Laschet stellt umstrittene Äußerung klar - scharfe Kritik aus SPD

Kleiner Satz, große Empörung: Nachdem NRW-Ministerpräsident Armin
Laschet (CDU) den Corona-Ausbruch bei Tönnies auf «Bulgaren und
Rumänen» zurückführte, tobt die Opposition. Laschet rudert zurück
-
aber vor allem Außenminister Maas findet deutliche Worte.

Düsseldorf (dpa) - Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und
potenzieller Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist wegen eines
Satzes zum Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies in die
Defensive geraten. Am Donnerstag reagierte der CDU-Politiker auf
Kritik an seiner Aussage: «Menschen gleich welcher Herkunft
irgendeine Schuld am Virus zu geben, verbietet sich. Mir ist wichtig
klarzumachen, dass das für mich wie für die gesamte Landesregierung
selbstverständlich ist», erklärte Laschet, der auch Kandidat für de
n
CDU-Vorsitz ist. Gleichzeitig verortete er die Verantwortung für das
Geschehen bei den Unternehmen - und kündigte «substanzielle
Verbesserungen bei den Bedingungen insbesondere für Arbeitnehmer aus
Bulgarien und Rumänien» an. Ungewöhnlich scharfe Kritik kam am
Donnerstag von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

Laschet hatte am Mittwoch auf die Frage, was der Corona-Ausbruch im
Schlachtbetrieb Tönnies über die bisherigen Lockerungen aussage,
geantwortet: «Das sagt darüber überhaupt nichts aus, weil Rumänen u
nd
Bulgaren da eingereist sind und da der Virus herkommt. Das wird
überall passieren.» Im nächsten Satz verwies Laschet auf die
Unterbringung und Arbeitsbedingungen in Betrieben.

Mehrere SPD-Politiker hatten daraufhin eine Entschuldigung gefordert.
Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach bei einem Besuch in Bulgarien
von einer «unqualifizierten Bemerkung» Dafür gebe es keine sachliche

Grundlage. «Es ist höchst gefährlich, über solche Schuldzuweisungen
,
die in der Sache auch noch absurd sind, Diskussionen, die wir auch in
Deutschland haben, zu verstärken und auch zu verschärfen», sagte
Maas. Laschet gieße damit «Öl ins Feuer», wie es «niemand, der
verantwortliche Politik macht, tun darf».

Auch die bulgarische Außenministerin Ekaterina Zaharieva kritisierte
Laschets ursprüngliche Äußerung bei dem Treffen mit Maas scharf. «I
ch
bin der Meinung, dass dieses Statement wirklich unangemessen war»,
sagte sie. Sie sprach in dem Zusammenhang laut offizieller
Übersetzung auch von Rassismus, ohne Laschet das aber direkt
vorzuwerfen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete es als «unsouverän,
dass Herr Laschet als erstes die Bulgaren und die Rumänen, also die
Arbeiter, die herkommen, um hier wirklich unter widrigen Umständen in
der Fleischindustrie zu arbeiten, dass er die angreift.» Auch er
erwarte daher eine Entschuldigung, sagte Klingbeil am Donnerstag bei
bild.de. Der SPD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Thomas Kutschaty,
sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Mit diesem Zitat hat sich Armin
Laschet die Denke von Tönnies eins zu eins zu Eigen gemacht. Das ist
unterste Schublade.»

Die Vize-Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland
kritisierte «voreilige Mutmaßungen» der politisch Verantwortlichen
mit scharfen Worten - ohne Laschet namentlich zu nennen. Eine
«voreilige Spekulation» entbehre jeglicher belastbarer Sachgrundlage,
sagte Annette Kurschus laut Mitteilung. Es gehe jetzt um Fragen der
Unterbringung und Hygienestandards.

Darauf bezog sich am Donnerstag auch Laschet. «Wir müssen davon
ausgehen, dass die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der
Menschen dazu beigetragen haben, dass sich das Coronavirus unter den
Mitarbeitern des Schlachtbetriebs in Gütersloh derart ausbreiten
konnte», sagte der Ministerpräsident. Mit Bezug auf seine
ursprüngliche Aussage zu eingereisten Arbeitern ergänzte er: «Es gibt

eine Vielzahl von Risiken für die Verbreitung von Viren, dazu gehören
auch die Bedingungen und die Form des Reiseverkehrs innerhalb
Europas. Wir wollen ja aber gerade offene Grenzen und einen
europäischen Arbeitsmarkt.»

Er betonte: «Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen von Beschäftigten
sind weder in der Fleischindustrie noch in anderen Branchen
hinnehmbar.» Gemeinsam mit der Bundesregierung wolle man «für ganz
Deutschland bessere Regelungen schaffen zum Schutz der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.» Die Landesregierung tausche sich
seit Wochen mit den Vertretern der betroffenen Länder aus, um
substanzielle Verbesserungen bei den Bedingungen «insbesondere für
Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien zu erreichen». Die
tatsächliche Ursache des Ausbruchs bei Tönnies blieb zunächst unklar.


Die Christdemokraten müssen auf einem Parteitag Ende des Jahres die
Nachfolge von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bestimmen.
Neben Laschet bewerben sich der frühere Unions-Fraktionschef
Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen.

ZDF-Moderator Jan Böhmermann fasste die Debatte um Laschet
unterdessen auf seine Art zusammen. Mit Bezug auf Laschets Avancen
als CDU-Bundesvorsitzender twitterte der Satiriker: «Die Bulgaren und
die Rumänen sind Schuld, wenn Armin Laschet nicht Bundeskanzler
wird.»