Etappenziel erreicht: Bundesliga atmet vor langem Corona-Sommer durch Von Patrick Reichardt, dpa

Alle Bundesliga-Spiele bis 30. Juni: Das war stets die Devise von
Liga-Boss Christian Seifert. Was zwischenzeitlich utopisch erschien,

klappte nun wochenlang erstaunlich reibungslos. DFL und Vereine
arbeiten nun am nächsten Neustart im Herbst.

Frankfurt/Main (dpa) - Als Christian Seifert den alten und neuen
Fußball-Meister FC Bayern ehrte, lagen die mit Abstand turbulentesten
Monate seiner Funktionärskarriere hinter ihm. Nach einer unerwarteten

Corona-Vollbremsung und über zwei Monaten Spielpause drohte
zwischenzeitlich bis zu 13 Proficlubs die Insolvenz, dazu kam immer
lautere Kritik aus der Gesellschaft an den Auswüchsen des Fußballs. 

Positive Tests hier, entlarvendes Fehlverhalten da, Quarantäne dort:
 
Der von der Politik genehmigte Neustart für Mitte Mai schien
zwischenzeitlich zudem zu einer Mission impossible zu werden.

Nun - rund sechs Wochen später - sind tatsächlich alle restlichen
Spiele vor dem so oft beschworenen 30. Juni absolviert, der
Geistermeister reibungslos gekürt und die direkten Absteiger
gefunden. «Ja, es sieht anders aus, es sieht hört sich anders an, und
es fühlt sich anders an. Aber das war die einzige Bundesliga, die
möglich war», sagte Seifert am Samstag in Wolfsburg. Die leise
Hoffnung, dass es beim geplanten Saisonstart im September schon
wieder halbwegs volle Arenen geben könnte, dämpfte er entschieden:
«Die neue Saison wird mindestens zu Beginn noch genauso aussehen.»

Und so hat die Bundesliga auf dem langen Weg zurück in die Normalität
mit dem gelungenen Neustart zunächst nur ein Etappenziel erreicht.
Das umfangreiche Hygienekonzept und die schnelle Erlaubnis durch die
Politik hat die höchste deutsche Spielklasse zu einem internationalen
Vorbild werden lassen. Auch die Beteiligten sind stolz. «Jeder hatte
eine große Verantwortung, das war eine ganz starke Leistung», betonte
Bayerns Meister-Trainer Hansi Flick. Er sprach von Erleichterung dank
des schlüssigen Konzepts und von «Stolz, weil die Bundesliga im
internationalen Vergleich so vorangegangen ist».

Als in Italien, England und Spanien gerade erst wieder der Ball zu
rollen begann, wurde in Deutschland schon wochenlang gespielt - und
Seifert und Co. schlossen bereits den nächsten großen TV-Vertrag ab.

4,4 Milliarden Euro gibt es für die vier Spielzeiten 2021/22 bis
2024/25. Das bedeutet zwar im Vergleich zum derzeitigen Zyklus einen
Rückgang um rund 240 Millionen Euro, doch DFL und Club-Vertreter
werteten das erzielte Ergebnis durchweg positiv und betonten in
derart ungewissen Zeiten die mittelfristige Planungssicherheit.

Im bevorstehenden langen Corona-Sommer bis September wird das
Durchatmen trotzdem nur ein kurzes sein. Insgesamt fünf Clubs sind im
August in den Finalturnieren von Champions und Europa League
gefordert. Die DFL wird die Liga-Pause zeitgleich nutzen, um mit den

zuständigen Ministerien für weitere Lockerungen und die schrittweise

Rückkehr der Fans in die Stadien zu kämpfen.

Dass die Spielzeit eine normale werden könnte, glaubt Seifert nicht.

«Die nächste Saison, die im Idealfall wieder geregelt abläuft, wird
2021/22 sein. Das deutet sich jetzt schon an. Dieser Sommer wird für
Clubs in Europa ein ganz herausfordernder», warnte er. Besonders
spannend dürfte dabei in Corona-Zeiten der Prozess von Geisterspielen

zurück zur Normalität werden. Wie viel Prozent der Fans dürfen wied
er
rein, wie kann deren Sicherheit sowohl im Stadion als auch bei An-
und Abreise gewährleistet werden? Diese Fragen dürften den Sommer

genauso prägen wie das alljährliche Transferspektakel, bei dem die
Summen in diesem Sommer ein wenig sinken dürften.

Doch nicht nur die Vorbereitungen auf den Neustart 2.0. stehen an,
sondern auch Imagepflege hat der Profifußball nach den durch die
Corona-Krise massiv offengelegten Schwachstellen dringend nötig.
Viele Fan-Szenen wollen im Milliardenbusiness kein «Weiter so!» und
haben ein Bündnis gegründet, um konkret für eine gleichmäßigere

Verteilung der TV-Gelder, die Einführung eines nationalen Financial
 
Fairplays und die eindeutige Begrenzung von Investoreneinflüssen zu
werben.

Die DFL will sich diesem Dialog öffnen, unter anderem mit der 
Gründung einer Task Force Zukunft Profifußball ab September. Vor

allem Seifert hatte sich in der Krisenphase sehr demütig präsentiert.

Bayern-Präsident Herbert Hainer sagte der «Augsburger Allgemeinen
»,
die Kritik an Hygienekonzept und Geisterspielen sei auch heute noch
nachvollziehbar. «Doch so, wie alles seit dem Re-Start gelaufen ist,
finde ich schon, dass der Fußball stets eine vertretbare Position
eingenommen, also auch eine gute Rolle gespielt hat», sagte Hainer.

Sportlich war auch nach der Corona-Pause vieles beim Alten. Sowohl
die prognostizierten Torfeste als auch eine Kräfteverschiebung
innerhalb der Liga blieben aus. Die Serienmeister aus München
sicherten sich souverän und nach der Pause gar ohne Punktverlust den
achten Titel am Stück, mit dem tabellarisch abgeschlagenen
Aufsteiger Paderborn erwischte es wie so oft in den vergangenen
Spielzeiten einen Neuling, an den ersten vier Plätzen änderte sich
nach der Pause nichts mehr.

«Das ist ein besonderer Moment. Das ist aber auch ein sehr seltsamer
Moment. So eine Saison haben alle noch nicht erlebt. Keine Zuschauer,
kein Jubel, keine Pfiffe - das ist eine merkwürdige Atmosphäre»,
resümierte Seifert. Welche Atmosphäre Fans und Clubs beim möglichen

nächsten Saisonstart in rund zweieinhalb Monaten erwartet, ist
derzeit noch nicht abzusehen.