Wie die Corona-Warn-App funktioniert und was sie leisten kann Von Christoph Dernbach, dpa

Über eine Corona-Warn-App wird seit Monaten diskutiert, wohl ab
Montag soll sie zum Herunterladen zur Verfügung stehen. Sie wirft
aber viele Fragen auf, weil in einigen Bereichen Neuland betreten
wird.

Berlin (dpa) - Für den Weg aus der Corona-Krise in die Normalität
hoffen viele Menschen auch auf die seit Monaten angekündigte
Corona-Warn-App. Sie soll dabei helfen, die Infektionsketten
frühzeitig zu erkennen und zu durchbrechen. Am Montagabend dürfte sie
in den Stores von Google und Apple zum Herunterladen bereitstehen, am
Dienstag wollen Politik und Entwicklerfirmen das Produkt vorstellen.

Was kann die App leisten?

Die App hilft nicht, eine Ansteckung zu verhindern. Sie kann aber
dazu beitragen, dass Menschen nachträglich darüber informiert werden,
wenn sie sich in der Nähe infizierter Personen aufgehalten haben.
Diese sind schon Tage vor dem Auftreten erster Symptome ansteckend.
Daher gilt: Je früher eine Person über ein Infektionsrisiko Bescheid
weiß, desto schneller kann sie selbst Schutzmaßnahmen ergreifen und
sich testen lassen oder sich in eine Quarantäne begeben, um andere
vor einer Ansteckung zu bewahren. Die App soll außerdem dazu
beitragen, dass Betroffene schneller ihr Testergebnis erhalten und
Kontaktpersonen benachrichtigen.

Wie funktioniert das?

Mit der App verwandelt sich ein Smartphone in einen kleinen
«Bluetooth-Leuchtturm», der im Abstand von zweieinhalb bis fünf
Minuten eine Serie von Identifikationsnummern in die nähere Umgebung
funkt. Gleichzeitig lauscht das Telefon, ob es Bluetooth-Signale von
anderen empfangen kann. Halten sich Nutzer, die beide die App laufen
haben, nebeneinander auf, tauschen die Smartphones ihre IDs aus.

Wie erfährt man, dass man sich in der Nähe eines Infizierten
aufgehalten hat?

Wer positiv auf Covid-19 getestet wurde, trägt diesen Status selbst
in die App ein. Um einen Missbrauch zu verhindern muss dieser Status
offiziell bestätigt werden. Das geschieht zum einen über einen
QR-Code, den man vom Testlabor erhält. Alternativ kann man auch eine
TAN eingeben, die man von einer Telefon-Hotline bekommt, da nicht
alle Labore in der Lage sind, QR-Codes zu generieren. Im
Infektionsfall erhalten die betroffenen Kontakte einen Hinweis, dass
sie sich testen lassen sollen.

Welche Daten verwendet der Algorithmus der App, um eine
Benachrichtigung auszulösen?

Die App wertet die Dauer des Kontakts aus und registriert dabei, wie
stark das Bluetooth-Signal war. Aus der Signalstärke lässt sich der
ungefähre Abstand berechnen. Bei der Alarmierung spielt aber auch der
Zeitpunkt des Kontaktes eine Rolle. Bei der Berechnung eines
Risikowertes wird nämlich auch die Tatsache berücksichtigt, dass
Infizierte unmittelbar vor dem Ausbruch der Krankheitssymptome
besonders ansteckend sind.

Gefährdet die App die Privatsphäre der Anwender?

Bei der Programmierung der App und der dazugehörigen Dienste wurde
ein mehrstufiges Konzept umgesetzt, um einen möglichst hohen
Datenschutz zu gewährleisten. Es werden nicht die Identitäten der
Anwender ausgetauscht, sondern anonymisierte IDs, die sich mehrfach
in der Stunde ändern. Die IDs der Kontaktpersonen werden nicht
zentral gespeichert, sondern dezentral auf den jeweiligen
Smartphones. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten
wird auf einem zentralen Server vorgehalten. Der Abgleich findet aber
ausschließlich auf den einzelnen Smartphones statt.

Wie unterscheidet sich die Corona-Warn-App von anderen
Corona-Programmen?

Nach den Vorgaben von Google und Apple kann es pro Land nur eine
offizielle Tracing-App geben, die mögliche infektiöse Kontakte
nachverfolgt. Das ist die Corona-Warn-App des Robert Koch-Instituts
(RKI), die von SAP und Telekom entwickelt wird. Es gibt parallel dazu
andere Anwendungen mit anderen Zielen: Die Datenspende-App des RKI
etwa sammelt Informationen von Fitness-Trackern ein, um zu sehen, ob
es in den Regionen Auffälligkeiten gibt. Andere Apps überwachen, wie
viele Menschen sich in einem bestimmten Bereich befinden, etwa an
einem Strandabschnitt an der Ostsee.

Wie unterscheidet sich die deutsche App von Anwendungen in anderen
Ländern?

Apps in asiatischen Ländern wie China, Singapur, Südkorea oder Indien
erfüllen nicht die deutschen Datenschutzanforderungen, weil sie
beispielsweise die Nutzer bloßstellen oder durch die Analyse der
GPS-Signale ein Bewegungsprofil erstellen können. Die App in
Frankreich ähnelt dem Ansatz in Deutschland, besteht aber auf einer
zentralen Speicherung der Kontaktdaten. Andere Länder wie die
Niederlande, die Schweiz oder Österreich folgen wie Deutschland dem
Datenschutz-Konzept von Apple und Google und können dadurch auch die
technischen Schnittstellen (APIs) der Tech-Konzerne nutzen.

Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?

Beim iPhone ist das aktuelle iOS 13.5 Mindestvoraussetzung. Das gibt
es für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE. Ein altes iPhone
5, 5S oder 6 reicht nicht aus. Bei Android-Handys ist die Lage etwas
unübersichtlicher. Hier ist Android 6 und die Unterstützung von
Bluetooth LE Mindestvoraussetzung. Zum anderen müssen aber auch die
Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen
nicht über Android selbst zu Verfügung stellt, sondern über diese
Google-Dienste. Android-Handys ohne Google Play Services bleiben
zunächst außen vor. Huawei hat allerdings angekündigt, dass die App
in absehbarer Zeit auch auf den neuesten Modellen ohne Google Play
Services laufen sollen, weil die Funktionalität nachgebaut wird.

Wird die Warn-App durch die Betriebssysteme von Google und Apple
automatisch aktiviert?

Nein, der Austausch der anonymisierten Kontakt-IDs via Bluetooth
findet nur dann statt, wenn man die Corona-Warn-App freiwillig
installiert und dem Datenaustausch aktiv zustimmt.

Besteht die Gefahr, dass die Corona-Warn-App nicht doch heimlich zur
Überwachung der Bevölkerung eingesetzt wird?

Nein, das ist quasi ausgeschlossen. Der Quell-Code der App kann auf
der Plattform GitHub transparent eingesehen werden. Bei etlichen
Analysen des Codes wurden keine Hintertüren oder andere Anomalien
entdeckt. Dies wurde auch von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs
bestätigt. Bei einem technischen Audit durch den TÜV-IT wurden
ebenfalls keine undokumentierten Funktionen entdeckt.

Gibt es für die Warn-App eine eigene gesetzliche Grundlage?

Nein, die Bundesregierung glaubt, dass die bestehenden
Datenschutzgesetze ausreichen und wird im Bundestag dabei von der FDP
unterstützt. Die Grünen und Linken fordern dagegen, dass der Einsatz
der App durch ein Gesetz geregelt wird. So müsse nicht nur die
Installation der App freiwillig sein. Es dürfe auch keine
Verpflichtung geben, ein Smartphone mit laufender App mit sich zu
führen und bei Restaurantbesuchen, beim Einkaufen oder
Veranstaltungen vorzuzeigen. Auch die AfD fordert, dass es keine
Diskriminierung von Nicht-Nutzern geben dürfe.

Wie viele Menschen müssen die App nutzen, damit der gewünschte Effekt
eintritt?

Eine Studie aus Oxford sagt, dass der volle Effekt erst dann erreicht
wird, wenn sich 60 Prozent der Bevölkerung oder mehr beteiligen. Die
Forscher aus Oxford sagen aber auch: «Selbst bei einem geringeren
Anteil gehen wir davon aus, dass die Zahl der Infektionen und
Todesfälle sinkt.» Die ideale Quote von 60 Prozent wird in
Deutschland vermutlich nicht zu erreichen sein. Selbst eine populäre
App wie WhatsApp hat Jahre gebraucht, um so hohe Installationszahlen
zu erreichen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt, die App müsse auch
beim «Musikhören auf dem Handy» noch laufen können - was ist da das

technische Problem?

«Musikhören auf dem Handy» steht stellvertretend für Anwendungen, d
ie
parallel zur Warn-App laufen. Das könnte auch Google Maps oder eine
andere App sein. Insbesondere beim iPhone bestand die
Herausforderung, dass Apple einem Programm bislang nicht gestattet
hat, ständig Bluetooth-Signale im Hintergrund zu senden und zu
empfangen. Mit der API für die Corona-Warn-App macht Apple nun dafür
eine gezielte Ausnahme. Und auch bei Google wird der Parallelbetrieb
der Apps nun optimiert. Die App-Entwickler mussten nun sicherstellen,
dass diese Schnittstellen optimal genutzt werden.

Wie kann verhindert werden, dass die App den Akku zu schnell entlädt?

Das wurde im Prinzip schon dadurch gelöst, dass man sich auf die
Verwendung von Bluetooth LE geeinigt hat. LE steht für Low Engergy
(geringen Strombedarf). Die Entwickler der App versprechen, dass die
Anwendung längst nicht so viel Strom verbraucht wie das Streamen von
Musik auf einen Bluetooth-Lautsprecher. Ob das Versprechen gehalten
werden kann, wird die Praxis zeigen. Die App selbst benötigt gar
nicht so viel Strom. Der Akku wird vor allem den den Anwendungen in
Anspruch genommen, die zusammen mit der Corona-Warn-App aus dem
Ruhezustand aufwachen, etwa Social-Media-Clients oder
E-Mail-Programme. Daher funkt die App auch nicht ständig die IDs,
sonder nur alle zweieinhalb bis fünf Minuten in einer Art Stoßfeuer.

Wie sicher kann die Warn-App gegen Fehlalarme sein?

Da die Bluetooth-Technik nicht für das Messen von Abständen
entwickelt wurde, wird es sicherlich auch Fehlalarme geben. Es kann
zum Beispiel sei, dass sich Infizierte hinter einer Glaswand befunden
haben und einen Alarm auslösen, obwohl durch den «Kontakt» keine
Infektionsgefahr ausging. Daher verweisen selbst die Entwickler
darauf, dass die App nur einen begrenzten Beitrag zur Normalisierung
liefern kann. Wer sich und andere vor einer Infektion schützen will,
sollte auch mit der App Abstand wahren und eine Maske tragen.

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