Bund und Länder einig: Flughafen Tegel darf im Juni schließen Von Burkhard Fraune, dpa

Berlin und Flughafen - das ist ein kein einfaches Thema. Oft geht es
dabei um Mangel und Knappheit. Aber jetzt hat die Bundeshauptstadt
mehr Flughäfen als sie gebrauchen kann. Sie zieht nun Konsequenzen.

Berlin (dpa) - Kein Auto auf der Auffahrt, leere Parkplätze am
Terminal, hochgestellte Stühle vor dem Imbiss: Am Berliner Flughafen
Tegel kann man schon heute die Zukunft besichtigen. Denn wenn der
neue Hauptstadtflughafen BER im Herbst in Betrieb geht, nach einem
quälend langen Baufiasko, dann geht Tegel außer Dienst. Das ist lange
beschlossen. Die Corona-Krise aber hat Tegel schon jetzt zum
Geister-Airport gemacht. Und so könnte sich die Hauptstadt schon zum
15. Juni von ihrem wichtigsten Flughafen verabschieden. Darauf haben
sich Berlin, Brandenburg und der Bund am Mittwoch geeinigt.

«Möglichst guter Flugbetrieb unter Corana-Bedingungen - das ist
unsere Aufgabe», hob Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup am
Mittwoch hervor. Um aber in Tegel Kosten zu sparen, will er alle
Flugzeuge in Schönefeld starten und landen lassen.

Gerade mal 2000 Fluggäste gab es zuletzt an den beiden Berliner
Flughäfen, normal ist das Fünfzigfache. Und wenn sich das in den
nächsten Wochen nicht komplett ändert, geht Tegel in weniger als vier
Wochen außer Betrieb - zwölf Jahre nach der Schließung des citynahen

Airports Tempelhof.

Beantragt ist bei der Luftfahrtbehörde zunächst eine vorübergehende
Schließung, für zwei Monate. Nach ähnlichem Muster hatte Paris am 1.

April seine Flughafen Orly geschlossen und die Flüge zum Flughafen
Charles de Gaulle verlegt.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass Tegel im August noch einmal für
zwei, drei Monate aufmacht. Am 31. Oktober soll ohnehin der neue
Hauptstadtflughafen BER eröffnet werden - und dieses Mal könnte das
wirklich klappen. Nach jahrelangem Bauchaos hat die Bauaufsicht das
Terminal vor Kurzem freigegeben. Der Probetrieb hat begonnen.

«Wenn ich 50 000 Gäste habe, geht Tegel direkt wieder ans Netz»,
hatte Lütke Daldrup kürzlich erklärt. «Ich bin aber ehrlich gesagt

nicht sehr optimistisch, dass wir in wenigen Monaten wieder 50 000
Gäste haben.»

Die Fluggesellschaften dürften ohnehin wenig Freude daran haben, für
ein paar Wochen noch zwei Mal umzuziehen. «In der aktuellen Krise,
die uns ohnehin enorm fordert, ist das eine weitere Belastung»,
kommentierte die Lufthansa den kurzfristigen Standortwechsel.

Mit mehr als 24 Millionen Fluggästen im vergangenen Jahr ist Tegel
unter den deutschen Standorten die Nummer vier nach Frankfurt,
München und Düsseldorf. Schönefeld an der südöstlichen Stadtgrenz
e in
Brandenburg ist kleiner, dort waren es gut elf Millionen Passagiere.

Auf dem früheren West-Berliner Alliiertenflugplatz Tegel gibt es seit
1964 zivilen Luftverkehr. Zehn Jahre später ging das sechseckige
heutige Hauptterminal in Betrieb. Es ist seit März geschlossen.

Mit dem Ende Tegels werden mehrere hunderttausend Berliner von
Fluglärm entlastet. Wegen seiner Nähe zur Innenstadt und der kurzen
Wege in den Terminals hat der Flughafen aber auch viele Freunde. Bei
einem Volksentscheid 2017 stimmte eine Mehrheit dafür, den Flughafen
parallel zum BER weiterzubetreiben. Das Votum hat aber keine
Gesetzeskraft.

Immer wieder klagten aber auch Passagiere über Service-Probleme. So
ist der Flughafen für Umsteigeverkehr nicht geeignet, Gepäck wird per
Hand umgeladen. Der Flughafen arbeitete seit Jahren an der
Belastungsgrenze. Der damalige Flughafenchef Hartmut Mehdorn sprach
schon vor einigen Jahren von einem «abgenagten Möhrchen». Mit der
abgeschriebenen Anlage verdienten die Betreiber aber auch gutes Geld.

Ende März hatte der Bund noch durchgesetzt, dass Tegel offen bleibt.
Die Infrastruktur sollte gerade wegen der Corona-Krise flexibel
verfügbar bleiben, hieß es. Bedenken hatte der Bund auch, weil das
neue Regierungsterminal in Schönefeld noch nicht betriebsbereit war.
In den vergangenen Tagen hatte sich aber ein Kompromiss angedeutet.

Das Gebäude wird im Eiltempo fertig eingerichtet. Dann kann der Bund
noch nach Schönefeld umziehen, bevor Deutschland im Juli
EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Regierungssprecher Steffen Seibert
sagte, für die Bundesregierung bleibe entscheidend, dass die
Erreichbarkeit Berlins uneingeschränkt gewährleistet sei.