezahlt wann
und wie die Tests.» Wie viele Menschen die Möglichkeit für
vorbeugende Tests nutzten, müsse man abwarten.

Derzeit sehen die Laborkapazitäten in Bayern rund 21 000 Corona-Tests
pro Tag vor. Seit Beginn der Pandemie wurden rund 1,1 Millionen Tests
durchgeführt.