Zoos im Stillstand: «Wir sind den Menschen nicht egal» Von Thomas Strünkelnberg, dpa
Keine Einnahmen, aber so hohe Ausgaben wie immer: Die
Coronavirus-Pandemie trifft Zoos und Tierparks schwer. Dort versteht
man vor allem eines nicht.
Hannover (dpa/lni) - Wo könnte man im Frühjahr hingehen, wenn es
langsam warm wird, für den Strand aber noch zu kühl ist? Natürlich,
in den Zoo! Wegen der Corona-Kontaktbeschränkungen ist in diesem Jahr
allerdings alles anders - Zoos, Tier- und Freizeitparks sind in
Niedersachsen geschlossen, anders als in einigen anderen Regionen
Deutschlands. Das bedeutet: Keine Einnahmen, aber Ausgaben wie immer.
Viele Tierparks und Zoos stehen mit dem Rücken zur Wand.
ERLEBNIS-ZOO HANNOVER: Eigentlich ist das Frühjahr für einen Zoo
besonders wichtig, vor allem die Osterferien zählen. Doch in diesem
Jahr: «Wir rutschen auf Null herunter», sagt Andreas Casdorff,
Geschäftsführer eines der größten Zoos in Deutschland mit rund 26
Millionen Euro Umsatz. Jeder Tag koste im Zoo rund 63 000 Euro, in
der Gastronomie seien es über 20 000 Euro. Die Einnahmen seien um gut
85 Prozent eingebrochen. «Es ist ein schauriges Gefühl, wenn ich
morgens aufstehe und weiß, heute verliere ich wieder viel Geld», sagt
er. Und: Den Tieren fehle der «positive Stress» durch die Besucher.
Außerdem vermisst er Planungssicherheit, die Entscheidungslage in
Deutschland werde immer diffuser - in einigen Bundesländern sei die
Teil-Öffnung der Zoos möglich. Darauf hofft auch Casdorff: «Wir
bereiten uns auf die Chance vor, dass wir vielleicht wieder öffnen
dürfen.» Pro Jahr kommt der Zoo mit mehr als 2000 Tieren auf rund 1,2
Millionen Besucher, im April wären es gut 150 000 geworden. Und nun:
Die Mitarbeiter in Service und Gastronomie seien seit Mitte März in
Kurzarbeit, im Zoo sei es die Hälfte der Beschäftigten. Aber: Dank
Spenden und Tierpatenschaften komme der Zoo jährlich auf bis zu
500 000 Euro - und diese Unterstützung nehme gerade deutlich zu.
TIER- UND FREIZEITPARK THÜLE: «Wenn das so weitergeht, brauchen wir
uns um die zoologische Landschaft in Deutschland keine Gedanken mehr
zu machen», meint Geschäftsführerin Alexandra Grothaus. Je länger
sich die Landesregierung gegen eine teilweise Öffnung sträube, «desto
schwieriger wird es für uns». Der Tierpark komme aus der Winterpause,
lebe vom saisonalen Geschäft und: «Jeder Euro, der heute nicht
verdient wird, fehlt dann wieder im Winter.» 85 Prozent der Einnahmen
seien entfallen, der Umsatzrückgang belaufe sich bisher auf eine
Million Euro. Die 80 Mitarbeiter seien alle in Kurzarbeit, es habe
erste Entlassungen gegeben.
Dabei sei der Tierpark auf eine Teilöffnung vorbereitet -
Desinfektionsmittel, Spuck- und Mundschutz seien da. Doch selbst bei
einer teilweisen Öffnung würden keine vergleichbaren Summen wie
früher zusammenkommen, weil Schulklassen und Gruppenreisen ausfielen.
Immerhin gibt es Hilfe, Tierpatenschaften hätten «definitiv»
zugenommen: «Wir haben gemerkt, wir sind den Menschen nicht egal.»
