Schlimmer als Lehman? Was Corona-Krise und Finanzkrise unterscheidet Von Friederike Marx und Jörn Bender, dpa

Das Coronavirus setzt der Weltwirtschaft mächtig zu. Wird alles noch
schlimmer als in der Finanzkrise 2008/2009? Hoffnung, dass der
Vergleich hinkt, macht manche Weichenstellung der vergangenen Jahre.

Frankfurt/Main (dpa) - Leere Straßen, geschlossene Läden,
ausgebremste Produktion: Die Corona-Pandemie legt das öffentliche
Leben lahm und trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. Ist die Krise
verheerender als der Einbruch 2008/2009? Immer wieder werden
Parallelen zur Finanzkrise gezogen - auch wenn damals das Leben der
meisten Menschen weiterhin in gewohnten Bahnen verlief.

«Die Kosten werden voraussichtlich alles übersteigen, was aus
Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte in
Deutschland bekannt ist», sagte der Präsident des Ifo-Instituts,
Clemens Fuest, über die aktuellen Lage. Der Chef des Münchner
Flughafens Jost Lammers stellte fest: «Die Auswirkungen der
Corona-Krise sind massiver als die Folgen der Anschläge vom 11.
September 2001 oder der weltweiten Finanzkrise von 2008.» Und der
Chef der staatlichen Förderbank KfW, Günther Bräunig, erklärte:
Mittlerweile sei absehbar, «dass das Ausmaß der Krise deutlich über
das hinausgeht, was wir aus der Finanzkrise kennen».

Gibt es Parallelen zwischen 2020 und der Finanzkrise? Oder hinkt der
Vergleich? Eine Einordnung:

URSACHEN: Anders als die von einem Virus ausgelöste aktuelle Krise
hatte die Finanzkrise ihren Ursprung im weltweiten Bankennetz - und
laxen Regeln. Erst finanzierten Geldhäuser über Jahre Zehntausenden
Amerikanern Häuser und Wohnungen - auch solchen, die sich ein Leben
auf Pump nicht leisten konnten. Die schlecht besicherten Kredite -
sogenannte Subprime-Hypotheken - bündelten findige Finanzjongleure zu
Päckchen und verkauften sie in großem Stil. Weil Ratingagenturen die
undurchschaubaren Wertpapiere mit Bestnoten adelten, interessierte
sich bald niemand mehr für deren riskanten Inhalt.

Die Blase platzte, als viele Kreditnehmer ihre Raten nicht mehr
zahlen konnten. Was im Frühjahr 2007 wie ein auf die USA begrenztes
Problem aussah, wuchs sich spätestens mit der Pleite der
US-Investmentbank Lehman Brothers am 15. September 2008 zu einer
weltweiten Bankenkrise aus. Banken mussten Milliardenverluste
verkraften, das Vertrauen in Geschäftspartner erodierte, etliche
Institute wurden mit Steuermilliarden vor dem Kollaps gerettet.

REAKTIONEN: Die Verwerfungen im Finanzsystem trafen die
Weltwirtschaft mit Wucht, nahezu alle Volkswirtschaften rund um den
Globus stürzten 2009 in eine Rezession, in Deutschland schrumpfte die
Wirtschaftsleistung um 5,7 Prozent. Für den noch jungen Euroraum
wurden die Jahre ab 2010 zur Zerreißprobe. Weil politische Rezepte
zunächst fehlten, wurden Zentralbanker zu den «Helden der Krise», wie

es die heutige EZB-Präsidentin und damalige IWF-Chefin Christine
Lagarde 2014 formulierte. US-Fed, Europäische Zentralbank (EZB) und
weitere Notenbanken senkten die Zinsen drastisch und pumpten
Milliarden in die Märkte, um ein Austrocknen der für Unternehmen und
Verbraucher so wichtigen weltweiten Geldströme zu verhindern.

Die Politik bemühte sich, Lücken bei der Überwachung von Banken zu
schließen und schärfere Regeln international festzuzurren. Doch das
dauerte. Immerhin: Vieles, was nach der Finanzkrise auf den Weg
gebracht wurde, erweist sich in der Corona-Krise als solides
Fundament. Banken müssen zum Beispiel deutlich mehr Eigenkapital
vorweisen, mit dem sie in Krisen Verluste abpuffern können. Die EZB
überwacht die großen Banken im Euroraum zentral und sollte die
Abwicklung einer maroden Bank nötig sein, gibt es auch dafür nun
europäische Regeln. Für Staaten zogen die Europäer als Rettungsnetz
den Euro-Rettungsschirm ESM ein und Notenbanken haben inzwischen
reichlich Erfahrung mit Notfallmaßnahmen wie Anleihenkäufen.

INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT: Die Finanzkrise katapultierte die G20
- die Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer - zum
zentralen Forum der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. 2008 kamen
erstmals auch die Staats- und Regierungschefs der G20 zusammen und
koordinierten ihr Vorgehen. Seit der Finanzkrise habe sich in diesem
Format gezeigt, «dass wir gemeinsam besser die weltweiten
wirtschaftlichen Probleme lösen können und Entwicklung überall
fördern können», bilanzierte später Bundeskanzlerin Angela Merkel.


Der gemeinsame Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie lief zögerlich
an. Selbst innerhalb der Europäischen Union schlossen Staaten im
Alleingang Grenzen. «Wir haben anfangs in den Abgrund geschaut»,
befand EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Inzwischen
arbeiten die Finanzminister der Eurozone mit Hochdruck an einem
Rettungsschirm für EU-Staaten. Von der Leyen verspricht Hilfen in
Milliardenhöhe. Streit um die richtigen Instrumente gibt es weiter.

Und die Staats- und Regierungschefs der G20 beschlossen kürzlich ein
gemeinsames Vorgehen. Was aber alles andere als einfach ist - auch
weil US-Präsident Donald Trump seit seinem Amtsantritt die
America-First-Strategie verfolgt und Chinesen sowie Europäer mit
Vorwürfen überzieht. Auch die Spannungen unter den G20-Partnern -
dazu gehören unter anderen die Türkei, Saudi-Arabien, Brasilien oder
Russland - haben zuletzt zugenommen.

STAATSVERSCHULDUNG: Konjunkturprogramme und Rettungsmilliarden für
Banken in der Finanzkrise ließen ohnehin schon gewaltige staatliche
Schuldenberge weiter wachsen - ein Problem vor allem für die
schwächeren Euro-Volkswirtschaften. Sie mussten immer höhere Zinsen
aufbringen, um frisches Geld am Kapitalmarkt zu bekommen, was die
Schulden weiter in die Höhe trieb. Für Griechenland, Portugal, Irland
und Zypern wurden internationale Hilfsprogramme aufgelegt - jeweils
gegen strenge Reform- und Sparauflagen der Geldgeber.

Auch in der Corona-Krise wird die Staatsverschuldung angesichts
billionenschwerer Rettungspakete, höherer Ausgaben für steigende
Arbeitslosigkeit und sinkender Steuereinnahmen steigen. «Im laufenden
Jahr werden die Staatsschulden angesichts der Coronavirus-Pandemie
stark zunehmen», erwartet die Bundesbank für Deutschland. Doch es
gibt einen entscheidenden Unterschied zur Finanzkrise: Die
Notenbanken feuern aus allen Rohren. Die Staatsanleihenkäufe der EZB
sicherten hochverschuldeten Eurostaaten den Zugang zum Kapitalmarkt,
argumentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

DAUER: Die Finanzkrise kündigte sich schleichend an. Auch nach
Bekanntwerden der neuartigen Lungenkrankheit in China Anfang dieses
Jahres gab es zunächst die Hoffnung, es bleibe regional begrenzt. So
zeigte sich etwa US-Notenbankchef Jerome Powell Ende Januar mit Blick
auf das globale Wachstum noch «vorsichtig optimistisch».

Hoffnung bereitet im Rückblick das schnelle Wiederanspringen der
deutschen Wirtschaft nach dem schweren Konjunktureinbruch 2009: Nur
ein Jahr später meldete sich Europas größte Volkswirtschaft
eindrucksvoll zurück, es folgte ein zehnjähriger Aufschwung. Ökonomen

rechnen aktuell mit einer ähnlichen Entwicklung: Die deutsche
Wirtschaft dürfte im kommenden Jahr wieder wachsen, weil die Krise
eine im Kern gesunde Volkswirtschaft trifft. Der Wirtschaftsweise
Volker Wieland fasst es so: «Es ist nicht wie in einem Krieg, wo der
Kapitalstock zerbombt wäre und die Arbeiter an der Front sind.»

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