Wahlkampf trotz Virus-Krise - Trumps Irrlichtern in Zeiten von Corona Von Jürgen Bätz, dpa

Trump will in der Corona-Krise den Ton angeben. Dabei fällt er immer
wieder mit pseudo-medizinischen Empfehlungen auf. Jüngst bracht er
sogar eine lebensgefährliche Virus-Therapie ins Spiel. Die Pandemie
breitet sich rasant aus, doch Trump ist stolz auf seine Leistung.

Washington (dpa) - In einer Krise erwarten die allermeisten
Amerikaner von ihrem Präsidenten Führungsstärke und wohl überlegte

Handlungsempfehlungen. Sein Wort hat im Krisenfall besonderes Gewicht
- selbst für Menschen, die das Staatsoberhaupt nicht gewählt haben
und seine Politik ablehnen. Doch US-Präsident Donald Trump leugnete
die vom Coronavirus ausgehende Gefahr zunächst wochenlang - entgegen
den Ratschlägen seiner Fachleute. Als er die Pandemie dann nicht mehr
ignorieren konnte, tat er sich mit pseudo-medizinischen Ratschlägen
hervor - manche davon fragwürdig, andere möglicherweise
lebensgefährlich.

KEINE PANIK, WIR HABEN DAS IM GRIFF

Trump will im November wiedergewählt werden. Seinen Wählern versprach
er im Januar und Februar Wachstum, Jobs und Rekordkurse an der Börse.
Auch nachdem die ersten Fälle bestätigt waren, wollte er von einer
Krise nichts wissen: Die Zahl der Infektionen werde «in ein paar
Tagen bei Null sein» sagte er bei einer Pressekonferenz. «Das Risiko
für die Menschen in Amerika bleibt sehr gering», sagte er - trotz
einer eindringlichen Warnung der Gesundheitsbehörde CDC. Anstatt
Vorbereitungen zu treffen, setzte Trump auf Entwarnung.

Inzwischen gibt es in den USA, einem Land mit rund 330 Millionen
Einwohnern, mehr als 1,1 Millionen bekannte Infektionen - das
entspricht etwa jeder dritten Ansteckung weltweit. Mehr als 65 000
Menschen sind infolge einer Infektion gestorben - eine Zahl, die
Trump noch Mitte April als Obergrenze ausgegeben hatte. Inzwischen
spricht er von bis zu 100 000 Toten - und rühmt sich, seine Regierung
habe Schlimmeres verhindert.

Kritiker argumentieren anders. Die frühere Gouverneurin des
US-Staates Kansas, die Demokratin Kathleen Sebelius, etwa beklagte:
«Wir haben zwei Monate damit verschwendet, es zu leugnen.» Nun werde
weitere Zeit verschwendet, und die Gouverneure würden mit vielen
Problemen alleine gelassen.

DAS IST NUR WIE EINE GRIPPE

Liebe Amerikaner, fürchtet Euch nicht, sondern geht eurem normalen
Leben nach, damit die Wirtschaft weiter floriert - das schien noch
bis Anfang März Trumps Botschaft zu sein. «Das ist ein bisschen wie
die normale Grippe, für die wir Grippe-Impfungen haben», sagte Trump.
Auch dafür werde es bald eine Impfung geben. Obwohl die US-Regierung
Einreisen aus China, dem Ursprungsland der Pandemie, bereits
weitgehend verboten hatte, redete Trump die Bedrohung weiter klein.
Auch infolge der Grippe stürben jedes Jahr Tausende, aber das Leben
der meisten Amerikaner sei davon nicht berührt, sagte er.

Warnungen von Experten, dass der neue Erreger Sars-CoV-2 wesentlich
gefährlicher scheint als die normale Grippe und es dagegen vor
nächstem Jahr keine Impfung geben kann, verhallten ungehört. Die hohe
Opferzahl spricht inzwischen für sich. Einer Studie zufolge sind zum
Beispiel von Februar bis Mitte April in New York etwa 21 Mal mehr
Menschen infolge der vom Virus verursachten Lungenkrankheit Covid-19
gestorben, als sonst im gleichen Zeitraum an der Grippe sterben
würden. Als dort zur Aufbewahrung der vielen Leichen Gefrier-Laster
eingesetzt und Massengräber ausgehoben wurden, sprach Trump auch
nicht mehr von der Grippe, sondern von einer «schrecklichen Pest».

DAS PROBLEM WIRD SICH IN LUFT AUFLÖSEN

Das Virus werde einfach wieder «wie ein Wunder» verschwinden, sagte
Trump zu Beginn der Krise. Sobald das Wetter wärmer und feuchter
werde, werde sich der Erreger genauso wie die saisonale Grippe
einfach in Luft auflösen, behauptete er seither immer wieder.
Experten zufolge gibt es jedoch bislang keine Belege dafür, dass sich
das Coronavirus in dieser Hinsicht wie die Grippe verhält. Zudem hat
sich das Virus inzwischen auch bereits an Orten mit wärmerem und
feuchterem Klima wie zum Beispiel Brasilien oder Singapur verbreitet.

MALARIA-MEDIKAMENT ALS WUNDERMITTEL?

