«Wirtschaftsweise» sehen gute Chancen für Konjunkturaufschwung 2021

Hat die deutsche Wirtschaft in der Corona-Krise das Schlimmste
überstanden? Erste Anzeichen für eine Erholung machen Hoffnung. Die
Rückkehr zum Wachstum erwarten Ökonomen aber erst im nächsten Jahr.

Wiesbaden (dpa) - Nach dem Absturz der deutschen Wirtschaft im
Corona-Jahr 2020 sehen die «Wirtschaftsweisen» gute Chancen für einen

Aufschwung im nächsten Jahr. «Die Corona-Pandemie wird
voraussichtlich den stärksten Einbruch der deutschen Wirtschaft seit
Bestehen der Bundesrepublik verursachen. Wir erwarten, dass jedoch ab
dem Sommer eine Erholung einsetzt», erklärte der Vorsitzende des
Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung, Lars P. Feld, am Dienstag.

Die Prognose für das laufende Jahr schraubten die Experten, die die
Bundesregierung beraten, nach einer Reihe historisch schlechter
Konjunkturwerte deutlich nach unten. Der Sachverständigenrat geht nun
davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 6,5
Prozent schrumpfen wird. Damit reihte sich das Gremium ein in eine
Reihe düsterer Vorhersagen. In der weltweiten Wirtschafts- und
Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent zurückgegangen.

Wie viele andere Ökonomen, Institute und Verbände sind aber auch die
«Wirtschaftsweisen» zuversichtlich, dass Europas größte
Volkswirtschaft schon im nächsten Jahr wieder auf Wachstumskurs
zurückkehren wird. Für das Jahr 2021 prognostiziert der
Sachverständigenrat 4,9 Prozent Wachstum. Allerdings: «Eine Rückkehr

auf das Niveau des BIP vor der Pandemie ist nicht vor dem Jahr 2022
zu erwarten.» Für den Euroraum rechnet der Sachverständigenrat mit
einem Rückgang des realen BIP im Jahr 2020 um 8,5 Prozent und einem
positiven Wachstum von 6,2 Prozent 2021.

Mit der Lockerung der coronabedingten Einschränkungen seit Mai fasse
die Wirtschaft allmählich wieder Tritt, stellte das Gremium fest.
«Zudem dürften sich die Stützungsmaßnahmen und beschlossenen
wirtschaftspolitischen Konjunkturimpulse positiv auswirken.»

Die Bundesregierung will die Wirtschaft mit einem 130 Milliarden Euro
schweren Konjunkturpaket wieder in Schwung bringen. Union und SPD
haben sich darauf verständigt, vorübergehend die Mehrwertsteuer zu
senken und eine höhere Kaufprämie für Elektroautos zu zahlen. Zudem
gibt es unter anderem Finanzspritzen für Familien und Kommunen.

«Im Großen und Ganzen sind wir mit dem Konjunkturpaket zufrieden»,
sagte Feld. Das Paket habe «mehr Licht als Schatten». Zugleich
warnten die «Wirtschaftsweisen» vor einer verfrühten Debatte um
Steuererhöhungen zur Rückführung der gewaltigen neuen Schulden
infolge der staatlichen Maßnahmen in der Corona-Krise.

«Fatal wäre es natürlich, jetzt schon von Steuererhöhungen zu reden

mit dem Verweis auf Konsolidierung. Damit würde man der Erholung, auf
die wir jetzt hoffen, einen Schlag mit dem Hammer verpassen», sagte
der Frankfurter Ökonom Volker Wieland. Feld betonte, eine expansive
Fiskalpolitik sei in der aktuellen Lage notwendig. In normalen Zeiten
sollte Deutschland aber wieder zur Schuldenbremse zurückkehren.

Im ersten Quartal 2020 war die deutsche Wirtschaftsleistung nach
Daten des Statistischen Bundesamtes zum Vorquartal um 2,2 Prozent
geschrumpft - obwohl in dem Drei-Monats-Zeitraum von den Maßnahmen
zur Bekämpfung des Virus im Grunde nur der März betroffen war.

Und die Erwartungen für das zweite Quartal sind düster - auch wenn
mittlerweile etliche Einschränkungen wieder gelockert wurden. «Im
zweiten Quartal 2020 dürfte das BIP in Deutschland saisonbereinigt um
knapp 12 Prozent niedriger liegen als im Schlussquartal des Jahres
2019», schreibt der Sachverständigenrat.

Die Produktion in der deutschen Industrie sackte auf den tiefsten
Stand seit mehr als 20 Jahren, für die Exportwirtschaft brachte der
April «Horrorzahlen», wie es der Außenhandelsverband BGA nannte. Der

Inlandstourismus kam zwischenzeitlich fast komplett zum Erliegen, das
Gastgewerbe kämpft nach Einschätzung des Branchenverbandes Dehoga ums
Überleben. Etliche Ökonomen rechnen für das Gesamtjahr mit einem
deutlichen Anstieg der Firmenpleiten.

Ende März war der Sachverständigenrat noch etwas optimistischer:
Seinerzeit hatten die Experten als wahrscheinlichstes Szenario für
Deutschland angenommen, dass es einen fünfwöchigen «Lockdown» geben

wird und anschließend die Einschränkungen für Unternehmen sowie
Konsumenten wieder gelockert werden. Für diesen Fall war das Gremium
davon ausgegangen, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um
2,8 Prozent schrumpfen würde. Für den schlimmsten Fall unterstellten
die «Wirtschaftsweisen» in ihrer März-Einschätzung ein Minus von 5,
4
Prozent bei der Wirtschaftsleistung.