Tuifly-Aufseher beschließen Sparkurs - Hunderte Jobs bedroht

Die Demo half nichts, die Mehrheit des Aufsichtsrats ließ sich nicht
mehr umstimmen: Die Flotte von Tuifly wird gegen den Widerstand der
Belegschaft um mehr als die Hälfte verkleinert. Es stehen schwierige
Gespräche über die Umsetzung bevor.

Hannover (dpa) - Bei Tuifly soll die Flotte um mehr als die Hälfte
schrumpfen - mit entsprechenden Folgen für Jobs und Standorte. Der
Aufsichtsrat der Tui-Konzernfluglinie bestätigte am Donnerstag
mehrheitlich den vom Management vorgeschlagenen Sparkurs. Nach
Informationen der Gewerkschaft Verdi soll es wegen der Folgen der
Corona-Krise künftig nur noch 17 Maschinen geben. Zur Zahl der akut
bedrohten Arbeitsplätze gab es zunächst keine Angaben - zuletzt war
von möglicherweise bis zu 900 Vollzeitstellen die Rede.

Tui hat bereits die Streichung von insgesamt 8000 Jobs angekündigt,
vor allem im Ausland. Eine für die deutschen Konzerngesellschaften
geltende Beschäftigungsgarantie bis Ende 2021 soll Bestand haben.

Arbeitnehmervertreter hätten zwar gegen die Kürzungspläne für Tuifl
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gestimmt, hieß es bei Verdi nach der Sitzung des Kontrollgremiums in
Hannover. Am Ende habe sich aber die Kapitalseite durchgesetzt. Viele
Beschäftigte, die aus ganz Deutschland zu einer Kundgebung anreisten,
seien «mit der Stimmung am Boden»: «Es sind auch Tränen geflossen.
»

Tuifly-Chef Oliver Lackmann trat am Abend vor die Mitarbeiter. Der
Druck in der gesamten Luftverkehrs- und Touristikbranche sei
angesichts des so gut wie ausgefallenen Geschäfts der letzten drei
Monate so hoch, dass man jetzt handeln müsse. In einer schriftlichen
Erklärung betonte der Manager anschließend: «Die Entscheidung macht
sich niemand leicht. Aber die Tuifly-Flotte ist für die Kundenzahl
unseres deutschen Tui-Reiseveranstalters zu groß.» Aufgabe der
Airline ist es vor allem, als Zubringer für Tui-Kunden zu agieren.

Konzernchef Fritz Joussen hatte schon im März gesagt, man müsse «das

Geld zusammenhalten». Auch bei anderen Fluglinien wie Condor oder
Lufthansa dürften harte Kürzungen bevorstehen. Lackmann erklärte:
«Die Corona-Pandemie hat im Airline-Sektor zu starken Verwerfungen
geführt, insbesondere für die Ferienflieger.» Laut Prognosen werde
der Flugverkehr auch 2021 «deutlich unter dem Volumen des Jahres 2019
liegen». Schon vor der Krise habe es zudem Überkapazitäten gegeben.

Die europäischen Airline-Marken von Tui sollen nun gebündelt werden.
Hauptsitz bleibt Hannover. «Ein Abbau von Stellen ist bei Tuifly in
der Technik, Verwaltung sowie bei Crews vorgesehen», sagte Lackmann.
Hannover und Düsseldorf sollen die wichtigsten Standorte sein, auch
in Frankfurt, München und Stuttgart soll der Betrieb weitergehen.
Laut Verdi soll die Technik in Hamburg komplett geschlossen werden.
In Hannover sollen erhebliche Kürzungen bei der «base maintenance» -

also regelmäßigen, längeren Checks von Flugzeugen - bevorstehen.

«Wir wollen mit den Vertretern der Belegschaft zügig zu einer
Einigung kommen», so Lackmann. Die Gewerkschaften halten den Sparkurs
aber für völlig überzogen. So wird befürchtet, dass Tuifly bei eine
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Rückkehr der Buchungen zu wenig eigene Kapazitäten habe und Maschinen
von anderen Anbietern anmieten müsste. Sie verweisen zudem darauf,
dass die Tui-Gruppe schon einen staatlichen Milliardenkredit im Kampf
gegen die Umsatzrückgänge in der Corona-Krise erhält.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hatte diesen Umstand
vor dem Hintergrund gleichzeitiger Einsparungen scharf kritisiert.
Ihr Chef Markus Wahl sagte: «Es ist weder den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern noch Politik und Gesellschaft oder den Kundinnen und
Kunden zu vermitteln, dass mit dem Geld deutscher Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler ausgerechnet der Abbau deutscher Arbeitsplätze
finanziert werden soll.» Betriebsräte waren das Tuifly-Management
ebenfalls hart angegangen. Sie sehen die Lasten der Viruskrise teils
als Vorwand: Der Konzern wolle von einer nicht hinreichenden
Finanzausstattung etwa infolge zu hoher Dividendenzahlungen ablenken.