Nach Coronavirus-Ausbruch: Potsdamer Klinikspitze wird beurlaubt Von Oliver von Riegen, dpa
Seit März sind Dutzende Menschen am größten Potsdamer Krankenhaus
infiziert, fast 40 Corona-Patienten sind bisher gestorben. Potsdam
ist der Corona-Hotspot in Brandenburg. Nun greift die Stadt durch.
Potsdam (dpa/bb) - Der Ausbruch des Coronavirus am größten Potsdamer
Krankenhaus, dem Klinikum Ernst von Bergmann, hat personelle
Konsequenzen. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) entschied nach
eigenen Angaben, die beiden Geschäftsführer Steffen Grebner und
Dorothea Fischer vorerst zu beurlauben. Das gelte bis zur
abschließenden Bewertung, ob jenseits der vom Robert Koch-Institut
benannten Mängel weitere organisatorische und hygienische Defizite
den Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus begünstigt hätten,
sagte Schubert am Donnerstag. Die Beurlaubung gelte ab kommendem
Samstag für ein halbes Jahr. Fischer bleibe aber Chefärztin der
Frauenklinik. Eine unabhängige Kommission soll die Krise aufarbeiten.
Seit Mitte März hatten sich Corona-Infektionen in dem Klinikum
gehäuft, das rund eine halbe Million Menschen versorgt. Experten des
RKI kamen zu Hilfe und kritisierten unter anderem, dass Umzüge ganzer
Stationen die Virusübertragung begünstigt haben könnten. Bisher
starben 39 Covid-19-Patienten in der Klinik. Seit 1. April gilt ein
Aufnahmestopp für neue Patienten außer für Notfälle. Die
Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob sich drei leitende Ärzte und die
Geschäftsführer strafbar gemacht haben - dabei geht es um
Meldepflichten. Sie untersucht auch eine Strafanzeige der Deutschen
Stiftung Patientenschutz gegen die Geschäftsführung und Ärzte des
Klinikums zum Verdacht des Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz
und der fahrlässigen Tötung.
Alles müsse getan werden, «damit das Klinikum Ernst von Bergmann als
Maximalversorger wieder ans Netz gehen kann», sagte der
Oberbürgermeister. Die Geschäftsführer hätten zugesagt, einen
Zwischenbericht zum Virusausbruch wie von der Landesregierung
gefordert bis Freitag vorzulegen. «Dies ist eine Grundlage, um wieder
Patienten aufnehmen zu können», sagte Schubert.
Zweite Voraussetzung sei ein Konzept zur Wiederaufnahme, für das die
künftigen kommissarischen Geschäftsführer Hans-Ulrich Schmidt und Tim
Steckel sowie Berater von Kienbaum bis Ende kommender Woche einen
Vorschlag machen wollten. Potsdams Linksfraktionschef Stefan
Wollenberg sagte, er habe sich die Beurlaubung schon vergangene Woche
gewünscht.
Am vergangenen Wochenende hatte die Geschäftsführung erstmals Fehler
eingeräumt. Eine unabhängige Expertenkommission soll nun Hintergründe
untersuchen - unter Leitung von Brandenburgs Ex-Gesundheitsministerin
Anita Tack (Linke) als Teil einer Doppelspitze. Der Marburger Bund
Berlin/Brandenburg hält eine umfängliche Aufklärung für nötig.
«Jetzt
gibt es die Chance, durch externe Gutachter aufzuklären, wie es zu
dieser Situation kommen konnte und auch mehr Transparenz in das
Verfahren zu bringen», sagte Geschäftsführer Reiner Felsberg.
Der künftige kommissarische Geschäftsführer Schmidt sagte: «Wir hab
en
nach wie vor Covid-Befall und -Infektionen überall.» Er leitet das
Lausitz Klinikum Forst, das mehrheitlich von der Klinikgruppe Ernst
von Bergmann betrieben wird. Steckel, kaufmännischer Direktor des
Bergmann-Klinikums, zeigte sich zuversichtlich: «Wir wollen zügig,
wenn wir es dürfen, wieder hochfahren.» Die Klinik soll in drei
Bereiche aufgeteilt werden: in weiß als coronafreie Stationen, in
grau mit Verdachtsfällen und in schwarz für Infizierte.
Die Mitarbeiter des Klinikums sollen nach einem Vorstoß der drei
Stadtverordnetenfraktionen SPD, Linke und Grüne besser bezahlt
werden. Laut Vorschlag sollen zum 1. Juni die Arbeitsbedingungen des
Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes gelten - für alle
Beschäftigten klinischer Bereiche wie für Tochterunternehmen mit der
Stadt als alleiniger Gesellschafterin. Auch eine Einsatzprämie für
besondere Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie von 500 Euro
soll gezahlt werden. Der Vorschlag soll von den drei Fraktionen am 6.
Mai beschlossen werden, sie haben im Stadtparlament eine Mehrheit.
Derzeit bestehen nach Angaben der Gewerkschaft Verdi in der
Bergmann-Klinikgruppe Haustarifverträge unterschiedlicher Qualität.
Bei der Klinikgruppe Ernst von Bergmann arbeiten knapp 4500
Beschäftigte, etwa 2300 Mitarbeiter im Klinikbereich, weitere 2200
Beschäftigte in neun Tochtergesellschaften. Das Klinikum
erwirtschaftete auf Konzernebene 2018 Umsatzerlöse von rund 295,3
Millionen Euro und einen Konzernjahresüberschuss von 887 000 Euro.
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