Sachsen-Anhalt lockert Kontaktsperren und viele andere Corona-Regeln
Wer soll beim Spaziergang die Begleitung sein? Bisher war genau ein
Mensch erlaubt, der nicht mit im Haushalt lebt. Jetzt erhöht
Sachsen-Anhalt als erstes Bundesland auf fünf. Zudem gibt es viele
weitere Lockerungen. Kritik kommt aus anderen Ländern.
Magdeburg/Halle (dpa/sa) - Sachsen-Anhalt geht bei den Lockerungen
der strengen Corona-Beschränkungen bundesweit voran. Die
schwarz-rot-grüne Landesregierung beschloss am Samstag ein ganzes
Bündel an Erleichterungen. Zentrale Änderung: Das Land weicht die
Kontaktbeschränkungen deutlich auf. Statt wie bisher mit maximal
einem Menschen abseits des eigenen Haushalts dürfen die
Sachsen-Anhalter von Montag an sogar zu fünft zusammensein. Das
erlaubt zahlreiche Lockerungen, etwa beim Vereinssport, aber auch bei
Bildungsangeboten. Gastronomen können nach jetzigem Plan eine
Wiedereröffnung für den 22. Mai vorbereiten.
Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) begründet die Lockerungen damit,
dass Sachsen-Anhalt vergleichsweise wenige Nachweise mit dem
neuartigen Coronavirus hat. Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern hat
es die wenigsten Fälle. Bis Sonntagmittag waren 1579 Infektionen
registriert und damit zwei mehr als noch am Samstag. Zuletzt kamen
von Tag zu Tag mehrfach weniger als 20 neue dazu.
Das Land erntet für sein Vorgehen auch Kritik. «Sachsen-Anhalt hat
jetzt etwas losgetreten, was wir hoffentlich wieder einfangen», sagte
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Sonntag in
einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Das Virus mache nicht an
Landesgrenzen halt. «Sachsen-Anhalt würde auch den anderen Kollegen
nichts Gutes tun, wenn die Lockerungen dort zu einer großen
Infektionswelle führen», kritisierte er. In einer Videokonferenz mit
dem Kanzleramt am Donnerstag sei noch kein Wort über die Lockerungen
in Sachsen-Anhalt gesagt worden. Der rheinland-pfälzische
Innenminister Roger Lewentz bezeichnete Sachsen-Anhalts Vorgehen als
«ein bisschen befremdlich».
Ministerpräsident Hasleoff mahnte die Sachsen-Anhalter, sich an die
Regeln zu halten: «Die Pandemie ist nicht überwunden. Daher bitte ich
alle Menschen in unserem Land: Halten Sie sich weiter an bestehende
Auflagen.» Die Änderungen sind in einer 22-seitigen Verordnung
festgehalten. Sie tritt am 4. Mai in Kraft und gilt bis 27. Mai. Was
ist geplant?
KONTAKTVERBOTE: Wie angekündigt lockern die Nachbarländer Sachsen und
Sachsen-Anhalt die Kontaktsperren. In Sachsen-Anhalt können sich von
Montag an Gruppen von bis zu fünf Menschen - bei Einhaltung des
Mindestabstands von 1,5 Metern - treffen, auch wenn sie nicht unter
einem Dach wohnen oder direkt miteinander verwandt sind. So sei es
möglich, dass Großeltern wieder ihre Enkelkinder treffen könnten,
sagte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD).
Fünf heiße aber eben auch genau fünf. Eine fünfköpfige oder grö
ßere
Familie könne keinen weiteren Besuch einladen. «Mehrere Hausstände
dürfen nicht zusammen, sonst wird es eine Fete», ergänzte Haseloff.
Seit dem 23. März hatten die weitgehenden Kontaktsperren gegolten.
Feiern und Grillen an öffentlichen Plätzen bleibt verboten. Triftige
Gründe zum Verlassen der Wohnung brauchen die Sachsen-Anhalter nicht
mehr. In Sachsen darf man sich ab Montag mit Menschen aus dem eigenen
Haushalt, dem Partner oder der Partnerin sowie mit einem weiteren
Menschen und dessen Partner oder Partnerin draußen treffen.
