«Nicht die Gewinner der Krise» - Boom in der Paket-Branche bleibt aus Von Larissa Schwedes, dpa

Die Corona-Krise hat für einen Schub im Online-Handel gesorgt - und
die Zusteller der Pakete an die Belastungsgrenzen gebracht.
Gleichzeitig blieben aber auch viele Lieferungen aus.

Berlin (dpa) - Paketmengen auf «Vorweihnachtsniveau» und Zusteller
als Helden der Pandemie: Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise war die
Paket-Branche schnell im Gespräch, wenn es um vermeintliche Gewinner
der Krise ging - doch ganz so rosig sieht die Realität nicht aus.
«Wir sind nicht die Gewinner der Krise, aber wir haben bewiesen, dass
wir auch in der Krise stabil und verlässlich arbeiten», sagte der
Vorsitzende des Bundesverbands Paket & Express Logistik (Biek),
Marten Bosselmann, bei der Vorstellung einer aktuellen Studie am
Mittwoch in Berlin. Ein zentrales Ergebnis: Der Einbruch von
Geschäftssendungen, also dem B2B-Geschäft, hinterlässt spürbare
Einbußen in der eigentlich florierenden Branche.

Ab Mitte März schlossen die Geschäfte in Deutschland für mehrere
Wochen die Türen, die Menschen saßen zuhause. Wer einkaufen wollte,
tat das online. Doch trotz der hohen Nachfrage im Online-Handel
während der Corona-Krise erwartet die Paket-Branche keinen rasanten
Zuwachs der Sendungsmengen. Zu groß sind dafür die Rückgänge im
Business-Bereich. Viele Läden im Einzelhandel brauchten keine
Warenlieferungen mehr, Fabriken standen still, Produktionsketten
waren unterbrochen. Auch nach den ersten Lockerungen ist der
Normalzustand weit entfernt. So erwartet Biek bei den nationalen
Business-to-Business (B2B)-Paketsendungen einen coronabedingten
Rückgang von drei bis fünf Prozent. Das hat großen Einfluss auf die
Branche: 2019 machten die Business-Sendungen fast die Hälfte des
Gesamtvolumens aus, was 1,6 Milliarden transportierten Sendungen
entspricht.

Die Gesamtprognose sieht daher auch weniger rosig aus, als es die
überlasteten Zustellfahrzeuge im April und Mai erwarten ließen. So
rechnet der Verband, in dem sich die großen DHL-Wettbewerber wie
Hermes oder DPD vereinigen, für das Jahr 2020 maximal mit 1,5 Prozent
mehr Paket-, Express- und Kurier-Sendungen als im Jahr zuvor, in
einem pessimistischeren Szenario jedoch vielleicht sogar mit einem
Prozent weniger. 2019 hingegen verzeichnete sie einen Anstieg von 3,8
Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Blickt man weiter zurück, legte das
Wachstum in ähnlichem Maße zu: Seit 2000 stiegen die Sendungsmengen
dank des Online-Handels stetig an, im Schnitt pro Jahr um 4,1
Prozent.

Wachstumstreiber wird im Corona-Jahr 2020 in jedem Fall der
Privatkundenmarkt sein, der dank vielen privaten Bestellungen nach
Hause bei den nationalen Paketsendungen um 3,5 bis 7 Prozent wachsen
soll. Da der Trend bereits seit Jahren zum Online-Shopping geht,
könnte Corona hier ein zusätzlicher Beschleuniger sein.

Langfristig ist der Branchenverband, in dem sich die großen
Wettbewerber von DHL vereinigen, daher weiter optimistisch und sagt
einen Anstieg des Sendungsvolumens bis 2024 auf 4,48 Milliarden
voraus. 2019 waren es 3,65 Milliarden Sendungen. Darin sind Kurier-,
Express- und Paketsendungen zusammengefasst. Der Umsatz der Branche
lag im vergangenen Jahr bei 21,3 Milliarden Euro und damit nach
Angaben des Verbandes erstmalig über der Marke von 21 Milliarden
Euro. Er steigerte sich gegenüber dem Vorjahr um 4,4 Prozent.

Auch beim Branchenriesen DHL richtet man sich weiter darauf ein, dass
die Paketmengen auf hohem Niveau bleiben. In Ludwigsfelde in
Brandenburg wurde am Mittwoch ein Zentrum fertiggestellt, in dem ab
2022 mit einer speziellen Technik pro Stunde 50 000 Pakete sortiert
werden sollen. Nach Angaben des Paket-Dienstleisters ist es nach den
Zentren in Obertshausen in Hessen und Bochum in Nordrhein-Westfalen
bundesweit das dritte des Unternehmens mit einer solchen Kapazität.