Corona: Verbände sehen Mangel in Altenpflege - Mehr Infektionen

Die Wirtschaft kämpft. Die einen wollen Kurzarbeit, die anderen
hoffen auf mehr Arbeiter. Bei den Corona-Infektionen zeichnet sich
weiter keine Entspannung ab, darum will auch die Kirche den Menschen
in der Zeit ohne Sozialkontakte weiter den Rücken stärken.

Wiesbaden/Frankfurt (dpa/lhe) - Hilfe, Mangel, Not und Solidarität:
Die Corona-Krise beschäftigt weiter die Menschen, Betriebe und
Institutionen in Hessen. Die Zahl der bestätigten Erkrankungen stieg
auch am Donnerstag wieder.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) rief die Menschen
angesichts der strengen Kontaktregeln in der Corona-Krise zur Geduld
auf. Jetzt Versprechungen zu machen, «dass wir nach Ostern wieder ins
normale Leben zurückkehren, halte ich - zurzeit wenigstens - für
unverantwortlich».

In einer Videobotschaft bedankte er sich bei den Bürgern für das
Verständnis für die massiven Einschränkungen des öffentlichen Leben
s
und die Reduzierung der Kontakte mit Freunden und Familie. «Aber es
ist eine Zeit, die auch wieder vorbei geht.» Dies sei aber nötig, um
die Pandemie zu verlangsamen. Deshalb sollten die Vorgaben unbedingt
befolgt werden. Es gebe viel Solidarität in der Gesellschaft und eine
Vielzahl von Hilfsangeboten. «Das kann man nicht staatlich verordnen,
da kann man sich nur für bedanken.»

Die wichtigsten Themen des Tages zu Covid-19 im Überblick:

PFLEGEHIM UNTER QUARANTÄNE

Nach der Infektion einer Mitarbeiterin mit dem Coronavirus ist ein
Altenpflegeheim in Herborn unter Quarantäne gestellt worden. Derzeit
gebe es in der Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zehn
Verdachtsfälle, also Menschen, die sich ebenfalls mit dem Virus
Sars-CoV-2 infiziert haben könnten, teilte der Lahn-Dill-Kreis am
Donnerstagabend mit. Die Mitarbeiterin des DRK-Pflegeheims befinde
sich in häuslicher Isolation, und die Bewohner seien in ihren Zimmern
unter Quarantäne gestellt worden. Insgesamt leben nach Angaben einer
Sprecherin rund 30 Menschen in der Einrichtung. Unter den
Verdachtsfällen seien sowohl Mitarbeiter als auch Bewohner. Die
Testergebnisse stünden noch aus, hieß es. Eine der zehn betroffenen
Personen zeige bereits Symptome und sei am Donnerstag per
Isolationstransport in die Lahn-Dill-Kliniken nach Wetzlar gebracht
worden. Auch eine Mitarbeiterin sei ins Klinikum Wetzlar gebracht
worden.

MANGEL IN DER ALTENPFLEGE

Schutzausrüstung gegen das Coronavirus ist auch in der Altenpflege in
Hessen Mangelware. «Die Wohlfahrtsverbände in der Liga Hessen und der
Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste beklagen derzeit
einen gravierenden Mangel an Schutzausrüstung, der die Versorgung
alter und behinderter Menschen in der ambulanten und der stationären
Pflege akut gefährdet», erklärten die Verbände in Wiesbaden. Es feh
le
an Grundausstattung wie Desinfektionsmitteln, Einmalhandschuhen und
Schutzkitteln. Bei einem Covid-19-Verdacht seien zudem spezielle
Schutzmasken mit Filter, Schutzanzüge sowie Schutzbrillen nötig.
Zudem spiele die Altenpflege im Krisenmanagement der Landesregierung
bisher eine untergeordnete Rolle.

WEITER STEIGENDE INFEKTIONSZAHLEN

Die Zahl der bestätigten Corona-Infektionen ist in Hessen weiter
gestiegen. Das Sozialministerium in Wiesbaden meldete am Donnerstag
(Stand 14.00 Uhr) einen Anstieg um 261 Fälle im Vergleich zum Vortag
auf nun 2170. Die Zahl der Todesfälle, die auf den Erreger Sars-CoV-2
zurückgeführt werden, blieb der Statistik des Ministeriums zufolge
bei sechs. Hanau meldete später den Tod einer mit dem Coronavirus
Infizierten über 90-Jährigen, die in häuslicher Quarantäne lebte.

