Ärzte für Krisen-Puffer bei Kapazitäten der Kliniken

Die Krankenhäuser haben die Corona-Krise bisher bewältigen können -
auch dank frei gehaltener Betten. Das hat sich in den Augen der Ärzte
bewährt. Handlungsbedarf sehen sie bei anderen wichtigen Fragen.

Berlin (dpa) - Ärztepräsident Klaus Reinhardt befürwortet angesichts

der Corona-Pandemie einen ständigen Krisen-Puffer bei den Kliniken.
«Krankenhäuser sind keine Unternehmen, in denen man wie in einem
produzierenden Betrieb nur die Auslastung optimiert», sagte der Chef
der Bundesärztekammer der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen immer

einen gewissen Überhang an Kapazitäten vorhalten und natürlich auch
finanzieren, um auf Krisen angemessen reagieren zu können.» Es sei
wie bei der Feuerwehr: «Sie kostet Geld, auch wenn sie nicht im
Einsatz ist. Aber wenn es brennt, ist sie schnell da.»

Reinhardt betonte: «Unser Gesundheitssystem funktioniert in der
aktuellen Krise ausgesprochen gut.» Das gelte für die ambulante
Versorgung wie für die Kliniken. «Deshalb darf es auf keinen Fall
einen Abbau von Kapazitäten oder Personal geben.» Wenn es medizinisch
sinnvoll ist, könnten auch Standorte zusammengelegt werden - etwa um
Arbeitsdruck zu mindern und Freiräume für Investitionen zu schaffen.
«Es geht nicht darum, die klinische Versorgung in der Fläche und in
ländlichen Regionen auszudünnen. Aber wenn es in Ballungszentren eine
große Zahl an Klinikstandorten gibt, finde ich eine Debatte über
sinnvolle Zusammenlegungen auch nach Corona angemessen.»

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte den Partnerzeitungen der
Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Montag): «Unsere hohe Zahl an
Intensivbetten hat sich bewährt.» In der Krise habe sich gezeigt,
«dass wir gute Konzepte für die regionale Versorgung brauchen, gerade
bei den Krankenhäusern». «Es muss Maximalversorger geben mit klar
definierten Aufgaben, auch für den Fall einer Pandemie, und drumherum
in der Fläche ein aufeinander abgestimmtes Angebot. Es kann nicht
mehr jedes Krankenhaus alles machen», so der CDU-Politiker.

Ärztepräsident Reinhardt sagte, auch bei der Finanzierung gebe es
Handlungsbedarf. Geld für dringend nötige Investitionen der
Krankenhäuser solle ja von den Ländern kommen. «In den vergangenen
Jahren war dies aber völlig unzureichend der Fall, so dass viele gute
Kliniken gar nicht in der Lage sind, vernünftig zu arbeiten.» Sie
seien darauf angewiesen, Investitionen aus den Pauschalen für die
Krankenversorgung zu zahlen, die eigentlich zur Deckung der
Betriebskosten gedacht sind. Die Folge seien immer mehr
Kostensenkungen und Personalausdünnung. «Das geht nicht mehr lange
gut, daran muss sich dringend etwas ändern.»

Der Ärztepräsident begrüßte es, Kliniken nun wieder stärker auf d
ie
normale Versorgung auszurichten. «Man kann davon ausgehen, dass ein
gewisser Behandlungsstau entstanden ist.» Die übrige Versorgung sei
sehr drastisch zurückgefahren worden. «Wir hatten zu allen Zeiten der
Pandemie in Deutschland immer deutlich mehr als 10 000 Intensivbetten
in den Kliniken frei.» Die Zahl von Patienten mit Schlaganfällen und
Herzinfarkten in den Krankenhäusern sei aber teils um bis zu 30
Prozent rückläufig gewesen. «Wir müssen befürchten, dass eine Rei
he
von Menschen offensichtlich bei leichterem Krankheitsverlauf aus
Angst vor einer Corona-Infektion zu Hause geblieben ist.»

Reinhardt erläuterte: «Abgesehen davon, dass diese Angst in dem
Zusammenhang natürlich völlig unangemessen ist, wissen wir heute noch
lange nicht, was das an Spätfolgen bewirken wird.» Menschen mit
anderen Erkrankungen hätten den gleichen Anspruch, versorgt zu
werden, wie Covid-19-Patienten. «Deswegen ist es wichtig, jetzt
wieder ein Gleichgewicht in der Versorgung herzustellen und Patienten
zu ermuntern, tatsächlich medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.»

In seiner Hausarztpraxis gebe es wieder deutlich mehr persönliche
Patientenkontakte, berichtete Reinhard. «Es gelten natürlich weiter
Abstandsregeln. Die Schlange vor dem Tresen reicht gelegentlich bis
vor die Praxis. Das ist aber alles erträglich, wenn man es mit
solchen Sicherheitsmaßnahmen schafft, Ansteckungsrisiken zu
verhindern. Es ist ein wenig komplizierter geworden, aber machbar.»