Laschet: Kein flächendeckender Lockdown im Kreis Gütersloh

Mittlerweile sind 1331 Corona-Infizierte beim Fleischhersteller
Tönnies bekannt. Die Behörden sehen trotzdem keinen Grund für ein
massives Runterfahren des öffentlichen Lebens im Landkreis.
Stattdessen mahnt der Ministerpräsident die Einhaltung der Regeln an.

Gütersloh (dpa/lnw) - Nach dem massenhaften Corona-Ausbruch in
Deutschlands größter Fleischfabrik sehen die Behörden weiterhin
keinen Grund für einen Lockdown im Kreis Gütersloh, also das massive
Runterfahren des öffentlichen Lebens. Es gebe zwar «ein enormes
Pandemie-Risiko», sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am
Sonntag nach einem Besuch des Krisenstabs im Kreishaus von Gütersloh.
Das Infektionsgeschehen sei aber klar bei der Firma Tönnies
lokalisierbar und es gebe keinen «signifikanten Übersprung» hinein in

die Bevölkerung. Die Zahl der Corona-Infizierten in der
Tönnies-Fleischfabrik in Rheda-Wiedenbrück stieg bis Sonntag nach
Angaben des Kreises auf 1331.

An die Bevölkerung im Landkreis Gütersloh appellierte der
Regierungschef, «mehr als sonst» die Regeln einzuhalten. «Achten Sie

auf Abstand, auf die Masken. Vermeiden Sie große Veranstaltungen.
Veranstaltungen über 50 Teilnehmer sollten in der nächsten Zeit -
wenn es geht - nicht stattfinden», sagte Laschet.

Der SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty, kritisierte
den Verzicht auf schärfere Restriktionen. «Wo Entschlossenheit
gefragt ist, reagiert der Ministerpräsident mit dem Appell,
Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen möglichst zu vermeiden. Das
ist angesichts des größten Corona-Hotspots in Europa
verantwortungslos und zeugt nicht von konsequentem Handeln», sagte er
der «Rheinischen Post» (Montag).

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) drohte einen
schärferen Kurs der Politik gegen die Fleischindustrie an. Mit der
Fleischwirtschaft könne es «keine freiwilligen Vereinbarungen geben,
sondern nur klare gesetzliche Vorgaben, egal wer der Besitzer ist»,
sagte Laumann, der Laschet in Gütersloh begleitete. Laumann forderte
mehr Transparenz vor allem bei Meldepflichten und der
Arbeitszeiterfassung.

Laschet nahm den Unternehmer Clemens Tönnies in die Pflicht. «Wir
werden auch Herrn Tönnies beim Wort nehmen, dass er gesagt hat, es
kann keinen Zustand geben wie zuvor. Wir brauchen neue Regeln, neue
Bedingungen - und das ist auch das, was wir vom Unternehmen
erwarten.»

Der Ministerpräsident warnte die Arbeiter aus anderen Ländern vor
einer überstürzten Abreise in ihre Heimat. Im Fall einer Infizierung
bekämen die Arbeiter die «bestmögliche medizinische Behandlung» in

Deutschland, sagte er. Das liege auch im eigenen Interesse der
Arbeiter. Es würden nun in unbegrenzter Größenordnung so viele
Dolmetscher wie möglich in die Unterkünfte der Beschäftigten
geschickt.

Das Problem sei, dass diese auf 1300 Liegenschaften verteilt seien.
Drei Hundertschaften der Polizei unterstützten die Ordnungsämter
dabei, die Quarantäne durchzusetzen. Nach Angaben des Kreises ist
«eine Reihe von Mitarbeitern ganz offensichtlich in die Heimat
zurückgekehrt, unter anderem Personen, die negativ getestet worden
sind und die die sich abzeichnende Quarantäne hier vermeiden
wollten».

Die Reihentestungen auf dem Gelände der Firma seien am Samstag
abgeschlossen worden, hieß es. Insgesamt 6139 Tests seien gemacht
worden. 5899 Befunde lägen bereits vor. Bei 4568 Beschäftigten konnte
demnach das Virus nicht nachgewiesen werden. In den vier
Krankenhäusern im Landkreis werden derzeit 21 Covid-19-Patienten
stationär behandelt. Davon liegen sechs Personen auf der
Intensivstation, zwei von ihnen müssen beatmet werden. Fünf der sechs
sind nach Angaben des Kreises Tönnies-Beschäftigte.

Am Sonntag seien 32 mobile Teams in den Städten und Gemeinden des
Kreises unterwegs gewesen, um bei Haushaltsangehörigen von
Tönnies-Mitarbeitern Abstriche zu machen und ihnen Unterstützung
anzubieten. An den Teams beteiligt waren jeweils Mitarbeiter des
Ordnungsamtes, des Deutschen Roten Kreuzes, der Bundeswehr und
Dolmetscher. Einige Teams wurden auch von Polizisten begleitet.

Am Standort Rheda-Wiedenbrück, dem größten Schlachtereibetrieb
Deutschlands, arbeiten nach Unternehmensangaben rund 6500 Menschen.
Rund die Hälfte aller Beschäftigten in der gesamten
Tönnies-Unternehmensgruppe arbeiten nach Angaben eines Sprechers über
Subunternehmen für Tönnies. Insgesamt seien Menschen aus 87 Nationen
für Tönnies tätig. Die mit Abstand größten Gruppen kommen aus
Rumänien und Polen. Rund ein Drittel der Beschäftigten mit
ausländischer Nationalität lebt den Angaben zufolge mit ihren
Familien in Deutschland.