Ein Corona-Stadtspaziergang: NRW ist so locker wie lange nicht mehr Von Jonas-Erik Schmidt, dpa

Erst die Corona-Welle, dann die Lockerungswelle: In NRW ist
mittlerweile wieder vieles möglich, das vor einigen Wochen noch
undenkbar schien - von kleinen Festen bis Mannschaftssport. Wie
erleben das die Menschen? Ein Stadtspaziergang.

Köln (dpa/lnw) - Günter Missenich steht in der Kölner Altstadt und
drückt auf einem Akkordeon herum. Das Lied, das er anstimmt, ist -
nun ja - recht rustikal. «Täterä, der Puff ist pleite», trällert

Missenich, «und die Steuerfahndung lauert im Gebüsch!». Der Mann mit

der Quetschkommode nennt sich selbst «Kaschemmensänger», also
Kneipensänger, und hat nach eigenen Angaben «zu jedem Thema» ein
passendes Liedchen im Repertoire.

An diesem Montag scheint sein Vortrag besonders passend. Denn
Bordelle gehören zu den wenigen Wirtschaftszweigen in
Nordrhein-Westfalen, die aufgrund der Corona-Pandemie noch komplett
stillgelegt sind. Ansonsten wurde wieder viel gelockert. Ganz frisch:
Seit Montag dürfen wieder Bars öffnen, ebenso Saunabetriebe. Und
sogar das Feiern von Hochzeiten, besonderen Geburtstage und
Familienfesten mit bis zu 50 Gästen ist wieder möglich. Natürlich
alles unter Auflagen.

Das verändert auch das Bild der Innenstädte, die vor einigen Wochen
noch so ausgestorben waren, dass man sie den Wildtieren hätte
überlassen können. Und jetzt? In Cafés streuen Gäste wieder
genüsslich Salz auf ihr Frühstücksei, im stockenden Berufsverkehr
blöken sich Rad- und Autofahrer an. Die allermeisten Geschäfte haben
wieder geöffnet, aus Schildern am Eingang spricht Erleichterung:
«Nach mehreren Wochen auf der Couch, zu viel Netflix und
schweißtreibenden Spaziergängen zum Altglas-Container sind wir wieder
für euch da», berichtet ein Laden im angesagten Belgischen Viertel in
Köln: «Und darüber freuen wir uns riesig.»

Selbst Touristen gibt es wieder. Das ist auch der Grund, warum
Kneipensänger Missenich das Puff-Lied singt. Er macht Video-Aufnahmen
für eine Kölner Event-Firma, die unter anderem «Lachexpeditionen»
anbietet - eine Art Stadttour mit Comedy-Programm. Gelacht wurde
zuletzt aber sehr wenig, das Geschäft lag brach. Nun sollen in
wenigen Tagen die ersten Busse wieder losfahren. «Wir hoffen, dass
die Leute wieder Interesse zeigen», sagt Projektleiter Jan Happle.

Die schrittweise Rückkehr zur Vor-Corona-Zeit freut die Einen, lässt
Andere aber grübeln. Denn mitunter könnte man den Eindruck bekommen,
das Virus sei bereits besiegt. Vor allem an sonnigen und freien
Tagen. «Wir wollten am Samstag in unser Stammcafé im Belgischen
Viertel, aber keine Chance, da war alles besetzt», berichtet Anne.
«Die Leute hatten auch gar keine Masken mehr auf, auch wenn sie zur
Toilette gingen», sagt sie. «Das löst sich alles auf...»

Ähnliches berichten die Rentnerinnen Gerda und Helene, die gerade von
der Wassergymnastik kommen. In dem Schwimmbad fühle sie sich sicher,
sagt Helene: «Die halten sich sehr streng an die Bestimmungen.» Aber
Gerda war am Freitag in der Innenstadt unterwegs: «Das habe ich
bedauert», so die 79-Jährige: «Es war so voll! Ich habe
gedacht: Hoffentlich habe ich mir jetzt nichts geholt.»

Die Düsseldorfer Staatskanzlei hatte erklärt, die Lockerungen seien
wegen der positiven Entwicklung bei den Infektionszahlen möglich.
Seit den ersten Öffnungen am 20. April sei die Zahl der
Neuinfektionen in NRW um mehr als 75 Prozent zurückgegangen. Ganz
verschwunden ist die Angst vor dem Virus allerdings noch nicht. Das
weiß Ralf, 54 Jahre alt und wohnungslos, zu berichten. Er versucht
Tag für Tag auf der Straße 13 Euro einzusammeln, um ein Zimmer zu
zahlen, in dem er schlafen kann. «Was glauben Sie, wie schwierig das
ist in der heutigen Zeit?», sagt er. Zu viele Menschen wollten nur
noch bargeldlos bezahlen. «Jeder hat Angst vor jedem.»

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