Söder verteidigt Corona-Massentests - Kritik vom Gesundheitsminister

Wie viele Tests braucht es, damit die Gefahr unbemerkter Ansteckungen
mit dem Coronavirus möglichst gering bleibt? Bayern setzt auf das
Prinzip Masse für jedermann - und stößt in Berlin auf Kritik.

München/Berlin (dpa) - Bayerns Strategie in der Corona-Krise mit
Tests für jedermann wird zum Streitfall. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn (CDU) kritisierte Massentests ohne systematisches Vorgehen
am Montag als nicht zielführend und unnötige Belastung. Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder wies das zurück. «Das ist die einzig
e
ernsthafte Option, es wird sonst zu wenig getestet», entgegnete der
CSU-Chef in München.

Bayern hatte seinen Schritt am Sonntag angekündigt. Zum Konzept
gehöre, dass es für jeden mit Krankheitssymptomen eine Garantie auf
ein Testergebnis innerhalb von 24 Stunden gebe, erklärte Söder. Auch
jeder, der einfach unsicher sei, könne sich testen lassen. Dafür
übernimmt das Land jene Kosten, die nicht von der Krankenkasse
bezahlt werden. Zunächst schloss sich aber kein weiteres Land an.

Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen
auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - etwa in sensiblen
Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte
vor knapp drei Wochen dafür eine Verordnung verkündet, die eine Reihe
zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin
gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur, wenn jemand
Infektionssymptome zeigte, wie Fieber, Husten, Halsschmerzen.

Söder sagte: «Wir warten nicht auf endlose Gespräche zwischen
einzelnen Kostenträgern, sondern wir gehen in Vorleistung, weil wir
glauben, dass neben Abstand halten Testen die einzige ernsthafte
Chance ist, Infektionsketten zu unterbrechen.»

Spahn sagte zu seiner Kritik am freiwilligen Testen aller Bürger: «Es
wiegt in falscher Sicherheit, erhöht das Risiko falsch-positiver
Ergebnisse und belastet die vorhandene Testkapazität», schrieb der
CDU-Politiker auf Twitter. «Testen, testen, testen - aber gezielt.»
Das entspreche der mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) entwickelten
nationalen Teststrategie. «Dies beinhaltet umfassendes präventives
Testen im Gesundheitswesen und bei lokalen Ausbrüchen wie in
Gütersloh.»

Ähnlich äußerte sich Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner
Garg (FDP). «Ein einzelner Test ist immer nur eine Momentaufnahme»,
sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Unmittelbare Maßnahmen können

ausschließlich aus positiven Testergebnissen abgeleitet werden.» Auch
Berlins will mehr testen, wie Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci
(SPD) sagte. «Aber wir wollen schon auch gezielter testen.»

Söder konterte, dass die Kritik der Ungezieltheit auf Bayern nicht
zutreffe: «Wir haben ja genau ein System entwickelt», sagte er.
Zunächst gebe es Serientests für das medizinische Personal sowie die
Altenpflege und Behinderteneinrichtungen. Ferner werde dies auch
Lehrern und Erziehern angeboten, da hier gerade nach den Ferien
Gefahren für eine erneute Ansteckungswelle bestünden.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die bayerischen Pläne.

«Diese Tests sind sinnvoll, weil wir kein anderes Instrument haben,
zügig und schnell eine Infektionskette zu erkennen», sagte
Stiftungsvorstand Eugen Brysch der dpa. Brysch befürchtet aber, dass
die Hausärzte damit überfordert werden könnten.

Unterstützung kam auch vom Hamburger Virologen Jonas
Schmidt-Chanasit. «Wenn die Möglichkeit besteht, sich schnell und
kostenlos testen zu lassen, kann das nur ein Vorteil in dieser
Pandemie sein», sagte Schmidt-Chanasit ntv/RTL. Natürlich werde ein
Großteil der Testungen erstmal negativ ausfallen. Es gehe aber darum,
frühzeitig bestimmte Virenherde aufzudecken.

Im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen hat sich derweil die
Corona-Lage nach dem massiven Ausbruch beim Fleischverarbeiter
Tönnies etwas entspannt. Nach Angaben des RKI gab es in dem Kreis
112,6 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen
sieben Tage. Die kritische Marke liegt bei 50. Am Sonntag hatte diese
sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz noch 132,9 betragen, am vergangenen
Dienstag 270,2. Der Kreis Gütersloh ist nach Angaben des RKI der
einzige Kreis in ganz Deutschland mit mehr als 50 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage.

Söder sagte, dass mehr Tests zu einem früheren Zeitpunkt auch in
Gütersloh manches vielleicht hätten verhindern können. Mit Blick auf

die Lage außerhalb Bayerns mahnte er «dringend, die
Gesundheitskapazitäten in den Krankenhäusern zu verbessern, die
Gesundheitsdienste auszubauen und eben auch Testen zu stärken». Und:

«Jeder, der Tests weniger macht, gefährdet damit insgesamt die
verbesserte Situation, die wir derzeit haben.»