Hebamme in Corona-Zeiten - «Alle machen sich große Sorgen» Von Christiane Bosch, dpa
Corona wirbelt den Alltag vieler Menschen durcheinander. Das ist bei
Hebammen nicht anders. Sind sie sonst nah dran an den Frauen und
Babys, ist für sie nun auch Abstand angesagt. Das macht manche
Situationen unwirklich - und bringt Marsmännchen in den Kreißsaal.
Hamburg (dpa/lno) - Hebamme Wibke Klug hat schon hunderten Babys in
Hamburg auf die Welt geholfen. Eine Situation wie im Moment hat sie
dabei in den vergangenen 20 Jahren noch nicht erlebt. Väter müssen
Geschwister betreuen und können deshalb nicht mit in den Kreißsaal,
Frauen verlassen die Klinik aus Angst vor dem Coronavirus direkt nach
der Entbindung wieder und Hausbesuche werden teils über Videoanrufe
abgearbeitet. «Alle machen sich große Sorgen und sind verunsichert»,
sagt die 43-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die
Hamburgerin ist Beleghebamme. Das heißt, sie begleitet Frauen durch
ihre Schwangerschaft, die Geburt des Kindes und die ersten Wochen des
Säuglings. In Zeiten von Corona sind Aufklären und Beruhigen einmal
mehr zu ihren wichtigsten Aufgaben geworden.
Die toughe wie herzliche Hebamme hat etwa 20 bis 25 Termine in der
Woche und begleitet derzeit etwa zehn Familien. «Das ist schon auch
ein Luxus. Die Familien sind sehr achtsam, sie halten das
Kontaktverbot auch wirklich ein. Das erleben meine Kolleginnen in den
Kliniken ganz anders.» Gleichzeitig erhöht das aber auch die ohnehin
große Verantwortung. «Die Frauen haben oft tage- und wochenlang
niemanden sonst gesehen. Keine Freunde, keine Familie. Ich bin das
größte Risiko für meine Frauen.» Die Hamburgerin hat eine neunjäh
rige
Tochter und einen chronisch kranken Mann. Für sie ist es deshalb auch
persönlich sehr wichtig, das Virus nicht mit nach Hause zu bringen.
Wibke Klug hat sich auch deshalb entschieden, einige ihrer Termine
über Videoanrufe wahrzunehmen. «Das ist ganz großartig, dass das nun
auch gesetzlich erlaubt ist und abgerechnet werden kann.» Infrage
kommt das allerdings nur bei den Frauen, bei denen alles rund läuft
und das Baby schon einige Wochen alt ist. «Ich mache das etwa ein bis
vier Mal pro Woche». Ansonsten geht die 43-Jährige wie gewohnt zu den
Frauen in die Wohnung.
Eigentlich sogar noch mehr als sonst, denn so manche Schwangere traut
sich in Corona-Zeiten nicht mehr ins Wartezimmer des Frauenarztes.
Die Vorsorgeuntersuchungen übernimmt sie dann. In der Zeit muss sie
auch viel aufklären. «Das größte Unsicherheitsthema ist die Geburt
mit oder ohne Mann.» Weil Oma, Opa, Freunde und Nachbarn wegen der
Corona-Regeln als Betreuung für Geschwisterkinder ausfallen, bleiben
die Väter mittlerweile bei der Geburt öfter daheim. Die Nachfragen
nach Kaiserschnitten seien deshalb bereits gestiegen, so Wibke Klug.
Und auch nach der Geburt ist mehr zu tun als sonst. Viele Frauen
verlassen die Kliniken vorsichtshalber direkt nach der Geburt wieder.
Die zahlreichen medizinischen Kontrollen, die üblicherweise in den
ersten drei Tagen in den Krankenhäusern direkt gemacht werden, kommen
damit nun auch auf die Hebammen zu.
Bei den Hausbesuchen desinfiziert sich die Hebamme nun zusätzlich
auch vorher und nachher die Hände. Sonst macht sie das lediglich vor
den Untersuchungen bei Frau und Kind. Bei der Geburt trägt sie nun
einen Mundschutz. Eine mit dem neuartigen Coronavirus infizierte Frau
hat sie bislang ihres Wissens noch nicht betreut. «Die Frauen, die
jetzt ihre Kinder bekommen, die sind ja nicht gereist. Die waren in
den letzten vier Wochen schön zu Hause und haben ihr Bäuchlein
gestreichelt.» Die 43-Jährige geht davon aus, dass die Geburten von
Corona-Infizierten nun zunehmen werden. «Die kommen in den nächsten
zwei bis vier Wochen.»
Dann sieht die Arbeit im Kreißsaal nicht anders aus, doch Personal
und Mutter werden dann Schutzkleidung tragen müssen. «Hebammen und
Frauen voll vermummt - das stelle ich mir schrecklich vor.» Das
dürfte die Geburten für die Frauen auch nicht leichter machen, ist
Wibke Klug überzeugt. «Eigentlich sollen sie bei sich bleiben und
sich auf ihre Kraft fokussieren. Wenn um dich herum aber alle so
aussehen wie Marsmenschen, ist das schon schwierig.»
In der Hansestadt arbeiten dem Hebammenverband zufolge etwa 300
Hebammen. «Es gibt viele Kollegen, die nun digitale Rückbildung und
Schwangerschaftsvorbereitung machen», sagt Verbandsvorsitzende Andrea
Sturm. Von den jährlich rund 21 000 Geburten in Hamburg sind etwa 210
Hausgeburten. Die Nachfrage danach habe wegen Corona zugenommen.
Doch in der Krise sieht Hebamme Wibke Klug positive Seiten. «Ich
finde es gut, weil die Frauen sich so quasi ausruhen müssen.» Keine
Besuche, keine Ausflüge - die Mütter müssen sich automatisch mehr auf
ihr Baby und sich selbst besinnen.
Für die Hamburgerin sind alle Hebammen Heldinnen - auch ohne
Corona-Krise. «Wir lassen sofort alles stehen und liegen für die
Frauen - ob Hochzeitstag, Geburtstag meines Kindes oder
Kopfschmerzen. Und das ist sehr heldenhaft!» Gleichzeitig hebt sie
die Arbeit ihrer Kolleginnen in den Kliniken besonders hervor: «Sie
haben keine Wahl. Sie müssen den Frauen und ihren Angaben vertrauen.
Sie gehen jeden Tag von Frau zu Frau und wissen nicht, was sie
mitbringen.»
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