Debatte über Mundschutzpflicht in Coronazeiten

In anderen Staaten gehören Menschen mit Mundschutz schon länger zum
Bild der Corona-Krise. Nun wird auch in Berlin darüber diskutiert,
die Rede ist sogar von einer Maskenpflicht. Doch woher nehmen?

Berlin (dpa/bb) - Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus wird in
Berlin über eine Pflicht zum Tragen von Mundschutz nach dem Vorbild
Österreichs diskutiert. Politiker von SPD und AfD plädierten am
Dienstag dafür, um Menschen besser vor der Übertragung von Sars-CoV-2
zu schützen. Auch die FDP hält das für vorstellbar, verwies aber
darauf, dass selbst einfachster Mundschutz für viele Menschen derzeit
nicht zu bekommen ist. Linke und Grüne sind gegen derartige
Zwangsmaßnahmen, wie sie als erste deutsche Stadt nun Jena plant.

Für den Senat ist die Frage noch kein Thema. Bei der Sitzung am
Dienstag sei darüber nicht gesprochen worden, sagte
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). «Ich würde frank und frei
sagen, solange es nicht ausreichend Schutzmasken überhaupt für das
Pflegepersonal gibt, für diejenigen, die mit potenziellen Corona-
Infizierten zu tun haben, solange das nicht gesichert ist, halte ich
eine Schutzmaskenpflicht für eine schwierige Angelegenheit.»

In einem Antrag für das Abgeordnetenhaus fordert die AfD-Fraktion
dagegen eine Vorschrift zum «Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in den
öffentlichen Räumen». Der Senat müsse alles für eine Verfügbark
eit
solcher Masken tun. «Damit können wir die Verbreitung des Virus nicht
stoppen, aber deutlich spürbar eindämmen», so der Sprecher für
Gesundheit der AfD-Fraktion, Herbert Mohr.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas
Isenberg, hält das für sinnvoll. «Ich verstehe sehr gut, dass
Österreich oder aber Kommunen wie Jena mit einer Maskenpflicht
vorpreschen. Das kann auch ein Vorbild für Berlin sein», sagte er am
Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen alles tun, um
Ansteckungsgefahren so gering wie möglich zu halten. Notfalls hilft
es, auch eine Stoffmaske zu tragen, um beispielsweise beim Einkaufen
andere vor Tröpfchen beim Sprechen oder Husten zu schützen.»

Aus Sicht des FDP-Gesundheitspolitikers Florian Kluckert ist eine
Mundschutzpflicht grundsätzlich sinnvoll, allerdings im Moment
schlecht umsetzbar. Denn Masken seien kaum zu bekommen. «Ich
appelliere dennoch an Menschen, die eine Maske oder einen Mundschutz
haben, diesen im Supermarkt, beim Arzt oder in der U-Bahn auch zu
tragen», sagte er der dpa.

Der Linke-Gesundheitspolitiker Wolfgang Albers dagegen hält eine
Maskenpflicht für alle für «unsinnig». Sinnvoll sei ein Mund-Nasen-

Schutz, wie auch das Robert-Koch-Institut betone, allenfalls für
Infizierte, um deren Ansteckungspotenzial zu reduzieren. «Zudem wäre
eine solche Anordnung öffentlich kaum durchsetzbar, logistisch kaum
zu bewältigen und von wem eigentlich zu bezahlen?», so Albers.

«Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Menschen eigenverantwortlich
und freiwillig als Zeichen der Solidarität und zum Schutz anderer
einfache Masken tragen», sagte eine Sprecherin der Grünen-Fraktion.
Professionelle Masken müssten aber dem medizinischen Personal
vorbehalten sein. Das sehen angesichts allgegenwärtigen Mangels in
Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheimen auch die anderen Fraktionen so.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte, er fände es gut, wenn
jeder und jede genau überlege, was er oder sie selbst dafür tun
könne, um andere Menschen zu schützen. «Aber im Augenblick gilt unser

ganzes Trachten, ausreichend Ausstattung, ausreichend Instrumentarium
da zu haben, um in den neuralgischen Feldern gewappnet zu sein, in
den Pflegeeinrichtungen, in den Flüchtlingsunterkünften und
dergleichen mehr. Das steht im Augenblick im Vordergrund.»

Der FDP-Abgeordnete Marcel Luthe verwies auf die Bedeutung einer
möglichen Maskenpflicht für das Hochfahren der wegen des Coronavirus
und der Ausgangsbeschränkungen weitgehend gestoppten Wirtschaft.
Gerade für kleinere Geschäfte könne das die Möglichkeit bieten,
wieder zu öffnen und der Insolvenz zu entgehen. Die derzeitigen
Ausgangsbeschränkungen müssten so verändert werden, dass Menschen mit

einer geeigneten Atemschutzmaske ausgenommen seien, forderte Luthe.

In der Debatte um Masken für alle geht es primär um einfachen
Mund-Nasen-Schutz. Den stellen in Berlin inzwischen Nähereien,
Theaterwerkstätten oder berufliche Schulen her, immer mehr Bürger
nähen sich selbst solche Stoffmasken. Ärzte, Krankenschwestern oder
Pfleger benötigen eigentlich professionellere Masken höherer
Schutzklassen, behelfen sich oft aber auch mit einfachen Modellen.

Das Robert Koch-Institut hält selbstgebastelte Masken zum Schutz
anderer Menschen für hilfreich. «Es hängt vom Material ab», schrä
nkte
RKI-Präsident Lothar Wieler ein. Doch auch ein selbstgebauter Schutz
halte Tröpfchen zurück, wenn man huste und niese. «Hingegen gibt es
keine hinreichende Evidenz dafür, dass das Tragen eines Mund-Nasen-
Schutzes das Risiko einer Ansteckung für eine gesunde Person, die ihn
trägt, signifikant verringert», schreibt das RKI auf seiner Webseite.

Deutlich zu unterscheiden sei einfacher Mund-Nasen-Schutz von den
virenabhaltenden Profi-Masken im medizinischen Bereich. Sie können
auch die Träger selbst vor Infektionen schützen.