Natalia Wörner: Häusliche Gewalt noch immer Tabuthema Von Julia Kilian, dpa
Die Schauspielerin Natalia Wörner ruft mit anderen Prominenten eine
Kampagne gegen häusliche Gewalt ins Leben. Sie findet: Gerade in
diesen Zeiten sei Aufmerksamkeit nötig - und ein Bewusstseinswandel,
wie ihn #MeToo an andere Stelle schon geschaffen habe.
Berlin (dpa) - Nach Meinung von Schauspielerin Natalia Wörner wird
über häusliche Gewalt zu oft geschwiegen. «Es ist leider immer noch
ein Tabuthema, jede dritte Frau ist von häuslicher Gewalt betroffen.
Und niemand redet mit einer Selbstverständlichkeit darüber», sagte
die 52-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Die Angst und
die Scham sind zu groß.»
Gemeinsam mit anderen hat sie die Kampagne #sicherheim ins Leben
gerufen. Mit Plakaten und einem TV-Spot soll mehr Aufmerksamkeit für
Probleme zu Hause geschaffen werden. Außerdem sollen Spenden
gesammelt und an Hilfseinrichtungen verteilt werden.
Sie hätten prominente Botschafter gewinnen können, etwa Schauspieler
Jan Josef Liefers, Sportlerin Kristina Vogel und Designer Guido Maria
Kretschmer. Sie sollen Bundesländern zugeordnet werden. Zu den
Initiatoren gehören unter anderem die Produktionsfirma Ufa und die
Bertelsmann Content Alliance.
«Wir wollen ganz konkret herausfinden: Wie ist die Situation in den
Bundesländern vor Ort? Woran fehlt es - sind es Plätze, Personal,
Ausstattung?», sagte Wörner. «Es gibt Bundesländer, das muss man si
ch
mal vorstellen, die haben noch kein einziges rollstuhlgerechtes
Frauenhaus.»
Das Thema liege ihr schon länger am Herzen. Die Idee zur Initiative
habe dann mit den ersten Artikeln über häusliche Gewalt aus Italien
und Frankreich während der Corona-Krise begonnen. «Häusliche Gewalt
ist ein Thema, das auch schon vor Corona unterernährt war und jetzt
einfach - meiner Meinung nach - eine ganz andere Form der
Aufmerksamkeit braucht», sagte Wörner, die in der Krimireihe «Die
Diplomatin» mitspielt und mit Außenminister Heiko Maas liiert ist.
Wegen der Coronavirus-Pandemie waren die Menschen aufgefordert, mehr
daheim zu bleiben. Viele Einrichtungen hatten geschlossen. Es sei in
der aktuellen Situation schwierig, zuverlässige Zahlen zu häuslicher
Gewalt zu bekommen, teilte ein Sprecher des
Bundesfamilienministeriums auf Anfrage mit.
Bisher hätten die Polizeien keine Zunahme von Anzeigen gemeldet. Die
Beratungsanfragen beim Hilfetelefon «Gewalt gegen Frauen» seien vor
einigen Wochen stärker angestiegen. «Mittlerweile liegen sie konstant
auf einem leicht erhöhten Niveau», erklärte der Sprecher. Diese
Zahlen seien nur begrenzt als Indikator geeignet, da sie nur
aussagen, wie viele Menschen beim Hilfetelefon Kontakt suchten.
«Wenn die Menschen wieder zur Arbeit und Kinder in die Schule oder
Kita gehen, ist nicht auszuschließen, dass dann vermehrt Frauen Hilfe
suchen, die bisher dazu keine Gelegenheit hatten», erklärte der
Sprecher. Die Internetseite www.sicherheim.org soll auch auf Aktionen
des Familienministeriums verweisen.
Wörner hat nach eigenen Angaben selbst keine Erfahrungen mit
häuslicher Gewalt gemacht, auch nicht in ihrem Umfeld. «Und das ist
genau der Punkt», sagte sie. Wenn sie sich überlege, dass jede dritte
Frau eine Form von Gewalt erfahren habe - etwa physisch, psychisch,
emotional, digital oder ökonomisch -, und «wie wenig wir von diesen
Zuständen mitbekommen, dann ist das einfach nur schockierend».
«Wir müssen eine Sprache finden und damit nötigen Raum geben, um all
den Frauen Mut zu machen, die dringend Hilfe benötigen», sagte
Wörner. Sie forderte dazu auf, auch mehr auf den Graubereich zu
achten. Häusliche Gewalt fange oft verbal an. «Wenn man die Erfahrung
von Frauen, die eine subtilere Art von Gewalt erleben, abwertet und
vergleicht und ihnen das Gefühl gibt: «Deine Geschichte ist nicht so
schlimm» - dann ist das nicht hilfreich.»
Gerade in den eigenen Familien werde Gewalt vertuscht, weggeschoben,
ignoriert und auch sanktioniert. «Wir leben nach wie vor in einer
Gesellschaft, in der bei den Frauen nach der Schuld gesucht wird.» Es
sei wichtig, Lebensgeschichten zu erzählen aus allen sozialen
Schichten, Kulturen und religiösen Bezügen. «Von Frauen, die sich
gegen die Schwere der Schuld wehren.» Täter müssten ebenfalls Hilfe
bekommen.
Wörner hofft auf einen ähnlichen Bewusstseinswandel wie bei der
#MeToo-Bewegung, die sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch zum
Thema gemacht hatte. «Übergrifflichkeiten, Anzüglichkeiten, Blicke,
Herabwürdigungen. Das wurde lange toleriert. Und ich würde sagen,
diese Zeiten sind vorbei», sagte Wörner. «Die Kultur des Schweigens
ist aufgebrochen. Und unser Ziel ist es, dass diese
Bewusstseinsveränderung auch bei häuslicher Gewalt stattfindet.»
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.