Sachsen-Anhalt startet Online-Hilfe für Pädophile

Eine große Zahl von aufgedeckten Kindesmissbrauchsfällen haben
zuletzt bundesweit für Entsetzen gesorgt. Sachsen-Anhalt will nun
Menschen mit pädophilen Neigungen frühzeitige Hilfe anbieten, um
Kinder zu schützen. Das Land ist dabei Vorreiter.

Magdeburg (dpa/sa) - Für Jugendliche und Erwachsene mit pädophilen
Neigungen bietet Sachsen-Anhalt ab sofort kostenlose und anonyme
Hilfe über ein Fernbehandlungs-Projekt an. Als bundesweit erstes
Flächenland starte es dieses Angebot gemeinsam mit der
Charité-Universitätsmedizin Berlin, teilte Sozialministerin Petra
Grimm-Benne (SPD) am Mittwoch in Magdeburg mit. «Jede verhinderte Tat
schützt eine Kinderseele», sagte sie.

Jüngst waren zahlreiche Missbrauchsfälle vor allem in
Nordrhein-Westfalen bekannt geworden. Im vergangenen Jahr wurden den
Angaben zufolge bundesweit fast 15 000 Mädchen und Jungen Opfer
sexuellen Missbrauchs, in Sachsen-Anhalt 579. Es wird eine hohe
Dunkelziffer vermutet.

Ziel des Projekts sei es, sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern
in einem Stadium vorzubeugen, in dem noch nichts geschehen sei,
erklärte der Initiator des Projekts und Direktor des Instituts für
Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité, Klaus M. Beier. Ein
Prozent der männlichen Bevölkerung habe aktueller Forschung zufolge
pädophile Neigungen, fühlen sich also von kindlichen Körpern sexuell

angesprochen. Auch sei die Rückfallquote unter Menschen mit diesem
Krankheitsbild mit 80 Prozent sehr hoch. Die Zahl der
Missbrauchsabbildungen im Netz sei im Zeitraum von 2010 bis 2018
«explodiert» und habe sich verhundertfacht, sagte Beier.

«Hier müssen wir dringend im Vorfeld präventiv tätig werden, um
weitere Missbrauchstaten zu verhindern», sagte die Ministerin
Grimm-Benne. Deshalb entsteht jetzt gemeinsam mit der Charité ein
virtueller Standort des Präventionsnetzwerks «Kein Täter werden». D
ie
Betroffenen könnten online anonym und kostenlos eine
Videosprechstunde nutzen. 15 bis 20 Behandlungsfälle pro Jahr
erwarten die Initiatoren.

Von dem Online-Ansatz versprechen sie sich einiges: Durch die
Fernbehandlung könnte die Hemmschwelle für die Betroffenen niedriger
sein, so dass sie eher bereit sind, mitzumachen. Besonders
Jugendliche sollen dadurch angesprochen werden, sagte Grimm-Benne.
Gerade sie hätten oft Hemmungen, eine Praxis aufzusuchen. Außerdem
manifestiert sich die sexuelle Ausrichtung den Angaben zufolge in der
Pubertät. Dazu gehöre auch die pädophile Neigung.

Das Sozialministerium stellte für das Projekt in diesem Jahr rund 74
000 Euro zur Verfügung. Für ein mögliches zweites Modelljahr seien im

Landeshaushalt rund 100 000 Euro reserviert, hieß es. Die Ministerin
rechnet mit dem Erfolg des Modells: «Wir gehen davon aus, dass es ein
zweites Jahr geben wird.»