SERENGETI-PARK HODENHAGEN: Geschäftsführer Fabrizio Sepe ist
enttäuscht. Denn der Safaripark Stukenbrock im benachbarten
Nordrhein-Westfalen darf Fahrten mit dem eigenen Auto durch das
Gehege anbieten - anders als der Serengeti-Park: «Ich kann das
logisch nicht verstehen», kritisiert er. Bei einer Erlaubnis analog
zu Stukenbrock wäre das Corona-Risiko aus seiner Sicht geringer als
im Baumarkt. Seit drei Wochen liege sein Konzept der Landesregierung
vor. Doch vor wenigen Tagen entscheidet das niedersächsische
Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, die Schließung von Tier- und
Freizeitparks sei rechtens. Die Richter sehen darin eine notwendige
Schutzmaßnahme. (Az.: 13 MN 96/20)
Sepe fühlt sich ungerecht behandelt - und ist fassunglos. Denn:
Täglich fielen Kosten von rund 50 000 Euro an, obwohl die meisten
Mitarbeiter in Kurzarbeit seien. 44 Menschen, darunter 3 Tierärzte,
kümmerten sich um rund 1500 Tiere. «Dank der Patenschaften und
Spenden halten wir uns so gerade über Wasser, aber eine Teilöffnung
wäre lebensrettend», betont Sepe. Andernfalls müsse man Listen zu
Schlachtungen aufsetzen: «Wir möchten nicht anfangen, Tiere zu
schlachten, um andere Tiere zu füttern.» Der Tierpark Neumünster in
Schleswig-Holstein hatte Notschlachtpläne erarbeitet.
ZOO OSNABRÜCK: «Unsere finanzielle Lage ist sehr ernst», sagt eine
Zoo-Sprecherin. Zu 75 Prozent finanziere sich der Zoo aus
Besucherentgelten, die seit Mitte März komplett wegfielen. Im März
2019 kam der Zoo auf Eintrittserlöse von 375 000 Euro, 2020 wegen der
Schließung Mitte des Monats nur auf 190 000 Euro. Im April 2019 lagen
die Einnahmen aus Eintrittskarten bei über einer Million Euro, in
diesem Jahr fielen sie ganz aus. Von den 182 Mitarbeitern seien 95 in
Kurzarbeit. Auf Abstand und Hygiene werde geachtet. Und nachdem bei
einem Tiger in New York das Coronavirus nachgewiesen wurde, sei auch
der direkte Kontakt zu den Tieren beschränkt.
Für die Versorgung der rund 2200 Tiere fielen im Monat Kosten von
etwa 290 000 Euro an - insgesamt beliefen sich die monatlichen
Ausgaben auf rund 500 000 Euro. Die Stadt Osnabrück habe zugesagt,
Spenden bis Ende des Jahres bis zu einer Gesamtsumme von einer
Million Euro zu verdoppeln. Eine Schließung über Monate würde die
Lage aber «noch mehr verschärfen und die Situation würde für uns
schwierig werden».
TIERPARK NORDHORN: Ernst, aber nicht hoffnungslos sei die Lage im
Tierpark Nordhorn, sagt Leiter Nils Kramer. Von den 170 Mitarbeitern
seien die meisten seit April in Kurzarbeit - die Tierpflege arbeite
abwechselnd in vier Teams. «Jeder Mitarbeiter der Tierparkfamilie
trägt seinen Teil zur Bewältigung dieser großen Herausforderung bei,
deshalb habe ich nicht vor, auch nur einen Arbeitsplatz an Corona zu
verlieren», betont Kramer. Bei 2000 Tieren fielen täglich Kosten von
mehr als 10 000 Euro an. «Aktuell brennt hier in den kommenden Wochen
nichts an», sagt er dennoch. Einen kompletten Einnahmeausfall könne
der Tierpark aber «natürlich nicht ewig durchstehen».
Der Tierparkleiter hofft auf eine teilweise Öffnung - ein Zoobesuch
sei nicht anders zu werten als ein Spaziergang an der frischen Luft,
Abstandsregeln könnten eingehalten werden. Zu den Notschlachtplänen
aus Neumünster sagt Kramer: «Aufgrund von akutem Geldmangel oder
«Armut» wird im Tierpark kein Tier geschlachtet, dies liegt außerhalb
meiner Vorstellungskraft.» Allein über Ostern seien fast 25 Prozent
mehr Tierpatenschaften gewonnen worden.
ZOO AM MEER BREMERHAVEN: «Extrem viel Pech» bescheinigt Direkto
rin
Heike Kück ihrem Zoo. Nicht nur wegen der Schließung an sich, sondern
vor allem, weil der Zoo von diesem Frühjahr viel erwartet hatte -
dank seiner Eisbärenzwillinge. Zu Ostern seien sonst täglich rund
23 000 Euro eingenommen worden - was bleibe, seien allein die Kosten
von rund 250 000 Euro im Monat. 70 bis 80 Prozent der Einnahmen
stammten aus den Eintrittskarten. Derzeit bauten die 46 Mitarbeiter
Überstunden ab, wenn es aber am 4. Mai nicht zur Wiedereröffnung
komme, dann stehe Kurzarbeit bevor. Bei sonnigem Wetter herrsche eine
«Bilderbuchatmosphäre» im Zoo - und niemand habe etwas davon.
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