Geplantes Corona-Sondervermögen spaltet den Landtag

Wie kommt Hessen in der Corona-Krise wirtschaftlich auf die Beine?
Mit einem milliardenschweren Sondervermögen bis 2023 oder mit der
Hilfe von Nachtragshaushalten? Der Finanzstreit zieht tiefe Gräben in
den Landtag.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Die Opposition im hessischen Landtag läuft
Sturm gegen das geplante milliardenschwere Corona-Sondervermögen der
Landesregierung. Das Vorhaben von Schwarz-Grün, zur Durchsetzung
ihrer Ziele die Regelungen zur Schuldenbremse zu lockern, sei
«Machtpolitik mit der Brechstange», sagte die SPD-Fraktionschefin
Nancy Faeser am Mittwoch im Landtag in Wiesbaden. Dies markiere einen
Tiefpunkt des Parlamentarismus.

«Sie wollen ein Gesetz über eine Zweidrittelmehrheit mit einfacher
Mehrheit abschaffen, weil es Ihnen, der Regierung, nicht praktikabel
erscheint», sagte Faeser. Dies sei zwar nur eine Gesetzesänderung.
«Aber wir alle wissen, dass Demokratien in kleinen Schritten
beschädigt werden.» Der Vorsitzende der FDP-Fraktion, René Rock,
sagte, der geplante Coronafonds könnte verfassungswidrig sein.
Demnach seien die Haushalte zur Bewältigung der Corona-Krise
womöglich «auf Sand gebaut».

Die Landtagsopposition lehnt das geplante zwölf Milliarden schwere
Sondervermögen bis 2023 überwiegend als «Schattenhaushalt» ab. Nach

einem Vorschlag von SPD und FDP sollte das Geld zur Bewältigung der
Corona-Krise zunächst in einem Nachtragshaushalt bereit gestellt
werden, um besser auf aktuelle Entwicklungen und neue
Steuerschätzungen reagieren zu können.

Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) verteidigte die Pläne der
Landesregierung erneut. Das zwölf Milliarden schwere Sondervermögen
stehe für Stabilität und Vertrauen. Der Haushaltsausschuss des
Landtags solle regelmäßig über Ausgaben ab einer Million Euro
informiert werden. «Wir umgehen den Haushalt nicht, wir schaffen
Transparenz im Haushalt», betonte Boddenberg. Vielmehr versuche die
Opposition, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu umgehen.

Der haushaltspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Erich Heidkamp,
sagte, die Landesregierung füge dem gesamten Konzept der in der
Verfassung verankerten Schuldenbremse unheilbaren Schaden zu. «Wir
erkennen Züge von Panik bei den Handelnden.»

Die Fraktionsvorsitzende der Linken, Janine Wissler, nannte das
Corona-Sondervermögen ein «Eingeständnis, dass die Schuldenbremse
gescheitert ist». Die Linke schlage umfangreiche Änderungen am
Sondervermögen vor, um mit einem Programm von 20 Milliarden Euro aus
der Krise zu kommen.

Für Ausnahmen von der Schuldenbremse sollte nach Ansicht des
hessischen Steuerzahlerbundes unbedingt weiter eine
Zwei-Drittel-Mehrheit nötig sein. «Diese Absicherung jetzt beseitigen
zu wollen, ist ein Anschlag auf die Grundidee der hessischen
Schuldenbremse, der kommende Generationen teuer zu stehen käme»,
erklärte der Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hessen, Joachim
Papendick.

«Ohne die Hürde einer Zwei-Drittel-Mehrheit für Ausnahmefälle wär
e
das für uns keine wirksame Schuldenbremse mehr, für die 2011 70
Prozent der Wahlberechtigten gestimmt haben», erklärte Papendick.
«Allein schon die angestoßene Diskussion ist ein skandalöser
Tabubruch.»

Bei der Verabschiedung des Gesetzes sei klar gewesen, dass eine
Regierungsmehrheit auch in einer Notlage nur Schulden für Maßnahmen
aufnehmen könne, die zumindest von Teilen der Opposition mitgetragen
würden. «So sollte ein Missbrauch der Ausnahmeregelung verhindert
werden», erläuterte Papendick. Er forderte alle Landtagsfraktionen
auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich «auf einen
gemeinsamen Weg zu einigen, der eine überbordende Verschuldung so
weit wie möglich eindämmt». Sowohl Faser als auch Rock zeigten am
Mittwoch ihre Bereitschaft, die Gespräche mit der Landesregierung
fortzusetzen.