Patienten halten sich wegen Corona von Ärzten und Kliniken fern

Klagten Ärzte- und Gesundheitsverbände vor der Pandemie über zu volle

Wartezimmer und Notaufnahmen, sind sie nun alarmiert vom Gegenteil.
Selbst Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Patienten lassen sich derzeit
nicht behandeln - aus Sorge um ihre Gesundheit.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Aus Angst vor Ansteckung mit dem
Coronavirus meiden derzeit viele Patienten den Besuch beim Arzt oder
schieben sogar nötige Eingriffe im Krankenhaus auf. In den ersten
drei Monaten des Jahres verzeichneten die niedergelassenen Ärzte in
Hessen Rückgänge bei den Fallzahlen bis zu 30 Prozent, teilte die
Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV) am Mittwoch in Frankfurt mit.
Das zweite Quartal zeige einen ähnlichen Trend. Das gelte auch für
die Krankenhäuser, erklärte die Hessische Krankenhausgesellschaft.

KV-Vorstandschef Frank Dastych sagte, selbst Menschen mit Schmerzen
oder ernsthaften Erkrankungen wie Herzinfarkten und Schlaganfällen
hielten sich derzeit fern. Doch die Arztpraxen seien sicher. Es gebe
genügend Schutzausrüstung, Abstandsregeln sowie Hygienestandards
gälten und die Wartezeiten würden kurz gehalten. Die wenigen
Covid-19-Patienten, die es derzeit gebe, würden in eigenen
Sprechstunden oder speziellen Schwerpunkt-Praxen behandelt.

Auch der Präsident der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Christian
Höftberger, berichtete von freien Betten und Ressourcen. Normal sei
eine Auslastung von etwa 85 Prozent in Hessen, derzeit liege sie bei
rund 60 Prozent. Die Lage sei aber anders als etwa in Teilen Italiens
im Griff gewesen. Das Risiko einer Ansteckung sei keinesfalls höher
als das einer aufgeschobenen Behandlung.

Eine Aufklärungskampagne unter der Überschrift «Sicher für Sie da -

Ihre Arztpraxen und Krankenhäuser in Hessen» soll nun gegensteuern -
unter anderem mittels großer Plakate. Es sei höchste Zeit, «mit allen

notwendigen Hygiene- und Abstandsgeboten die Regelversorgung wieder
aufzunehmen», erklärten die Verbände.

Das Corona-Virus sei noch da, sagte der hessische Gesundheits- und
Sozialminister Kai Klose (Grüne). Doch Ärzte und Krankenhäuser seien

gut vorbereitet. Es gebe keinen Grund, Termine zur Früherkennung etwa
von Krebserkrankungen nicht wahrzunehmen. Denn dies könne im
Ernstfall schlimme Folgen haben. Auch verschobene operative Eingriffe
könnten nun nachgeholt werden.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) in Hessen hatte bereits an die
Patienten appelliert, wichtige Vorsorgetermine und Impfungen
wahrzunehmen. «Die Sorge vor einer Infektion mit dem Covid-19-Erreger
ist nachvollziehbar. Aber gerade in den Arztpraxen sind die Abläufe
durch Hygienestandards so sicher gestaltet, dass Untersuchungen und
Impfungen problemlos durchgeführt werden können», erklärte dazu die

Leiterin der vdek-Landesvertretung, Claudia Ackermann.

Zugleich wird an Konzepten gearbeitet, wie sich etwa Besuche in den
Krankenhäusern - und Alten- und Pflegeheimen - auf Dauer regeln
lassen. Und ob und inwieweit dabei die neue Corona-Warn-App eine
Rolle spielen könnte. Es mache wenig Sinn, Krankenhausmitarbeiter und
Patienten zu testen - um dann das Virus über die Besucher
hereinzuholen, sagte Höftberger.

Auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet wird derzeit von verschiedenen
Einrichtungen, darunter Schwerpunkt- und Facharztpraxen sowie 15
Koordinierungscenter, die zuvor Testcenter hießen. Sie sollen bis
nach den Sommerferien aufrecht erhalten bleiben. Man müsse sich auf
eine größere Nachfrage im Herbst einrichten, sagte Klose. Wenn es
kälter werde, würden sich mehr Menschen testen lassen wollen -
allein, um abzuklären, ob sie an einer Erkältung oder Covid 19
erkrankt sind.