Hunderte Verfahren wegen Corona-Betrugs in Bayern Von Britta Schultejans, dpa

Kriminelle versuchen verstärkt, aus der Corona-Krise Profit zu
schlagen. Sie fälschen Anträge auf Soforthilfe oder geben sich als
Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus. Jetzt gibt es erste Zahlen -
und Fälle von bemerkenswerter Dreistigkeit.

München (dpa/lby) - Einer beantragt die Corona-Soforthilfe gleich
dutzendfach in mehreren Bundesländern - für Firmen, die es nicht
gibt, oder mit denen er nichts zu tun hat. Einer finanziert mit der
Soforthilfe einen fabrikneuen Lamborghini: Die Staatsanwaltschaften
in Bayern haben in Hunderten Fällen Ermittlungen wegen Corona-Betrugs
eingeleitet. Mindestens 771 Verfahren zählt Justizminister Georg
Eisenreich (CSU) am Mittwoch in München. Kriminelle hätten sich
«flexibel und wahnsinnig schnell» auf die Pandemie eingestellt.

Einen Schwerpunkt der Ermittlungen bildet seinen Angaben zufolge der
Betrug bei Anträgen auf Corona-Soforthilfen. Bei den
Staatsanwaltschaften im Freistaat laufen mindestens 163 Ermittlungs-
und Vorermittlungsverfahren dazu. «Bei Anträgen von weiteren 2,2
Millionen Euro besteht zudem der Verdacht auf falsche Angaben.» In
diesen Fällen sei das Geld aber nicht ausgezahlt worden.

Einen besonders dreisten Fall schilderte Hildegard Bäumler-Hösl von
der Staatsanwaltschaft München I. Die Behörde ermittelt gegen einen
Mann aus Nordrhein-Westfalen, der allein in München 23 Anträge auf
Corona-Soforthilfe beantragt hat. Insgesamt forderte er so - auch mit
Hilfe von Fake-Identitäten - rund eine Million Euro.

Die Stadt aber wurde stutzig, zahlte nicht und informierte die
Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA). Die entdeckten
bei ihren Ermittlungen, dass auf dem Konto des Mannes bereits
Soforthilfen aus NRW, Baden-Württemberg und Berlin in Höhe von
insgesamt rund 60 000 Euro eingegangen waren. Außerdem gibt es
Anhaltspunkte dafür, dass er in mindestens sechs weiteren
Bundesländern Anträge gestellt hat. Insgesamt summieren sich die
unberechtigten Forderungen auf einen zweistelligen Millionenbereich.
Allein in NRW soll der 13-fach vorbestrafte Mann, der unter
Vorspiegelung einer falschen Identität bei einer davon ahnungslosen
Frau lebte, 29 Anträge auf Corona-Soforthilfe gestellt haben, 25 000
Euro zahlten die Behörden aus. «Das ist der krasseste Fall, den wir
kennen - bisher», sagte Bäumler-Hösl.

In einem anderen Fall hatte ein Beschuldigter mit mutmaßlich falschen
Angaben 30 000 Euro Soforthilfe erschlichen - und 20 000 dafür gleich
für die Anzahlung auf einen fabrikneuen Lamborghini genutzt.

Zu den 163 Fällen von falschen Angaben bei den Anträgen auf die
Soforthilfen kommen bayernweit mindestens 608 Fälle von neuen
Corona-Betrugsmaschen hinzu, beispielsweise Erpresserschreiben, bei
denen die Kriminellen damit drohen, die ganze Familie mit dem
Coronavirus anzustecken. Daneben gibt es nach Angaben Eisenreichs
«Corona-Fake-Shops» im Internet, die gefälschte Medikamente oder
nicht existente Impfstoffe verkaufen. Auch von der Betrugsmasche
«falscher Polizist» gibt es inzwischen eine Corona-Variante. Dabei
geben sich Kriminelle als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes aus und
geben vor, Corona-Tests durchführen zu wollen, um in die Wohnung
ihrer Opfer zu kommen. Andere behaupten, ein Angehöriger sei mit dem
Corona-Virus infiziert und brauche dringend Geld.

Ob diese Fälle dazu führten, dass die Kriminalitätsrate insgesamt
steige, können man noch nicht sagen, sagte der Leiter der
Staatsanwaltschaft München I, Hans Kornprobst. Bei vielen anderen
Delikten - beispielsweise Ladendiebstahl oder Drogenhandel auf der
Straße - seien die Zahlen wegen des Lockdowns vermutlich rückläufig.

Im Übrigen seien wegen der Pandemie auch einige Straftäter ins Visier
der Justiz geraten, die ihr sonst womöglich verborgen geblieben
wären.

Denn bei der Kontrolle der Corona-Maßnahmen deckten Ermittler in
dutzenden Fällen eher zufällig Straftaten auf. «Wir haben eine nicht

unerhebliche Zahl an Straftaten, die durch Corona-Kontrollen entdeckt
wurden», sagte Kornprobst. Beispielsweise seien immer wieder Drogen
entdeckt worden, wenn Nachbarn die Polizei wegen einer verbotenen
Corona-Party gerufen hätten. «Allein 65 Verfahren sind auf solche
Kontrollen zurückzuführen.»