Kontroverse Ausstiegsdebatte in Corona-Krise - nun 1735 Infektionen Von Wolfgang Schmidt, dpa
Berechtigte Hoffnungen oder leichtfertige Träumereien? Eine Rückkehr
zur Normalität ist in der Corona-Krise noch Zukunftsmusik. Aber die
Debatte über Lockerungen läuft auch im Norden - das gefällt nicht
allen. Ein Problem unter Nachbarn scheint kurz vor Ostern gelöst.
Kiel (dpa/lno) - Mögliche Lockerungen der strengen Vorschriften in
der Corona-Krise rücken in Schleswig-Holstein zunehmend in den Fokus.
Unterdessen verständigte sich Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)
mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kurz vor Ostern
über das Vorgehen der Polizei. Aus Hamburg hatte es harsche Kritik an
Kontrollen und Zurückweisungen von Fußgängern und Radfahrern direkt
an der Stadtgrenze gegeben. «Es mag am Wochenende Einzelfälle gegeben
haben», wo Radfahrer und Fußgänger aus Hamburg zurückgewiesen wurde
n,
die versehentlich die Landesgrenze übertreten haben, sagte Günther am
Dienstag in einem Online-Talk des «Flensburger Tageblatts». Dies sei
nun geklärt. «Das werden wir in der Form nicht generell unterbinden.»
Mit einem Facebook-Post stellte sich Günther demonstrativ vor alle
Polizisten. Sie machten einen großartigen Job, schrieb er. «Sie
setzen die von der Politik erlassenen Regelungen um und bewahren
dabei Augenmaß.» Günther nahm am Dienstag an der Lagekonferenz der
Landespolizei teil. Die Küstenorte und auch die Naherholungsgebiete
rund um Hamburg müssten geschützt werden. «Deshalb werden wir auch
jetzt an Ostern die Kontrollen so durchführen wie am vergangenen
Wochenende - mit nötigem Abstand zu den Landesgrenzen aber bestimmt
in der Sache.» Radfahrer und Fußgänger seien kein Schwerpunkt, aber
besonders Gruppenausflüge würden unterbunden.
Unterdessen stieg die Zahl der in Schleswig-Holstein gemeldeten
Infektionen mit dem neuen Coronavirus auf 1735. Das waren bis
Montagabend 57 Fälle mehr als nach der Meldung vom Vortag. Die Zahl
der Todesfälle erhöhte sich zur letzten offiziellen Meldung von 20
auf 24. Einen weiteren Todesfall meldete am Nachmittag der Kreis
Rendsburg-Eckernförde. Im Land wurden seit Beginn der Krise rund
46 000 Labortests auf das Virus vorgenommen. Dies ergab eine
Hochrechnung des Gesundheitsministeriums. Derzeit werden demnach im
Land täglich etwa 2300 Labortests auf das Virus Sars-CoV-2 gemacht.
Günther bekundete die Hoffnung auf eine schrittweise Lockerung der
Auflagen nach Ostern. «Wir beginnen also demnächst eine Phase, wo wir
aller Voraussicht nach gewisse gesellschaftliche Dinge wieder
ermöglichen», sagte er der Wochenzeitung «Die Zeit». «Die Schlie
ßung
etwa von Restaurants und Cafés war auch deshalb nötig, weil der
Abstand nicht eingehalten wurde - anfangs war auch nicht das
Bewusstsein für die notwendigen Verhaltensregeln vorhanden. Das ist
jetzt anders. Da, wo es räumlich möglich ist, den Abstand zu wahren,
kann man Regelungen auch wieder lockern.»
Am Dienstag nach Ostern wollen die Ministerpräsidenten mit Kanzlerin
Angela Merkel darüber beraten. «In Schleswig-Holstein wird kurz
danach schon Abitur geschrieben», sagte Günther. «Wir müssen den
Menschen eine klare Perspektive aufzeigen.»
Ganz andere Akzente setzte der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im
Bundestag, Johann Wadephul. Er verlangte ein sofortiges Ende der
Exit-Debatte in Schleswig-Holstein. «Wer vorzeitig den Ausstieg aus
den harten Regulierungen fordert, gefährdet Menschenleben und
verantwortet am Ende eine Verlängerung der Krise», sagte er. Zuvor
hatten die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli und
Landtagsfraktionschef Ralf Stegner für eine Exit-Debatte plädiert.
Der Anstieg der Neuinfektionen habe sich in Deutschland verlangsamt,
aber die Kurve zeige weiter nach oben, sagte Wadephul. «Wenn in China
zweieinhalb Monate restriktive Maßnahmen getroffen wurden und sich
erste Erfolge zeigen, kann man hier nicht schon nach drei Wochen
aussteigen wollen.»
SPD-Landeschefin Midyatli forderte eine Ausstiegsdiskussion mit einem
Expertenrat. Stegner befürwortete auf Facebook eine Debatte über eine
verantwortbare Exitstrategie. Alten- und Pflegeheime sowie Kliniken
müssten noch lange streng geschützt werden. Auch bei Kitas, Schulen,
Hochschulen, Hotels, Gastronomie, Einzelhandel, Dienstleistungen,
Freizeit und Sport werde es nicht von 0 auf 100 gehen können. «Aber
mit differenzierten Abstands- und Schutzregeln werden all diese und
andere Bereiche absehbar wieder allmählich hochgefahren werden, wenn
die Osterpause oder vielleicht der Maifeiertag vorbei sind.»
Ziel der Kontrollen sei es, Touristenströme an Nord- und Ostsee zu
unterbinden, um das Virus zu stoppen, sagte Günther. Polizisten
hatten am Wochenende viele Ausflügler aus Hamburg heimgeschickt.
Wegen der Pandemie dürfen keine Touristen ins Land einreisen.
«Autos, Motorräder - die dürfen im Moment nicht nach
Schleswig-Holstein fahren», sagte Günther. Dies werde auch Ostern
kontrolliert. Es dürften auch nicht Clubs mit 30 Radfahrern kommen.
«Das ist sogar in Hamburg verboten.» Es gebe in Sachen Kontrollen ein
gut abgestimmtes Miteinander. «Das Verhältnis zwischen Hamburg und
Schleswig-Holstein ist dadurch überhaupt nicht getrübt.»
Tschentscher sagte nach einem Telefonat, er sei mit Günther einig,
keine Menschen zu überprüfen, die nahe am Wohnort an der Landesgrenze
unterwegs sind. FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki kritisierte die
Abweisung von Fußgängern und Radfahrern im «Hamburger Abendblatt» a
ls
übertrieben und rechtswidrig. «Einzelne Jogger, Spaziergänger und
Radfahrer kann man nicht ernsthaft als Touristen bezeichnen und sie
stellen ja auch kein Problem dar», meinte der Kieler
FDP-Fraktionschef Christopher Vogt.
Laut Innenministerium ist für Zugewanderte und Flüchtlinge der Zugang
zu Ernte-Arbeiten in der Landwirtschaft ab sofort einfacher. Das
Ministerium und die Arbeitsagentur hätten die Verfahren beschleunigt.
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