Liveschalte ins Wohnzimmer: Digitale Schützenfeste in der Pandemie Von Florentine Dame, dpa

Für so manches Dorf in Nordrhein-Westfalen zählt das Schützenfest im

Sommer zu den Jahreshöhepunkten. Das Coronavirus stoppt nun die
Feierlaune. Doch so mancher Verein sucht nun nach digitalen Wegen.
Wie kann Brauchtum im Netz funktionieren?

Wesel/Delbrück (dpa/lnw) - Auch in diesem Jahr floss er reichlich,
der Kräuterschnaps zum Schützenfest in Wesel-Bislich. Nur eben nicht
in großer Runde von Hofstaat, Schützenbrüdern und hunderten Gästen,

sondern privat allein - und nur virtuell gemeinsam. Denn das
Coronavirus hat das große Fest im 2800-Seelen-Ort in diesem Jahr
gestoppt - wie ungezählte andere kleinere und größere Schützenfeste

in den kommenden Monaten auch.  

Um den Bislichern am 1. Mai-Wochenende bestmöglichen Ersatz zu
bieten, bastelten einzelne Schützenbrüder kurze Videoclips und luden
sie während des Festwochenendes bei Facebook hoch - von der launigen
Anleitung zum «Schützenfest for One» zum Fahnenschwenken mit
Mundschutz - fertig war das digitale Dorffest. Im Schnitt wurde jedes
Video 4000 Mal angeschaut. «Das ist enorm gut angekommen. Mit soviel
Resonanz weit über Bislich hinaus hätten wir nie gerechnet», sagt
Schützensprecher Tobias Engels.

Digitale Initiativen der Schützen werde es in den kommenden Wochen
und Monaten auf vielfältige Art geben, ist der Kulturwissenschaftler
Jonas Leineweber überzeugt. An der Universität Paderborn untersucht
er das Schützenwesen im Rahmen des Forschungsprojektes «Tradition im
Wandel».

Millionen Menschen kämen jährlich auf den Schützenfesten zusammen,
sagt er. In NRW werden sie in nahezu allen Regionen und Ortschaften
gefeiert. Die Absage stelle die Vereine vor eine große
Herausforderung: «Sie können das, was für ihre kulturelle Praxis
wesentlich ist, derzeit nicht wie gewohnt ausüben und
leben: Gemeinschaft und Geselligkeit». Kein Wunder also, dass sie
nach kreativen und digitalen Möglichkeiten Ausschau hielten, ihr
Brauchtum und das vielerorts damit einhergehende soziale Engagement
in digitaler Form aufrecht zu erhalten. Der Nebeneffekt: Die
Ausnahmesituation treibe notwendige Digitalisierung und
Modernisierungsprozesse im Schützenwesen voran.

Technisch und fachlich helfen wollen dabei die Macher des
Webauftritts «Schützenfestdaheim.de». Verbundenheit schaffen und
stärken trotz Corona-Beschränkungen - so die Idee aus der
ostwestfälischen Schützenfesthochburg Delbrück. «Jedes Dorf fiebert

hier das ganze Jahr auf dieses Ereignis hin», sagt Mitinitiator Frank
Berkemeier. «Das ist viel mehr als nur Bier und Party.» Er und seine
Mitstreiter wissen, wovon sie sprechen: Sie sind selbst
Schützenbrüder und wären als Musiker verschiedener Stimmungsbands
auch in diesem Sommer wieder durch die Schützenhallen und Festzelte
des Landes getourt.

Ganz verschiedene Traditionen prägen das jeweilige Festwochenende,
weiß Berkemeier. Vielfach gehörten Gottesdienste dazu, ein
Kinderprogramm, Rituale rund um Hofstaat, Vogelschießen, Blaskapelle.
«Da werden die Straßen rausgeputzt, Fahnen werden vor dem Haus
gehisst, das Schützenfest bringt Nachbarn zusammen». Das soll dieses
Jahr auch gelingen - mit Liveschaltungen in die Wohnzimmer und Gärten
der Vereinsmitglieder, mit Mitmachformaten und virtuellen
Begegnungsmöglichkeiten.

«Hier ist auch die Kreativität der Vereine und Beteiligten vor Ort
gefragt. Jedes Schützenfest hat seine Besonderheiten», sagt
Berkemeier. Der Grundidee nach sollen die Vereine aus einem mobilen
Studio heraus ein Schützenfest-Alternativ-Programm in die Welt
streamen können. Das fünfköpfige Team könne dabei auf Know-how
zurückgreifen, dass es bei der Umsetzung vergleichbarer Projekte,
etwa digitaler Konferenzen oder gestreamter Gottesdienste in der
Krise bereits sammeln konnte.

Das schaffe dann auch Möglichkeiten für ortsansässige Unternehmen,
sich wieder einzubringen: Als Sponsor etwa, der hier Werbeflächen
finde oder als Dienstleister, dessen Einnahmen im Zuge der Krise
weggebrochen sind: «Warum nicht ein Biertaxi auf den Weg bringen, mit
dem man sich gegenseitig einen ausgeben kann?», schlägt Berkemeier
vor. Auch wenn das traditionelle Vogelschießen, bei dem der König
fürs nächste Jahr ermittelt wird, auf das nächste Jahr vertagt sei:
«Auch beim digitalen Schützenfest wird es eine Challenge geben, das
gehört dazu», sagt Berkemeier.

Erste interessierte Vereine gibt es bereits, wie den Schützen- und
Heimatverein Greffen. Das zu Harsewinkel im Kreis Gütersloh gehörende
Dorf wollte an Pfingsten sein 175-jähriges Jubiläum groß feiern.
Corona stoppte die Pläne. Umso wichtiger sei es, ein Trostprogramm
auf die Beine zu stellen, findet der dortige Schützenpräsident André

Lanwehr. «Die Leute würden im Garten ihr Schützenfest sowieso feiern.

Da haben wir uns gedacht, das können wir auch digital begleiten»,
sagt er. «Ein Ersatz für ein richtiges Schützenfest kann das niemals

sein», räumt er ein. Aber etwas sei in Bewegung: Die Vereine aus dem
Ort sollen mit ins Boot, Spielchen werden geplant, «wir werden uns
einige Dönnekes überlegen. Ich freu mich darauf.»

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