FRISEURE UND CO: Schon seit zwei Wochen können sich Friseure - und
Frisierbedürftige - Hoffnung machen, dass die Salons wieder öffnen,
ab Montag wird diese Ankündigung wahr. Neben den Haarstylisten dürfen
auch Kosmetiksalons sowie Nagel- und Fußpflege wieder öffnen, wie
Grimm-Benne ankündigte. Voraussetzung ist, dass die jeweiligen
Unternehmen die geltenden Schutzstandards einhalten können. Das heißt
auch: Mundschutzpflicht für Friseurinnen ebenso wie für die Kunden.
GROSSE GESCHÄFTE: Sachsen-Anhalt kippt die extrem umstrittene
Regelung, dass große Geschäfte prinzipiell nicht öffnen dürfen, wen
n
sie keine Baumärkte, Supermärkte, Drogerien oder Buchläden sind. «W
ir
öffnen jetzt alle Geschäfte und Läden, egal welchen Warensortiments
»,
sagte Grimm-Benne. Voraussetzung ist, dass der Zugang begrenzt und
die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden. Auf einer Fläche
bis zu 800 Quadratmetern darf sich ein Kunde je 10 Quadratmeter
aufhalten, darüber hinaus muss es pro Kunden 20 Quadratmeter Platz
geben. Die Regelung gilt ab Montag.
GASTRONOMIE: Die Landesregierung stellt für die Gastronomie den 22.
Mai als Öffnungstag in Aussicht. Das ist der Tag genau nach
Himmelfahrt. Am Feiertag selbst gebe es zu viele Rituale - wie
Feierlichkeiten - die in der Vergangenheit zu größeren Ausbrüchen des
Coronavirus in anderen Regionen geführt hätten, begründete Haseloff
die Terminwahl. Voraussetzungen gibt es einige: Die Infektionszahlen
müssen trotz der jetzt beschlossenen Öffnungen und ausgeweiteter
Tests niedrig bleiben, hohe Schutzstandards garantiert werden - und
die Nachbarbundesländer zu Öffnungen im gleichen Zeitraum bereit
sein, zählte Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) auf. Dafür
könnte neben Außen- auch die Innengastronomie mit Auflagen wieder
öffnen dürfen. Details will das Kabinett am Dienstag diskutieren.
TOURISMUS: Für die Hotellerie gibt es hingegen noch keine
Öffnungsperspektive. Busreisen bleiben ebenso untersagt wie
touristische Übernachtungen und touristische Tagesausflüge aus
anderen Bundesländern. Auch Großveranstaltungen bleiben bis 31.
August untersagt.
SPORT: Sachsen-Anhalt lässt Trainings in den Vereinen wieder zu, aber
unter strengen Voraussetzungen. Sport ist nur im Freien und in
Gruppen von maximal 5 Menschen erlaubt, ein Kontakt muss
ausgeschlossen sein. Wettkämpfe bleiben verboten - Umkleidekabinen,
Sportgaststätten und ähnliches gesperrt, Zuschauer sind verboten.
Damit folgt man Empfehlungen der Sportministerkonferenz, wie Innen-
und Sportminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte. Einen konkreten
Katalog wieder erlaubter Sportarten legt das Land nicht fest. Neben
Beispielen wie Reiten, Tischtennis, Tennis, Leichtathletik und Rudern
ist laut Stahlknecht auch Fußball-Training in Kleingruppen möglich -
wenn Abstand gehalten wird.
FREIBÄDER: Schwimmen und Planschen in Schwimmhallen und Freibädern
bleibt verboten. Laut Gesundheitsministerin Grimm-Benne wird aber
nach einer Lösung gesucht, um die Freibadsaison - etwas später als
gewöhnlich - starten lassen zu können.
