«Wirtschaftsweise» schrauben Konjunkturprognose nach unten

Die Corona-Krise zwingt die deutsche Wirtschaft in die Knie. Nach
einem harten Absturz erwarten die meisten Volkswirte schon 2021 die
Trendwende. Wie schätzen die Regierungsberater die Lage ein?

Wiesbaden/Berlin (dpa) - Der Konjunkturabsturz im Corona-Jahr 2020
wird heftig - darin sind sich Volkswirte einig. Auch die
«Wirtschaftsweisen», die die Bundesregierung beraten, müssen ihre
Prognose nach unten korrigieren. An diesem Dienstag (12.00 Uhr)
veröffentlicht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine überarbeiteten Schätzungen
für die Jahre 2020 und 2021. Die entscheidenden Fragen: Wann erholt
sich Europas größte Volkswirtschaft von der tiefsten Rezession der
Nachkriegsgeschichte? Und was tragen die milliardenschweren
staatlichen Hilfspakete für Unternehmen und Verbraucher dazu bei?

Der Sachverständigenrat hatte Ende März als wahrscheinlichstes
Szenario angenommen, dass es einen fünfwöchigen «Lockdown» gibt und

anschließend die Einschränkungen für Unternehmen sowie Konsumenten
wieder gelockert werden. Für diesen Fall war das Gremium davon
ausgegangen, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im
laufenden Jahr um 2,8 Prozent schrumpfen würde. Für den schlimmsten
Fall unterstellten die «Wirtschaftsweisen» ein Minus von 5,4 Prozent.

Doch es kam schlimmer als erwartet: Die Industrieproduktion sackte
auf den tiefsten Stand seit über 20 Jahren, für die Exportwirtschaft
brachte der April Horrorzahlen. Der Inlandstourismus kam zeitweise
fast komplett zum Erliegen, das Gastgewerbe kämpft nach Einschätzung
des Branchenverbandes Dehoga ums Überleben. Etliche Ökonomen rechnen
für das Gesamtjahr mit einem deutlichen Anstieg der Firmenpleiten.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Lars Feld, hatte schon Ende
Mai eine Überarbeitung der Prognose angekündigt. «Der Lockdown hat
länger gedauert, und die Außenwirtschaft wird härter getroffen als
erwartet. Vor allem im Hinblick auf die USA waren wir deutlich zu
optimistisch», sagte der Freiburger Wirtschaftsprofessor jüngst. «Wir

haben in diesem Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu
erwarten, der voraussichtlich zwischen minus 6 Prozent und minus 7
Prozent liegen wird.»

Sicher ist: Deutschland steuert auf die schwerste Rezession seit dem
Zweiten Weltkrieg zu. Die Bundesregierung erwartet für das laufende
Jahr 6,3 Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung, die Bundesbank
rechnet mit minus 7,1 Prozent aus, der Deutsche Industrie- und
Handelskammertag (DIHK) ging Mitte Mai gar von «mindestens zehn
Prozent» Minus aus. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise
2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent zurückgegangen.

Im ersten Quartal 2020 schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach Daten
des Statistischen Bundesamtes zum Vorquartal um 2,2 Prozent - obwohl
in dem Drei-Monats-Zeitraum von den Maßnahmen zur Bekämpfung des
Virus im Grunde nur der März betroffen war. Und die Erwartungen für
das zweite Quartal sind düster - auch wenn mittlerweile etliche
Einschränkungen wieder gelockert wurden. Die Bundesbank konstatiert:
«Insgesamt könnte die Wirtschaftsleistung im Durchschnitt des
laufenden Vierteljahres um beinahe ein Zehntel und damit noch
erheblich stärker zurückgehen als im ersten Quartal.»

Viele Experten sind jedoch zuversichtlich, dass die deutsche
Wirtschaft bereits im kommenden Jahr auf den Wachstumspfad
zurückkehren wird - auch, weil der Staat Rettungspakete in
historischem Umfang geschnürt hat. 130 Milliarden Euro schwer ist das
Konjunkturpaket, auf dass sich die schwarz-roten Koalition
verständigt hat. Die Mehrwertsteuer soll vorübergehend gesenkt
werden, zudem gibt es unter anderem Finanzspritzen für Familien und
Kommunen sowie eine höhere Kaufprämie für Elektroautos.

Der konjunkturelle Tiefpunkt sei erreicht, stellte das
Bundeswirtschaftsministerium vor zwei Wochen fest: «Mit der
schrittweisen Lockerung der Schutzmaßnahmen und der Wiederaufnahme
der Produktion in der Automobilindustrie setzt nun die
wirtschaftliche Erholung ein.»

Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist zuversichtlich, dass
Deutschland die Corona-Krise langfristig gut meistern wird. Es
zeigten sich erste «Silberstreifen am Horizont», sagte der
CDU-Politiker dem Nachrichtenportal «t-online». «Wir tun alles, damit

es ab dem letzten Quartal 2020 eine Trendumkehr geben wird.» Es werde
aber aller Voraussicht nach noch bis ins Jahr 2022 dauern, «bis wir
die Verluste kompensiert und die alte wirtschaftliche Stärke erreicht
haben.»