Gericht: Verbot des regulären Kita-Betriebs unverhältnismäßig

Die Anti-Corona-Politik muss regelmäßig von bayerischen Gerichten
überprüft werden. Die Staatsregierung kassiert dabei immer neue
Niederlagen - will aber an ihrem vorsichtigen Kurs festhalten.

München (dpa/lby) - Die Staatsregierung hat die nächste gerichtliche
Schlappe wegen ihrer Anti-Corona-Maßnahmen erlitten - allerdings
zunächst nur in einem konkreten Einzelfall. Das Verwaltungsgericht
Regensburg hält das bis Monatsende geltende Verbot des normalen
Betriebs in Kindertageseinrichtungen nicht mehr für verhältnismäßig
.

Mit der Entscheidung, die am Montag veröffentlicht wurde, gab das
Gericht dem Antrag der Eltern eines vierjährigen Kindes statt. Der
Beschluss, der schon am vergangenen Mittwoch erging, wirkt sich laut
Mitteilung aber nur in Bezug auf die betroffene Familie aus: Der
vierjährige Sohn darf den Kindergarten seither wieder besuchen.

Nun muss voraussichtlich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof
entscheiden: Die Staatsregierung kündigte am Montag an, gegen die
Entscheidung Beschwerde einzulegen. Hinzu kommt aber: Ab 1. Juli
dürfen ohnehin alle Kinder in Bayern wieder ihre Kitas besuchen.
Derzeit sind es rund 80 Prozent - die Staatsregierung hatte die
Einrichtungen schrittweise für immer mehr Kinder wieder geöffnet.

Das Regensburger Gericht geht in seiner Begründung davon aus, dass
das Verbot des regulären Kita-Betriebs «keine hinreichende
gesetzliche Grundlage (mehr) findet». Bei summarischer Überprüfung
erscheine «eine Schließung des regulären Betreuungsangebotes in einer

Kindertageseinrichtung und ein entsprechendes Betretungsverbot nicht
mehr verhältnismäßig». Die Rechte der Eltern und des Kindes seien
nicht ausreichend berücksichtigt worden. Auch weniger einschneidende
Maßnahmen seien geeignet (und auch erforderlich), um das
Corona-Infektionsrisiko einzudämmen (Az. RO 14 S 20.1002).

Das Familienministerium rechtfertigte dagegen das bisherige Vorgehen.
«Die Staatsregierung hat bei der Bekämpfung der Pandemie stets mit
Vorsicht und Umsicht gehandelt», sagte ein Sprecher. Deshalb habe man
die notwendigen Maßnahmen auch dem Infektionsgeschehen entsprechend
schrittweise gelockert. «Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass der
Weg der schrittweisen Lockerungen geboten und notwendig ist, um die
erreichten Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie nicht zu
gefährden. Für uns steht der Schutz der Kinder, ihrer Eltern und auch
der Beschäftigten in unseren Kitas nach wie vor an erster Stelle.»

Herbe Kritik an der Staatsregierung übten Grüne, SPD und FDP. «Bis
heute werden 20 Prozent der Kinder von der Kita ausgeschlossen. Diese
abstruse Regelung der Söder-Regierung ist weder mit dem
Infektionsschutz begründbar noch ist sie kind- und familiengerecht»,
sagte Johannes Becher (Grüne). Nach aktuellen wissenschaftlichen
Erkenntnissen sei eine vollständige Kita-Öffnung mit Hygienekonzepten
und regelmäßigen Tests des Personals gut verantwortbar, erklärte er.


Doris Rauscher (SPD) sagte: «Die vollständige Öffnung der Kitas in
Bayern ist ein längst überfälliger Schritt. Hoffentlich nimmt nun das

Regelungs-Wirrwarr für Kinder und Eltern ein Ende.» Und Julika Sandt
(FDP) lobte, der Rechtsstaat springe den Familien zur Seite. «Das
Gericht hat die Zukunftschancen der Kinder und die Existenznöte der
Eltern im Blick. Ganz im Gegensatz zu CSU und Freien Wählern.»

Die Staatsregierung hatte wegen ihrer Anti-Corona-Politik zuletzt
schon mehrere Niederlagen vor Gericht erlitten. Erst am Freitag hatte
der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Corona-Sperrstunde für
Biergärten und Restaurants gekippt - die gibt es nun nicht mehr.