Experten warnen vor neuer Coronavirus-Welle in Großbritannien

London (dpa) - Gesundheitsexperten warnen eindringlich vor einer
zweiten Corona-Infektionswelle in Großbritannien. Es bestehe ein
«echtes Risiko», schrieben sie in einem am Mittwoch vom «British
Medical Journal» veröffentlichten Brief. Sie kritisierten damit die
bisher umfangreichste Lockerung der Pandemie-Maßnahmen in England.
Premier Boris Johnson hatte sie am Vortag bekanntgegeben.

Es müsse nun schnell gehandelt werden, um noch mehr Todesopfer und
Verluste für die Wirtschaft zu verhindern, fordern die Experten in
einem offenen Brief an die Parteispitzen. Den Appell unterschrieben
unter anderem die Präsidenten medizinischer Fachgesellschaften.

Pubs, Restaurants, Hotels, Museen, Galerien, Kinos, Bibliotheken,
Friseursalons und Kirchen dürfen unter bestimmten Auflagen ab 4. Juli
wieder in England öffnen. Gleichzeitig hatte Johnson angekündigt, die
Abstandsregel von zwei Metern auf einen Meter zu verringern. Die
neuen Maßnahmen gelten nur für England. Jeder Landesteil in
Großbritannien bestimmt über seine eigenen Maßnahmen.

«Während das Ausmaß der Pandemie in Großbritannien schwer
vorherzusagen ist, deuten die verfügbaren Beweise darauf hin, dass
lokale Ausbrüche immer wahrscheinlicher werden und eine zweite Welle
ein echtes Risiko ist», schrieben die Experten in ihrem Brief. Die
Regierung dürfe nicht nur die (wirtschaftlichen) Folgen der ersten
Pandemie-Welle schnell bekämpfen, sondern müsse auch sicherstellen,
dass das Land angemessen auf eine zweite Welle vorbereitet sei.
Regierungsberater aus dem Medizin-Bereich hatten am Dienstag die
Lockerungen ebenfalls als «nicht risikofrei» bezeichnet.

Der frühere britische Gesundheitsminister Jeremy Hunt verwies in
einem BBC-Interview darauf, dass sogar Länder, die vorbildlich auf
die Pandemie reagiert hätten, nicht vor Rückschlägen gefeit seien.
«Schauen Sie nur auf Deutschland ... Die haben dieses große Problem
mit einer Fleisch verarbeitenden Firma mit Tausenden Infizierten»,
sagte Hunt zum Ausbruch bei Tönnies in Nordrhein-Westfalen.

Großbritannien ist das am schwersten von der Corona-Krise betroffene
Land in Europa: Nach offiziellen Statistiken starben 43 000 positiv
auf das Virus getestete Menschen. Experten gehen von einer hohen
Dunkelziffer aus.