Tausende Corona-Tests vor Entscheidung über Beschränkungslockerungen

Wie lange dauern die Einschränkungen in den Kreisen Gütersloh und
Warendorf noch an? Nachdem Warendorf bei einer wichtigen Marke im
grünen Bereich ist, schauen nun alle nach Gütersloh. Spätestens
Dienstag muss zum regionalen Lockdown eine Entscheidung fallen.

Gütersloh/Warendorf (dpa) - Nach dem großen Corona-Ausbruch in einem
Tönnies-Fleischbetrieb im Kreis Gütersloh sehen die Behörden in
Nordrhein-Westfalen bisher keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus
in größerem Umfang in der Bevölkerung verbreitet hat. Kurz vor der
Entscheidung über Auslaufen oder Verlängern des bundesweit ersten
regionalen Lockdowns zur Eindämmung des Coronavirus in zwei
NRW-Kreisen berichten die Behörden von relativ wenigen Nachweisen in
Testzentren, die gerade von den in die Ferien starten wollenden
Familien stark genutzt werden. In dem am stärksten vom Virus-Ausbruch
im Tönnies-Werk Rheda-Wiedenbrück betroffene Kreis Gütersloh liegt
allerdings eine Kennziffer in der Pandemie-Bekämpfung noch zu hoch.

Der Kreis Gütersloh berichtete am Sonntagabend, die Zahl der
nachweislich mit Sars-CoV-2 Infizierten, die keinen direkten Bezug
zur Tönnies-Belegschaft haben, sei zuletzt merklich angestiegen. Der
Grund seien aber wohl vor allem die deutlich umfangreicheren Tests.
Viele der Infizierten zeigten keine Symptome. Vom 21. bis 27. Juni
sind demnach 107 Fälle in der übrigen Bevölkerung des Kreises
Gütersloh bekannt geworden. Das sind 32 mehr als am Vortag berichtet.
Ein gutes Zeichen sei, dass es kein Anstieg der Erkrankten gebe,
erläuterte der Kreis in einer Mitteilung vom Sonntag. Die
Kurzbewertung erfolge in enger Abstimmung mit den Experten des Robert
Koch-Instituts (RKI).

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte nach dem
Besuch eines Testzentrums auf einem ehemaligen Militärflugplatz in
Gütersloh davon berichtet, dass bei rund 4100 Tests in der
Allgemeinbevölkerung nur 9 Infektionen nachgewiesen worden seien.
Diese Zahlen beziehen sich laut Kreis auf die Diagnosezentren. Die
Zahlen des Kreises enthielten alle positiven Befunde zum Beispiel
auch die der Hausärzte und der mobilen Teams. Im Kreis Gütersloh
seien auch am Samstag wieder Hunderte Beamte, Ehrenamtliche und
Bundeswehrkräfte im Einsatz gewesen. Allein mehr als 200 Männer und
Frauen der Hilfsorganisationen hätten sich um Abstriche, die
Verpflegung und Transporte gekümmert, hieß es.

Nach dem Ausbruch bei Tönnies sieht der Kreis Warendorf bisher keine
Anzeichen für eine Ausbreitung des Virus unter der übrigen
Bevölkerung, wie Landrat Olaf Gericke (CDU) am späten Samstagabend
erklärte. Nach Angaben des Kreises waren nur zwei der insgesamt 4491
Corona-Tests positiv, die bis Samstagnachmittag in den Testzentren
Oelde und Ahlen sowie bei Ärzten ausgewertet worden. Unabhängig von
den freiwilligen Reihentests der Bevölkerung habe es Testungen in
Pflegeheimen, bei Erntehelfern sowie in Schlacht- und
Fleischbetrieben gegeben. «Über 7000 Ergebnisse davon liegen vor -
alle waren negativ», hieß es dazu am Samstagabend.

Spätestens am Dienstag muss über ein Auslaufen oder ein Verlängern
des regionalen Lockdowns in den beiden Kreisen entschieden werden, da
dieser bis zum 30. Juni gilt. Die erneuten Einschränkungen waren in
den Kreisen Gütersloh und Warendorf am Mittwoch in Kraft getreten.
Betroffen sind rund 640 000 Einwohner. Im öffentlichen Raum dürfen
nur noch zwei Menschen oder Menschen aus einem Familien- oder
Haushaltsverbund zusammentreffen. Zudem sollen eine Reihe von
Freizeitaktivitäten unterbleiben. Museen, Kinos, Fitnessstudios und
Hallenschwimmbäder müssen vorerst geschlossen bleiben. Kitas und
Schulen wurden geschlossen. Vertreter der Kreise sprachen von einem
«Lockdown light», da Geschäfte und Restaurants weiter öffnen dürf
ten.

Nach den jüngsten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) von Sonntag
ist die Kennziffer der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb
der vergangenen sieben Tage im Kreis Gütersloh auf 132,9 solcher
Fälle zurückgegangen - nach zuvor 164,2 am Samstag und 177,7 am
Freitag. Am Dienstag betrug der Wert laut NRW-Gesundheitsministerium
noch 270,2. Die entscheidenden Marke bei dieser Kennziffer ist
allerdings 50, die bei der Debatte über zusätzliche Schutzmaßnahmen
eine Rolle spielt.

Im benachbarten Kreis Warendorf, in dem ebenfalls viele Mitarbeiter
aus dem Tönnies-Werk Rheda-Wiedenbrück wohnen, ist die Kennziffer der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben
Tage schon unter die Marke 50 gesunken und liegt nun bei 21,2 Fällen.

Mehr als 1500 Tönnies-Mitarbeiter waren nachweislich mit dem
Coronavirus infiziert. Das hatte umfangreiche Schutzmaßnahmen von
einer Quarantäne für Tausende Menschen bis hin zur Schließung von
Schulen und Kitas in der Region geführt. Laumann sagte am Samstag im
Interview mit dem Nachrichtensender ntv, er gehe in den kommenden
Tagen von weiteren Tausenden Testergebnissen aus, aufgrund derer eine
Entscheidung zu Einschränkungen in der Region getroffen werden solle.

In den vergangenen Tagen gab es in der Region einen großen Andrang
auf die Corona-Testungen. Viele Menschen, die in den Urlaub fahren
wollen, standen stundenlang Schlange, um an die Reihe zu kommen. Die
Sommerferien begannen im bevölkerungsreichsten Bundesland am Samstag.