Italien mag die Deutschen wieder Von Annette Reuther und Michael Fischer, dpa
Vor gar nicht langer Zeit schienen in der Corona-Krise die
Beziehungen zwischen Italien und Deutschland auf dem Tiefpunkt. Nun
ist alles anders, denn es steht auch die Urlaubssaison bevor.
Italiens Außenminister besucht Berlin mit einem klaren Ziel.
Rom/Berlin (dpa) - Für Angela Merkel ist Italien ganz eindeutig das
Urlaubsland Nummer eins. Im Sommer reist die Kanzlerin normalerweise
zum Wandern nach Sulden in Südtirol. Ostern ist sie gern mit ihrem
Mann Joachim Sauer auf der Mittelmeerinsel Ischia unterwegs. Wegen
der Corona-Pandemie ändert die CDU-Politikerin die seit Jahren
bewährte Urlaubsroutine aber. Auf die Frage, wohin es denn in diesem
Sommer gehe, sagte sie am Donnerstagabend im ZDF nur knapp:
«Deutschland.»
Solange sich nicht zu viele Deutsche ein Beispiel an ihrer Kanzlerin
nehmen, wird man ihr das in Italien vielleicht verzeihen. Merkel
genießt dort inzwischen wieder Ansehen. Vor zwei Monaten sah das noch
ganz anders aus. Da waren die Deutschen im öffentlichen Diskurs die
Unsolidarischen, die Bestimmer, das hässliche Gesicht Europas. Um die
Beziehungen zwischen Deutschland und Italien war es auf dem Höhepunkt
der Corona-Krise schlecht bestellt. Vor allem die rechte Opposition
hetzte gegen Berlin und die EU.
Doch das Blatt hat sich gewendet. Merkel ist plötzlich die «Gute»,
und die Deutschen in Italien willkommen. Die Sommersaison steht bevor
und aus Deutschland kommt normalerweise ein sehr großer Teil der
Italien-Urlauber. Von Venedig bis Sizilien hofft man, dass das auch
im Jahr der großen Pandemie so sein wird. Auch Italiens Außenminister
Luigi Di Maio ist deswegen sehr daran gelegen, den Ärger über die
Deutschen vergessen zu machen.
Seine erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Krise führte ihn
deshalb am Freitag nach Berlin. Und nach seinem Treffen mit dem
deutschen Außenminister Heiko Maas tat er so, als wenn das
deutsch-italienische Verhältnis nie belastet gewesen sei. «Die
Unterstützung Deutschlands für unser Land hat in der gesamten Zeit
der Pandemie eigentlich nie gefehlt», sagte er. «Es hat hier
umfangreiche Bezeugungen der Unterstützung und der Solidarität
gegeben.»
Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise war man in Italien weniger gut auf
Berlin zu sprechen. Als Krankenhäuser in der Lombardei schon kurz vor
dem Kollaps standen, kam besonders schlecht an, dass Deutschland
einen Exportstopp für Material wie Atemschutzmasken und Schutzanzüge
und -brillen verhängt hatte. Und das kategorische Nein zur
Vergemeinschaftung von Schulden über sogenannte «Corona-Bonds» setzte
der Anti-Deutschland-Stimmung eines oben drauf. Dass die
Bundesregierung italienische Covid-Kranke nach Deutschland holte,
wurde in der Öffentlichkeit weniger stark wahrgenommen. Diplomaten
sprachen besorgt von Feindbildern wie zu Hochzeiten der Finanzkrise.
Das fruchtete auch beim Volk. Laut einer Umfrage sank Anfang Mai das
Vertrauen der Italiener in Deutschland auf 26 Prozent - im Januar
2019 lag der Wert noch bei 42 Prozent. Am Freitag hieß es in einer
anderen Umfrage, dass Anfang April fast 45 Prozent der Befragten
Deutschland in wirtschaftlicher Sicht als «Feind» Italiens ansehen.
Ende Mai waren es immer noch 42 Prozent.
Doch etwas hat sich geändert. «Merkel und das Wunder von einem
Deutschland, das auf einmal gut geworden ist», schrieb zuletzt die
Zeitung «Il Foglio». Den entscheidenden Wendepunkt brachte der
EU-Wiederaufbaufonds. Dafür will Deutschland erstmals eine massive
europäische Schuldenaufnahme über den EU-Haushalt akzeptieren. Merkel
hatte mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Programm
zur wirtschaftlichen Erholung im Umfang von 500 Milliarden Euro
vorgeschlagen, das vor allem Krisenstaaten wie Italien zugutekommen
soll. Seitdem scheinen die Wogen geglättet. Beide Länder sind
wirtschaftlich eng verbunden.
Mittlerweile hat Rom einen neuen Buhmann gefunden: Österreich will
seine Grenze zu Italien noch nicht öffnen. Deutsche Urlauber dürfen
auf dem Weg nach Italien und auch zurück in die Heimat zwar durch
Österreich fahren. Aber Italiener dürfen vorerst noch nicht in die
Alpenrepublik. Von «diskriminierenden Maßnahmen» sprach
Ministerpräsident Giuseppe Conte.
Für viele Tourismus-Treibenden ist politischer Streit jedoch nicht
entscheidend. Vielmehr wollen sie ein Bild von einem Italien
vermitteln, das nicht landauf, landab infiziert ist. «Hier am
Gardasee gab es nie einen Notstand», sagte zum Beispiel der Präsident
des Tourismuskonsortiums Lago di Garda Veneto, Paolo Artelio. «Und
die Deutschen wissen, dass sie hier wie Verwandte behandelt werden.»
Der Tourismus soll die beiden Länder also nun im Sommer wieder
richtig zusammenschweißen. Di Maio versicherte in Berlin, dass die
italienischen Strände sicher seien. Maas betonte, dass die noch
geltende weltweite Reisewarnung am 15. Juni auch für Italien
aufgehoben wird. Eine Empfehlung für das Urlaubsland Italien wollte
er allerdings nicht abgeben. «Wenn ich dies täte, würde das sehr viel
Ärger mit etwa 25 anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
geben.»
Allerdings will Maas mit einer Dienstreise ein Zeichen setzen. Schon
bald will er zu einem Gegenbesuch in Italien aufbrechen. Geplant ist
dann auch ein gemeinsamer Restaurantbesuch mit Di Maio in Rom. Die
italienische Tourismusbranche wird sich über die symbolische Geste
freuen.
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