Länder finden neue Linie für Corona-Krise - Bund muss noch zustimmen Von Marco Hadem, Jörg Blank und Ruppert Mayr, dpa

Die Corona-Lockerungen sind seit Wochen das Streitthema zwischen Bund
und Ländern, aber auch unter den Ländern. Kurz vor der Sommerpause
kehren sie zurück auf einen einheitlicheren Kurs. Ob das gut geht?

Berlin (dpa) - Nach langem Streit im Umgang mit der Corona-Krise
wollen Bund und Länder mit neuen Regeln für Schulen, Maskenpflicht,
Abstandsregeln und Großveranstaltungen Einigkeit demonstrieren. Dem
Vernehmen nach einigten sich die Länderchefs am Mittwoch bei der
Ministerpräsidentenkonferenz bereits auf eine gemeinsame Linie, dem
Beschluss musste aber am Nachmittag auch der Bund bei einer zweiten
Konferenzrunde mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch zustimmen.
Wegen unterschiedlicher Ansichten bei Lockerungen und entsprechenden
Beschlüssen hatte es zwischen Bund und Ländern sowie den Ländern
untereinander zuletzt oft Streit gegeben.

Zur Eindämmung des Virus setzt die Beschlussvorlage für das Treffen
der Länder mit Merkel insbesondere auf die Fortsetzung des
Mindestabstands von 1,5 Metern, verstärkte Hygiene-Maßnahmen sowie
das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten öffentlichen
Bereichen. Spätestens nach den Sommerferien sollen zudem die Schulen
bei einem positiven Verlauf der Infektionszahlen in den Regelbetrieb
zurückzukehren. Dagegen bleiben - wenn auch mit Ausnahmen -
Großveranstaltungen mindestens bis Ende Oktober verboten.

In dem Papier heißt es, der Mindestabstand von 1,5 Metern, verstärkte
Hygiene-Maßnahmen sowie das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in
bestimmten öffentlichen Bereichen, insbesondere im öffentlichen
Personennahverkehr und im Einzelhandel, hätten sich bewährt und
würden grundsätzlich fortgeführt. Bürgerinnen und Bürger seien
angehalten, ihre Kontakte zu anderen Personen möglichst gering zu
halten. Dies war nach den zuletzt auseinanderdriftenden Einzelregeln
der Länder in Zweifel gezogen worden. Auf Länderseite wurde eine
mögliche Einigung in diesem Punkt als bedeutend hervorgehoben.

Sollte die Zahl der Corona-Infektionen wieder stark steigen, sollen
aber auch weitergehende Kontaktbeschränkungen erlassen werden, «um
den Ausbruch einzudämmen und ein überregionales Infektionsgeschehen
zu verhindern», wie es in der Beschlussvorlage weiter heißt. Bei
niedrigeren Fallzahlen könnte andererseits aber das Abstandsgebot bei
Zusammenkünften «sicher bekannter Personen», etwa im Arbeitsumfeld,
in Schulen und Kindergärten auch unterschritten werden.

Ferner streben die Länder wegen der sinkenden Infektionszahlen in den
vergangenen Wochen an, spätestens nach den Sommerferien in den
schulischen Regelbetrieb «unter Wegfall der Abstandsvorgaben»
zurückzukehren. «Zeitnah soll auch von der Notbetreuung zu einem
möglichst vollständigen Regelbetrieb der Kinderbetreuungsangebote
zurückgekehrt werden», heißt es in der Beschlussfassung.

Das bis Ende August geltende Verbot für Großveranstaltungen soll bis
mindestens Ende Oktober grundsätzlich verlängert werden, jedoch sieht
die Einigung auch Möglichkeiten für Ausnahmen zu. Das Verbot gelte
für solche Veranstaltungen, «bei denen eine Kontaktverfolgung und die
Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist».

Der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther (CDU) sagte
der dpa, Großveranstaltungen sollten ab dem 1. September möglich
sein, aber nur dann, wenn Kontaktbeschränkungen und Hygienekonzepte
eingehalten würden. Auf Nachfrage, wie das etwa bei Fußballspielen
aussehen könnte, sagte Günther, über die konkrete Ausgestaltung habe

man nicht gesprochen. Es gehe um eine grundsätzliche Vereinbarung.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte: «Das erste
und wichtigste Ziel ist es, zu vermeiden, dass es zu einer zweiten
Welle in Deutschland kommt, und deswegen werden wir uns weiter
einschränken müssen.»

Am 12. März hatten sich Merkel und die Länderchefs zum letzten Mal
persönlich im Kanzleramt getroffen. Danach wurde das öffentliche
Leben in Deutschland wegen der Pandemie heruntergefahren: Schulen und
Kitas wurden geschlossen, Restaurants, Bars und andere Einrichtungen
ebenso. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten hatten seitdem in
Videoschalten über das Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten.

Der Kurs von Bund und Ländern in der Pandemie war aber seit Anfang
Mai auseinandergedriftet. Während Bayern etwa einen betont langsamen
Kurs bei Lockerungen gewählt hat, drücken andere Länder wie Thüring
en
mit deutlich weniger Fallzahlen sehr aufs Tempo. In Sachsen wurde
bereits über ein Ende der Maskenpflicht beim Einkaufen nachgedacht.

Vor dem Hintergrund der Debatten über weitere Lockerungen hatte
Merkel erst am Dienstag erneut eindringlich vor einem Rückschlag
gewarnt: «Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir die schon
schwierige Lage in der Wirtschaft nicht noch mal verschlechtern»,
warnte die Kanzlerin nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung der
Unionsfraktion im Bundestag.