Großes Loch oder Mini-Lücke im Geldbeutel - Wen Kurzarbeit schmerzt Von Christof Rührmair, dpa
In der Krise sind die deutschen Arbeitnehmer alles andere als gleich.
Während die drohende Kurzarbeit in manchen Branchen zu Geldnöten
führen wird, müssen sich andere Arbeitnehmer keine Sorgen machen.
Berlin/Frankfurt (dpa) - Hunderttausende Betriebe haben in der
Corona-Krise bereits Kurzarbeit angemeldet. Millionen Arbeitnehmer in
verschieden Branchen könnten betroffen sein. Doch während die
Kurzarbeit bei den Menschen in manchen Branchen tiefe Löcher in die
Finanzen reißt, kommen andere fast ungeschoren davon. Entscheidend
dafür, ob am Ende bis zu 40 oder nur ein paar Prozent des
Nettoeinkommens fehlen, ist vor allem, ob es im Tarifvertrag oder in
Betriebsvereinigungen Regeln zur Aufstockung gibt.
Grundsätzlich reduziert der Arbeitgeber bei Kurzarbeit Arbeitszeit
und Lohnzahlung um bis zu 100 Prozent. Allerdings springt die
Bundesagentur für Arbeit ein und ersetzt bei Menschen ohne Kinder 60,
bei Menschen mit Kindern 67 Prozent des weggefallenen
Nettoeinkommens. Wie sehr diese Lücke schmerzt und ob es mehr gibt,
kommt auf die Branche an - und ob der Arbeitgeber im Tarifvertrag ist
oder sich zumindest daran orientiert.
Ein Überblick:
Gastgewerbe: Hier trifft es die Mitarbeiter hart. Es gibt keine
Aufstockungsregelungen und die Branche ist «überdurchschnittlich und
als erstes» betroffen, wie die Gewerkschaft
Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) betont. Viele Betriebe hätten
komplette Kurzarbeit angemeldet - also die Arbeitszeit auf Null
gesetzt. Hinzu kommt, dass die Löhne im Gastgewerbe nicht besonders
hoch sind und beim Servicepersonal auch noch die Trinkgelder
wegfallen. Ein typisches Einkommen für eine Köchin in Berlin sind
laut NGG gut 1500 Euro netto - in kompletter Kurzarbeit und ohne
Kinder wären es nur noch gut 900 Euro.
Systemgastronomie: Diese Branche ist laut NGG überdurchschnittlich
betroffen. Hier profitieren die Mitarbeiter allerdings von einer
jüngst getroffenen Aufstockungsregel und bekommen 90 Prozent des
letzten Nettoeinkommens. Ein typischer Wert sind hier laut NGG gut
1220 Euro - bei kompletter Kurzarbeit blieben dann rund 1100.
Handel: In kaum einer Branche hat die Corona-Krise eine so große
Bandbreite an Auswirkungen. Im Lebensmittelhandel sei Kurzarbeit kein
Thema, heißt es vom Handelsverband Deutschland (HDE). Im sogenannten
Non-Food-Bereich seien viele Händler allerdings wegen der
Ladenschließungen «auf Kurzarbeitsregelungen dringend angewiesen».
Eine tarifliche Vereinbarung zum Kurzarbeitergeld gibt es laut Verdi
und HDE nur in Nordrhein-Westfalen. Anfangs wird dort auf 100, dann
auf 90 Prozent aufgestockt, begrenzt bis zur Jahresmitte. Allerdings
existieren noch zusätzliche Vereinbarungen bei einzelnen
Arbeitgebern, nach Verdi-Angaben unter anderem bei H&M oder Primark.
Metall- und Elektroindustrie: Mit rund 3,8 Millionen Beschäftigten
gehört die Branche zu den absoluten Schwergewichten. Die Regelungen
zum Kurzarbeitergeld sind hier allerdings der IG Metall zufolge sehr
unterschiedlich. In Baden-Württemberg gibt es in den tarifgebundenen
Unternehmen beispielsweise eine Aufstockung auf 85 bis 95 Prozent.