SPIELPLÄTZE: Vom 8. Mai an dürfen Spielplätze in Sachsen-Anhalt
wieder öffnen. Sie sind seit Mitte März gesperrt. Welche Anlagen
Familien wieder öffnen dürfen, entscheiden aber jeweils die Kommunen
selbst. Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) kündigte
am Wochenende eine Allgemeinverfügung an, mit der alle Spielplätze
wieder betreten werden können. Er appellierte zugleich an Eltern,
überfüllte Spielplätze zu meiden und die Hygieneregeln einzuhalten.
SCHULEN: Erstmals seit dem 16. März öffnen in Sachsen-Anhalt auch die
Grundschulen wieder ihre Pforten für Unterricht. Die Viertklässler
kehren am Montag zurück. An den weiterführenden Schulen werden die
Jugendlichen erwartet, die im kommenden Jahr Abschluss machen. Beide
Klassenstufen sollen von nun an regelmäßig mit abwechselndem
Präsenzunterricht und Aufgaben für zuhause unterrichtet werden. Am 6.
Mai folgen die Gymnasiasten, die 2022 Abitur machen.
KITAS: Von Montag an können landesweit alle Alleinerziehenden ihre
Kinder in den eigentlich geschlossenen Kitas betreuen lassen. Das war
zuletzt nur in Magdeburg und Halle möglich. Zudem wird der Kreis der
Familien erweitert, die Anspruch auf einen Platz haben: Neben den
bisherigen systemrelevanten Berufen kommen jetzt jene Eltern dazu,
die in den Branchen arbeiten, die wieder öffnen dürfen. Darüber
hinaus will Sachsen-Anhalt im Mai für all jene Familien die
Elternbeiträge übernehmen, die die Kitabetreuung nicht nutzen.
KULTUR- UND FREIZEIT: Die Zoos sind schon seit einer Woche wieder
auf, am Montag folgen weitere Freizeitmöglichkeiten. Mit strengen
Auflagen zu Mindestabstand, Besucherbegrenzung und Hygiene dürfen die
Museen im Land wieder öffnen, ebenso Bibliotheken und Archive.
«Lichtspielhäuser und Kinos können wir noch nicht öffnen», sagte
Kulturminister Rainer Robra (CDU).
SCHULISCHE ANGEBOTE: Prinzipiell bleiben Musik- und Volkshochschulen
sowie ähnliche Bildungseinrichtungen weiterhin geschlossen. Aufgrund
der gelockerten Kontaktregeln werden aber Einzelunterricht und
Formate mit Gruppen von bis zu fünf Menschen erlaubt.
Gesangsunterricht und Unterricht mit Blasinstrumenten seien zunächst
ausgenommen, weil eine Verbreitung des Virus auch bei Abstand nicht
ausgeschlossen werden könne, argumentierte Robra.
MUNDSCHUTZPFLICHT: Die Mundschutzpflicht beim Einkaufen und im
öffentlichen Nahverkehr bleibt bestehen. Ausgenommen werden Kinder
unter sechs Jahren, Gehörlose, Schwerhörige und deren Begleiter sowie
Menschen, für die das Tragen wegen Behinderungen, Schwangerschaft
oder schwerer Einschränkungen unzumutbar wäre. Bußgelder soll es fü
r
Mundschutzverweigerer weiterhin nicht geben. Läden und
Nahverkehrsanbieter sollen Verweigerern den Zutritt verwehren.
GOTTESDIENSTE: Gottesdienste in Kirchen, Synagogen und Moscheen
dürfen wieder stattfinden. Konkrete Vorgaben macht das Land nicht. Es
liege in der Verantwortung der Religionsgemeinschaften, die Abstands-
und Hygieneregeln umzusetzen, sagte Regierungschef Haseloff.
BESUCHSVERBOTE: In Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeheimen gilt
wegen des Coronavirus seit Wochen ein strenges Besuchsverbot. Für die
Alten- und Pflegeheime wird es ab 11. Mai gelockert, wie
Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) ankündigte. Ein
Besucher pro Tag sei für eine Stunde erlaubt. Die Gäste müssten einen
Mund-Nasen-Schutz tragen, der vom Heim gestellt werde. Für
Krankenhäuser bleibt das Besuchsverbot bestehen.
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