Angeklagter im Weizsäcker-Mordprozess: Habe Tat nie bereut

Ruhig und gefasst sitzt die Schwester des getöteten Fritz von
Weizsäcker im Saal 500 des Landgerichts in Berlin. Ihr gegenüber
verliest der schmächtige Angeklagte wieder eine Erklärung.

Berlin (dpa/lrs) - Der aus Andernach kommende mutmaßliche Mörder des
Berliner Mediziners Fritz von Weizsäcker bereut die Messerattacke bis
heute nicht. «Ohne die Überzeugung, das Richtige zu tun, hätte ich
nicht diese Entschlossenheit an den Tag gelegt», sagte der 57-Jährige
am Dienstag vor dem Berliner Landgericht in seiner bereits zweiten
Erklärung zu den Vorwürfen. «Ich habe meine Tat nie bereut», betont
e
der Angeklagte am vierten Prozesstag. Er habe sich im Recht gefühlt.
Zugleich beklagte er sich, er werde «vergleichsweise für Pillepalle
an den Pranger gestellt». Es sei ihm egal, was aus ihm werde.

Der jüngste Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von
Weizsäcker wurde am 19. November 2019 durch einen Stich in den Hals
gegen Ende eines Vortrages in der Schlossparkklinik Berlin getötet.
Die Tat hatte bundesweit Entsetzen hervorgerufen.

Dem Angeklagten aus Rheinland-Pfalz werden Mord sowie versuchter Mord
an einem Polizisten zur Last gelegt. Der heute 34 Jahre alte Beamte
wollte den Angreifer stoppen und war nach eigener Aussage direkt
dazwischengegangen. Er habe in die Messerklinge gegriffen und den
«ungebremst aggressiven» Mann am Boden überwältigt. Der Beamte, der

privat zu dem Vortrag gekommen war, wurde schwer verletzt und ist
erst seit kurzem wieder im Dienst.

Als Mordmotiv nimmt die Staatsanwaltschaft Hass auf die Familie des
Getöteten an, insbesondere auf den früheren Bundespräsidenten. Laut
Anklage wollte er als «Kollektivschuld» Tote im Vietnam-Krieg an dem
Sohn des früheren Bundespräsidenten rächen. In dem Prozess ist die
Schuldfähigkeit des Angeklagten eine zentrale Frage. Der Angeklagte
meinte, man wolle eine psychiatrische Krankheit bei ihm suggerieren,
anstatt ihn ernst zu nehmen. Das psychiatrische Gutachten soll
voraussichtlich am 3. Juli in der Verhandlung verlesen werden.

Bereits Ende Mai hatte der Angeklagte den tödlichen Angriff auf den
59 Jahre alten Professor gestanden, sich aber ohne Schuldgefühle
gezeigt. Die Tötung sei geplant und ein Anschlag auf die Familie seit
Jahren sein «Lebensziel» gewesen. Er habe öffentlich ein Zeichen
gegen unmoralisches Verhalten in der Politik setzen wollen. «Weil ich
nicht an den Bundespräsidenten kam, habe ich die Familie ins Visier
genommen», hatte der Angeklagte bekannt.

Beherrscht saß am Dienstag wieder Beatrice von Weizsäcker, die
Schwester des Getöteten, als Nebenklägerin dem Angeklagten gegenüber.

Der sagte, Richard von Weizsäcker sei ein Heuchler gewesen, er habe
ihn gehasst. Inzwischen habe er jegliches Interesse an den
Weizsäckers verloren.

Mehrere Zeugen zeichneten am Dienstag das Bild eines Mannes mit
vielen Widersprüchen. Eine Ex-Nachbarin beschrieb den Angeklagten als
Einzelgänger und Neurotiker mit Händewasch-Zwang. Er sei entweder
laut und aggressiv oder in sich gekehrt gewesen. Sie habe auch einen
Faustschlag ins Gesicht abbekommen, sagte die 54-Jährige.

Frühere Kollegen berichteten, der Angeklagte habe Klinken nur mit
einem Taschentuch angefasst oder in seiner Wohnung Lichtschalter mit
einem Fuß betätigt. Als Packer in einem Logistikzentrum sei er aber
auch hilfsbereit und freundlich gewesen.

Der Prozess wird am 30. Juni mit der Anhörung weiterer Zeugen
fortgesetzt. Erwartet wird dann auch der Bericht des
Gerichtsmediziners.