Konjunkturpaket beschlossen: Familienbonus und weniger Mehrwertsteuer Von Theresa Münch, dpa

Ein echter «Wumms» oder doch nur der ungezielte Schuss mit der
Schrotflinte? Das große Corona-Konjunkturpaket soll dafür sorgen,
dass die Verbraucher trotz Krise kräftig Geld ausgeben. Doch es gibt
Zweifel an der Wirkung.

Berlin (dpa) - Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat einen großen «Wumms»

versprochen: Beim Einkauf zahlt man weniger Steuern, außerdem fließt
bares Geld in die Familienkasse. So will die Bundesregierung die
Bürger in der Corona-Krise wieder in Kauflaune bringen. Bundestag und
Bundesrat beschlossen am Montag wichtige Teile des 130 Milliarden
schweren Konjunkturpakets, das den Konsum wieder ankurbeln soll.

«Wir haben ein Kraftpaket für Deutschland geschnürt», betonte
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Das größte Konjunkturpaket
in der deutschen Geschichte könne Millionen von Bürgern entlasten und
die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen.

Allerdings gibt es Zweifel, ob die Hilfen überhaupt wirken.
«Insgesamt sollten an Konjunkturprogramme nicht zu hohe Erwartungen
gerichtet werden», warnte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die FDP
kritisierte, die Regierung packe mit einem «Wumms» die Schrotflinte
aus - «aber ein lauter Knall ist eben noch kein Treffer». Der
Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel monierte im
Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND/Dienstag): «Die
hohe Anzahl von 57 Einzelmaßnahmen macht deutlich, dass die Regierung
lieber mit der Gießkanne vorgeht, als sich auf konzentrierte und
gezielte Wachstumsimpulse zu fokussieren.»

Die Maßnahmen im Einzelnen:

SPAREN BEI JEDEM EINKAUF

Viele Einkäufe im Supermarkt, Möbelhaus oder Elektromarkt sollen für

ein halbes Jahr billiger werden. Dafür sinkt der Mehrwertsteuersatz
vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte
Satz, der für viele Lebensmittel und Waren des täglichen Bedarfs
gilt, wird von 7 auf 5 Prozent reduziert.

Günstiger wird es für die Verbraucher jedoch nur, wenn der
Einzelhandel die Steuersenkung auch weitergibt und die Preise senkt.
Viele Läden haben das angekündigt, teils waren schon am Montag
niedrigere Preise ausgezeichnet. Trotzdem zweifelt die Opposition,
dass genügend Einzelhändler mitziehen. Die Linken-Politikerin Sahra
Wagenknecht zitierte im Bundestag Studien, nach denen nur 15 Prozent
der Steuersenkung wirklich beim Verbraucher ankommen.

Einen Anschub für die Konjunktur bringt die Steuersenkung auch nur,
wenn die Bürger mehr einkaufen und teure Anschaffungen trotz Krise
ein paar Monate vorziehen. Deshalb will Finanzminister Scholz auch
unbedingt im Januar zum alten Steuersatz zurückkehren - sonst
verpuffe der Effekt, befürchtet er.

Beim Lebensmitteleinkauf dürfte der neue Steuersatz nur wenige Cent
Ersparnis bringen. Größer ist der Unterschied bei teuren
Anschaffungen wie einer Waschmaschine. Nach Rechnung der FDP spart
ein durchschnittlicher Haushalt aber nur 30 Euro im Monat. Die
Mehrheit der Bürger (57 Prozent) fühlt sich dadurch nicht zum
Geldausgeben ermuntert, wie eine aktuelle Umfrage des
Yougov-Instituts ergab.

FÜR FAMILIEN

Familien bekommen zusätzlich einen Zuschlag aufs Kindergeld: Im
September 200 Euro mehr pro Kind, im Oktober noch einmal 100 Euro.
Das gilt für alle Kinder, die irgendwann in diesem Jahr Anspruch auf
Kindergeld hatten oder haben - also auch solche, die erst im November
geboren werden.

Der Zuschuss wird in der Steuererklärung mit den Kinderfreibeträgen
verrechnet, aber nicht auf Sozialleistungen angerechnet. Dadurch
profitieren vor allem Familien mit weniger Geld: Je mehr man
verdient, desto weniger Bonus bleibt nach der Steuer übrig. Ab etwa
85 900 Euro Jahreseinkommen haben die Eltern von dem Zuschuss nichts
mehr.

Wie sinnvoll der Kinderbonus für die Wiederbelebung der Konjunktur
ist, ist umstritten. Der Einzelhandel setzt darauf, dass die Familien
die 300 Euro pro Kind zum Shoppen nutzen. Doch zugleich wird der
Bonus als Trostpflaster kritisiert.

FÜR ALLEINERZIEHENDE

Alleinerziehende, die in der Corona-Zeit besonders belastet sind,
bekommen zusätzliche Hilfe: der Entlastungsbetrag bei der Steuer wird
in diesem und dem kommenden Jahr mehr als verdoppelt, von derzeit
1908 auf 4008 Euro. Diesen Betrag können Alleinerziehende bei der
Steuererklärung von der Summe ihrer Einkünfte abziehen, so dass sie
weniger Steuern zahlen.

FÜR FIRMEN

Vor allem viele kleine und mittelständische Firmen brauchen schnell
Geld in der Kasse, um ausstehende Rechnungen zu bezahlen. Deshalb
bekommen sie bessere Möglichkeiten, aktuelle krisenbedingte Verluste
mit Gewinnen aus dem Vorjahr zu verrechnen. Damit Unternehmen jetzt
wieder investieren und Anschaffungen nicht aufschieben, werden
Abschreibungsregeln bis Ende 2021 verbessert. «Solche Impulse
brauchen unsere Unternehmen jetzt dringend - zumal die
Finanzierungsprobleme gerade im Mittelstand zunehmen», erklärte der
Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric
Schweitzer.

Doch auch die weiteren Punkte aus dem Konjunkturpaket müssten schnell
umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem um Überbrückungshilfen,
damit kriselnde Firmen die Sommermonate überleben und überhaupt vom
erwarteten Wirtschaftsaufschwung profitieren können. Ohne schnelle
Hilfe drohen Schausteller, Veranstalter, Messebauer oder
Busunternehmen vom Markt zu verschwinden.

WIE DAS BEZAHLT WIRD

Die Bundesregierung rechnet damit, dass in diesem Jahr durch das
Konjunkturpaket fast 23,4 Milliarden Euro weniger Steuern reinkommen.
Den Großteil übernimmt der Bund. Um das zu stemmen, will
Finanzminister Scholz noch einmal mehr Kredite aufnehmen. Inzwischen
sind für 2020 Rekordschulden von 218,5 Milliarden Euro vorgesehen. So
viel hat noch nie eine Bundesregierung in einem Jahr aufgenommen.
Scholz plant, den größten Teil der Corona-Schulden innerhalb von 20
Jahren ab 2023 wieder zu tilgen. Seinen zweiten Nachtragshaushalt
soll der Bundestag noch in dieser Woche beschließen.