Massentests und Angst um Urlaub: Neuer Lockdown schockt die Menschen Von Stella Venohr, dpa

Urlaubspläne, Ansteckungsgefahr und Maßnahmen zum Lockdown
verunsichern die Menschen im Kreis Gütersloh. Am Nachmittag wird
klar: Sie sind nicht alleine mit ihren Sorgen. Auch im Nachbarkreis
wird das Leben wieder runtergefahren.

Gütersloh (dpa) - Meterlange Schlangen. Kinder, junge Frauen und
ältere Männer stehen in der prallen Sonne. Sie alle sind am Dienstag
zum Carl-Miele-Berufskolleg in Gütersloh gekommen, um sich auf das
Coronavirus testen zu lassen. «Der Lockdown ist der Super-Gau», sagt
Thorsten Reinert. Der 50-jährige steht mit seinem neunjährigen Sohn
in einer Schlange. «Wir fahren am Freitag an die Ostsee in den Urlaub
und wollen da einen negativen Test in der Hand haben, falls wir sonst
nicht hingelassen werden.» Er habe den Urlaub vor zwei Wochen
gebucht, als die Kinder wieder in die Schule gehen durften. Da sei er
noch davon ausgegangen, dass der Urlaub kein Problem werden würde.

Gudrun Kreuter wartet bereits seit rund zwei Stunden auf den Test.
«Herr Laschet hat dazu aufgefordert, sich testen zu lassen, deshalb
mache ich das. Außerdem gehöre ich zur Risikogruppe», so die
Gütersloherin. Sie habe auch Angst um ihr Enkelkind. Dies besuche sie
zweimal in der Woche.

Organisiert werden die Tests von der Kassenärztlichen Vereinigung
Westfalen-Lippe (KVWL). «Wir hatten mit 400 bis 600 Leuten gerechnet,
jetzt werden es wohl deutlich mehr», sagt Doktor Hendrik Oen von der
KVWL. «An den langen Schlangen zeigt sich, dass der Bedarf und die
Unsicherheit riesig sind.» Vier Ärzte und elf weitere Mitarbeiter
seien zurzeit im Einsatz. Rund 100 Leute könnten pro Stunde getestet
werden. «In Absprache mit dem Labor sollen die Ergebnisse 24 Stunden
später über eine App verfügbar sein», so der Mediziner.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte in einer
Pressekonferenz am Dienstagmorgen einen regionalen Lockdown für den
Kreis Gütersloh verkündet. Ab diesem Mittwoch sollen im Kreis unter
anderem wieder Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche
Kulturveranstaltungen verboten werden. Fitnessstudios werden ebenso
geschlossen wie Kinos und Bars. Zudem gelten wieder die
Kontaktbeschränkungen wie im März. Schulen und Kitas waren bereits
geschlossen worden.

Am Nachmittag trifft es überraschend auch den Kreis Warendorf. Hatte
Laschet am Morgen noch angedeutet, dass der Lockdown dort wohl nur
für einzelne Ortschaften komme, zeigt Gesundheitsminister Karl-Josef
Laumann (CDU) Stunden später klare Kante: Der komplette Kreis fällt
unter die gleichen Regelungen wie der Kreis Gütersloh.

Dort herrscht über die Maßnahmen Entsetzen und auch Wut. «Wir wolle
n
in den Sommerurlaub fahren, in die Lüneburger Heide. Jetzt weiß ich
nicht mehr, ob das klappt», sagt Farina Jording. Die Lehrerin aus
Rheda-Wiedenbrück hat den Urlaub mit zwei kleinen Kindern schon vor
einem Jahr geplant. «Ich bin wütend und frustriert, dass wegen
Tönnies alles wieder ins Wanken gerät.» Die Umstände der Werkarbeit
er
seien schließlich schon lange bekannt gewesen.

Auch Anwalt Kai Drees aus Steinhagen sorgt sich um seinen
Sommerurlaub: «Wir haben schon im Frühjahr den Urlaub umbuchen
müssen, weil wir eigentlich fliegen wollten», so der 52-Jährige.
«Jetzt soll es mit dem Auto nach Norderney gehen, aber wir haben von
Leuten gehört, die nicht mehr dorthin fahren durften, weil sie aus
dem Kreis Gütersloh kommen.» Bayern erließ derweil ein
Beherbungsverbot für Touristen, die aus besonders betroffenen
Landkreisen kommen.

Der Lockdown in den Kreisen Gütersloh und Warenfeld gilt zunächst bis
zum 30. Juni. Bis dahin sollte sich zeigen, ob die Infektionen aus
dem Tönnies-Werk heraus auf die breite Bevölkerung übergesprungen
sind. Bei Nicht-Mitarbeitern von Tönnies im Kreis Gütersloh habe man
bislang nur 24 Infizierte gezählt, sagte Laschet am Dienstag. Das war
allerdings noch bevor sich Hunderte testen ließen.