Im März warb Trump fast täglich für ein Malaria-Medikament zur
Behandlung von Covid-19-Patienten. Hydroxychloroquin sei ein
«Geschenk Gottes», schwärmte er. Warnungen seiner Experten, dass die

Wirksamkeit des Medikaments nicht in Studien nachgewiesen sei und
dass die Verwendung eines bereits zugelassenen Medikaments für einen
anderen Zweck immer Gefahren berge, schlug er in den Wind. «Was haben
sie zu verlieren?» fragte er wiederholt. In Kombination mit dem
Antibiotikum Azithromycin könne das Medikament «einer der größten
Durchbrüche der Geschichte der Medizin sein», so Trump. «Und wenn es

nicht läuft wie geplant, wird es niemanden umbringen», behauptete er.

Trotz der Warnungen von Experten stieg die Zahl der Verschreibungen
des Medikaments in den USA daraufhin um das 46-fache an, wie eine
Analyse der «New York Times» zeigte. Suchanfragen bei Google nach
Kaufmöglichkeiten gingen einer Studie zufolge durch die Decke. Ende
April warnte die US-Lebensmittel- und Arzneibehörde (FDA) vor dem
angeblichen Wundermittel: Es gebe keine Beweise einer Wirksamkeit
gegen Covid-19, die Medikamente erhöhten aber das Risiko
lebensgefährlicher Herzrhythmus-Störungen. Zuvor hatte eine Studie
bei Einnahme der Medikamente eine höhere Sterblichkeit festgestellt.

ANTIBIOTIKA GEGEN DAS VIRUS?

Trump legte Anfang April nahe, dass Forscher bessere Antibiotika
entwickeln müssten, um das Virus zu stoppen. «Der Erreger ist so
genial geworden, dass die Antibiotika nicht mehr hinterherkommen»,
sagte Trump. Das sei jetzt eines «der größten Probleme auf der Welt
»,
sagte er. Antibiotika wirken allerdings nur gegen Bakterien, nicht
gegen Viren. Der von Trump vermittelte Eindruck, dass Antibiotika
gegen das Coronavirus wirken könnten, ist daher Unsinn. Wenn
Covid-Patienten Antibiotika bekommen, geht es darum, gleichzeitig
auftretende bakterielle Infektionen zu verhindern oder zu behandeln.

MASKEN FÜR ALLE GEGEN DAS VIRUS - ABER NICHT FÜR MICH

Auf Druck der Gesundheitsbehörden rät die US-Regierung seit Anfang
April zum Tragen von Alltagsmasken über Mund und Nase. Trump stellte
die Empfehlung auf seiner damals täglichen Corona-Pressekonferenz vor
- und untergrub die Botschaft sofort. «Das ist freiwillig», sagte er.
«Ich habe mich entschieden, es nicht zu tun.» Auch sein Vize Mike
Pence trug unlängst beim Besuch einer Klinik keine Maske - obwohl
dies vorgeschrieben war.

«Sich zu weigern, eine Maske zu tragen, ist gefährlich und
respektlos», erklärte daraufhin Craig Spencer, ein leitender
Mediziner der Columbia-Universität in New York, über Twitter. Spencer
forderte bessere Führung in der Corona-Krise: «Wir schneiden schlecht
ab, wenn Politiker als Gesundheitsexperten fungieren.»

BLEICH- ODER DESINFEKTIONSMITTEL ALS LÖSUNG?

Ende April führte ein pseudo-medizinisches Gedankenspiel Trumps
schließlich zu einem Aufschrei im ganzen Land: Der Präsident
spekulierte, ob nicht das direkte Spritzen von Bleich- oder
Desinfektionsmittel in den Körper eine gute Coronavirus-Therapie sein
könnte. Das zu prüfen, sei Ärzten überlassen, schränkte er ein.
«Aber
es klingt für mich interessant», sagte er im Weißen Haus.

Experten waren entsetzt, weil eine Injektion oder das Schlucken von
Bleich- und Desinfektionsmitteln lebensgefährlich sein kann. Im
ganzen Land veröffentlichten Gesundheitsbehörden Warnmitteilungen.
Giftzentralen meldeten eine Zunahme von Notrufen im Zusammenhang mit
Reinigungsmitteln. Auch die Hersteller der Mittel sprachen drastische
Warnungen aus. Angesichts der Empörung behauptete Trump einen Tag
danach, seine Vorschlägen seien «Sarkasmus» gewesen.

WIRD ES IM HERBST EINE ZWEITE WELLE INFEKTIONEN GEBEN?

Auf Fragen nach einer zweiten Welle des Virus im Herbst oder Winter
reagiert Trump allergisch. Der Erreger werde bald «ausgerottet sein»,
sagte Trump etwa am Mittwoch. Falls es doch wieder einzelne
Infektionen («Glutherde») geben sollte, würden diese rasch unter
Kontrolle gebracht werden. Sein medizinischer Berater, der Immunologe
Anthony Fauci, warnte allerdings: «Wir werden im Herbst Coronavirus
haben, davon bin ich überzeugt.» Wegen der leichten Übertragbarkeit
und der globalen Natur des Virus sei dies «unausweichlich», sagte
Fauci. Ohne Impfung könne es kein zurück zur Normalität geben.

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