Der bereits in einigen Ländern geltende Pilotabschluss aus
Nordrhein-Westfalen sieht zwar keine direkte Aufstockung vor,
beinhaltet aber andere Maßnahmen, durch die laut Gewerkschaft das
Einkommen auf rund 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens steigt.
Zudem gibt es bei vielen Unternehmen Vereinbarungen, die über die
Regelungen hinausgehen - Audi beispielsweise stockt auf 95 Prozent
auf. Auch VW, BMW und Daimler gleichen große Teile der
Einkommensverluste aus. Auch bei Zulieferern gibt es solche Fälle.
Bei Knorr-Bremse wird bei den 4000 Betroffenen der von Kurzarbeit
betroffene Gehaltsteil auf rund 85 Prozent aufgestockt.
Lufthansa: Der Konzern ist stark betroffen. Die
Kurzarbeitergeld-Regelungen variieren aber: Bei Kabinen- und
Bodenpersonal sowie Mitarbeitern der Tochter Eurowings wird das
Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent aufgestockt. Bei der Technik gilt
dieser Satz ebenfalls für die meisten Mitarbeiter. Piloten bei
Lufthansa werden auf 85 bis 87 Prozent aufgestockt. Bei Germanwings
gibt es bisher weder Kurzarbeit noch eine Vereinbarung zur
Aufstockung.
Kfz-Handwerk: Hier gibt es - je nach Tarifgebiet - unterschiedliche
Regelungen in den tarifgebundenen Unternehmen. In Niedersachsen,
Bayern und Sachsen gibt es eine Aufstockung auf 90 Prozent, in
Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg auf 80 Prozent. Ein
typischer Beschäftigter in Niedersachsen bekommt laut IG Metall
normalerweise gut 2100 Euro netto. Bei kompletter Kurzarbeit blieben
ihm durch die Aufstockung noch gut 1900 Euro. Ohne Aufstockung und
ohne Kinder wären es nur knapp 1300.
Telekom: Der Konzern hat die Aufstockung jüngst angehoben. Künftig
gibt es im Fall der Kurzarbeit 85 Prozent.
Chemisch-pharmazeutische Industrie: Die Branche ist sehr
unterschiedlich betroffen. Unternehmen, die etwa Reifen herstellen,
leiden laut Gewerkschaft IG BCE deutlich stärker als solche, die
Arzneimittel produzieren. Eine Umfrage des Bundesarbeitgeberverbands
Chemie deutet nun darauf hin, dass etwa 85 000 der insgesamt 580 000
Beschäftigten in der Branche im April in Kurzarbeit sein werden - ein
rasanter Zuwachs zum März. Der Tarifvertrag in der Branche sieht eine
Aufstockung auf 90 Prozent vor.
Öffentlicher Dienst: Für die meisten Bereiche dieser Branche sei
Kurzarbeit «überhaupt kein Thema» heißt es von Verdi. Wo es doch da
zu
kommt, erleiden die Mitarbeiter nur vergleichsweise geringe Einbußen:
Das Kurzarbeitergeld wird bei den schlechter bezahlten Lohngruppen
auf 95 Prozent, bei den besser bezahlten auf 90 Prozent aufgestockt.
Filmwirtschaft: Auch hier gibt es eine Vereinbarung für die
Corona-Krise: Bei Filmproduktionen wird laut Verdi auf 90 Prozent
aufgestockt.
Textile Dienste: Zu dieser Branche zählen unter anderem Reinigungen.
Hier werden rund 80 Prozent des Nettolohns erreicht.
Private Banken: Hier gibt es nach Auskunft des Arbeitgeberverbands
keine Vereinbarung zur Kurzarbeit und damit auch keine Aufstockung
über die 60 beziehungsweise 67 Prozent hinaus. Im Moment sei
Kurzarbeit aber auch noch kein Thema.
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