Viele Lockerungen weltweit treffen auf Sorge vor zweiter Corona-Welle

Während Washington, Teheran und Neu-Delhi der Angst vor einer zweiten
Corona-Welle mit Lockerungen trotzen, kämpft Peking bereits mit einem
erneuten Virus-Ausbruch.

Berlin (dpa) - Die Normalität nach der ersten Corona-Welle war in
China zum Greifen nah - bis das Coronavirus vergangene Woche in
Peking erneut ausgebrochen ist. Teheran und Neu-Delhi sind indes
weiter auf Lockerungskurs, trotz steigender Infektionszahlen. Auch in
den USA klettern die Fallzahlen vielerorts in die Höhe, während
Präsident Trump die Öffnung der Wirtschaft weiter vorantreibt.

PEKING - 158 Infektionen seit Ausbruch auf Großmarkt

Nach dem neuen Ausbruch des Coronavirus bleibt die Lage in der
chinesischen Hauptstadt angespannt. Am Donnerstag meldete die
Pekinger Gesundheitskommission 21 weitere Infizierte. Damit gibt es
innerhalb der vergangene sieben Tage bereits 158 bestätigte
Infektionen in der 20-Millionen-Metropole. 

Als Reaktion auf den neuen Ausbruch, der vergangene Woche auf dem
Xinfadi-Großmarkt der Stadt begann, riefen die Behörden die
zweithöchste Sicherheitsstufe aus, womit Peking teilweise abgeriegelt
wird. Flüge aus und in die Hauptstadt wurden drastisch reduziert.

Bewohner aus Gegenden von Peking, in denen das Risiko als
«mittel» oder «hoch» eingestuft wurde, dürften die Stadt ni
cht mehr
verlassen. So solle verhindert werden, dass sich der neue Ausbruch
auf andere Teile des Landes ausweitet. Auch alle anderen Pekinger
dürfen nur noch Reisen, wenn sie einen negativen Coronatest vorlegen
können. Schulen wurden ebenfalls wieder geschlossen. 

Bereits in den vergangen Tagen hatten die Behörden damit begonnen,
mehrere Nachbarschaften komplett abzuschotten. In der ganzen Stadt
wurden Kontrollen wie etwa Fiebermessen wieder verschärft. 

USA - Anstieg in Texas, Rückgang in New York

Die Vereinigten Staaten diskutieren über die Gefahr einer zweiten
Corona-Welle - dabei geht die erste vielerorts erst richtig los.
«Eine solche Panik ist übertrieben», schrieb Vize-Präsident Mike
Pence im «Wall Street Journal». Hintergrund ist der sprunghafte
Anstieg der Neuinfektionen und ein neuer Höchststand in
einigen Regionen. Darunter sind unter anderem die bevölkerungsreichen
Bundesstaaten Florida und Texas, aber auch in vielen anderen Staaten
steigt die Fallzahl während der von US-Präsident Donald Trump
vorangetriebenen Öffnung der Wirtschaft besorgniserregend.

Die Massenproteste der vergangenen drei Wochen scheinen sich in
vielen Städten wie New York, Washington oder Chicago derweil nicht
oder kaum bei den Neuinfektionen bemerkbar zu machen. Im Bundesstaat
New York, einst weltweites Epizentrum der Pandemie, sind die Zahlen
mittlerweile sogar so gut, dass die Ostküstenmetropole mit ihrer
Öffnung voranschreiten kann. Zuletzt waren im Bundesstaat nur noch 17
Menschen an Covid-19 gestorben - vor wenigen Wochen noch knapp 800.

IRAN - Zwischen Gesundheit und Geldbörse

Im Iran steckt Präsident Hassan Ruhani in einem Dilemma. Einerseits
will und muss er Lockerungen vornehmen, um eine noch akutere
Wirtschaftskrise im Land zu verhindern. Andererseits sind seit den
Öffnungen Ende Mai die Fallzahlen um das Zweifache gestiegen.
Aktuell sind seit dem Ausbruch der Pandemie Ende Februar fast 9200
Iraner am Corona-Virus gestorben und über 195 000 haben sich
infiziert. Trotz Kritik von Experten bleibt Ruhani seiner Linie
vorerst treu. Als Präsident müsse er nach eigenen Worten nun mal an
Gesundheit und Geldbörse der Menschen gleichzeitig denken.

Die Lockerungen haben außerdem auch dazu geführt, dass die
Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen in der Bevölkerung nicht
mehr ernstgenommen werden. Amtlichen Angaben zufolge werden die
Hygiene-Vorschriften landesweit derzeit nur noch von weniger als 30
Prozent der Menschen eingehalten. 

NEU-DELHI - Verzweifelte Suche nach Krankenhausbetten

In Indiens Hauptstadt Neu Delhi gehen zurzeit die Krankenhausbetten
aus - und auch in Leichenhallen wird der Platz knapp. So lässt die
Millionenmetropole Züge, Hochzeitshallen, Hotels und Stadien in
temporäre Corona-Krankenhäuser umwandeln. Doch die Lage ist
schwierig. In den sozialen Netzwerken kursieren viele Videos von
verzweifelten Leuten, die versuchen, ihre Angehörigen mit
Covid-Symptomen in ein Krankenhaus zu bringen - und immer wieder
abgewiesen werden. Auch die deutsche Botschaft wies in einem
sogenannten Landsleuteschreiben auf die knappe Zahl der
Krankenhausbetten hin.

Inzwischen ist Indien bei den Corona-Infektionen weltweit auf Platz
vier - nach den USA, Brasilien und Russland. Es gibt mehr als 366 000
bestätigte Corona-Fälle, mehr als 12 000 Covid-19-Patienten starben
.
Trotzdem lockert das mit 1,3 Milliarden Einwohnern
zweitbevölkerungsreichste Land der Erde zunehmend. Denn wegen des
wochenlangen Lockdowns wurden Millionen Menschen arbeitslos und viele
haben Angst, zu verhungern.