KONTROLLEN NUR BEI VERDACHT

Eine lückenlose Kontrolle von Passagieren am Frankfurter Flughafen
auf Corona-Infektionen ist nach Auskunft des Gesundheitsamts weder
möglich noch sinnvoll. Teilweise kämen die Einreisenden aus Ländern,

in denen es viel weniger Erkrankte als in Deutschland gebe, sagte Udo
Götsch vom Frankfurter Gesundheitsamt. Die Pandemie sei bundesweit in
eine Phase eingetreten, in der das Virus innerhalb des Landes
weitergegeben und nicht mehr von außen hinein getragen werde.
Kontrollen und Untersuchungen gebe es, wenn Verdachts- oder
Krankheitsfälle gemeldet würden.

KURZARBEIT BEI CONDOR

Die Ferienfluggesellschaft Condor will einen großen Teil ihrer
Belegschaft wegen der Corona-Krise in Kurzarbeit schicken. Mit den
Gewerkschaften seien für alle Berufsgruppen Vereinbarungen erzielt
worden, erklärte eine Sprecherin am Donnerstag in Frankfurt. Auch
habe man wie andere Fluggesellschaften auch zusätzliche Staatshilfen
beantragt. Der genaue Umfang der Kurzarbeit werde später festgelegt,
sagte die Sprecherin. Sie soll in allen Bereichen des Unternehmens
mit knapp 5000 Beschäftigten greifen.

COMMERZBANK WILL BEI HILFEN GENAU PRÜFEN

Die Commerzbank will bei Anträgen auf KfW-Corona-Hilfen trotz hohen
Tempos genau hinschauen. «Wir haben zusätzliche Ressourcen zur
Verfügung gestellt, um die Fülle der Anträge zu bearbeiten», sagte

der für Privat- und Unternehmerkunden zuständige Vorstand Michael
Mandel der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt. «Trotzdem müssen
wir jeden Kreditantrag sehr genau prüfen.» Firmenkundenchef Roland
Boekhout verwies auf die Risiken, die zumindest zum Teil nach wie vor
bei den Geschäftsbanken verbleiben. «Die 90-prozentige
Haftungsübernahme des Staates hilft natürlich bei der Bewilligung von
Krediten, aber sie ersetzt nicht die individuelle Risikoprüfung.»
Eine Komplettübernahme der Haftung würde den Prozess natürlich noch
beschleunigen

SORGE BEI KLINIKBETREIBER

Europas größter privater Klinikbetreiber Fresenius blickt mit Sorge
auf eine weitere Zuspitzung der Lage in der Coronavirus-Krise. «Ich
kann nicht garantieren, dass unser Personal und unsere Ausrüstung zum
Höhepunkt der Krise ausreichen werden», sagte Vorstandschef Stephan
Sturm der «Wirtschaftswoche». Er könne aber versichern, «dass wir
alles Menschenmögliche tun werden.» Die Entwicklung verlaufe «viel
dynamischer» als von ihm erwartet. In Deutschland betreibt der Bad
Homburger Konzern unter der Marke Helios 86 Krankenhäuser. In diesen
werde derzeit eine «niedrige dreistellige Zahl» an Patienten, die an
Covid-19 erkrankt sind, behandelt.

GELDER AUCH FÜR SPORTVEREINE

Von dem hessischen Soforthilfeprogramm im Kampf gegen die
Corona-Pandemie soll auch der Sport profitieren. «Hessen lässt seine
Vereine und Verbände in der aktuellen Situation nicht im Stich»,
erklärte ein Sprecher des Sportministeriums in Wiesbaden auf Anfrage.
Demnach sollen Soforthilfen für Sportvereine und Sportverbände
möglich sein, vor allem wenn die Existenz durch ausfallende Einnahmen
gefährdet ist. «Der Sport in Hessen und damit nicht nur der
Amateur-Fußball ist von den Auswirkungen des Corona-Virus sehr stark
betroffen», teilte das Sportministerium mit. Der Profi-Sport könne
alle Instrumente der Wirtschaftshilfe in Anspruch nehmen,
beispielsweise Bürgschaften oder Kurzarbeitergeld.

BAUERN HOFFEN AUF ARBEITER AUS DEUTSCHLAND

Nach dem Einreiseverbot für ausländische Saisonarbeiter setzen
Hessens Bauern ihre Hoffnungen auf inländische Arbeitskräfte. «Jede
helfende Hand ist willkommen», erklärte Bernd Weber, Sprecher des
Hessischen Bauernverbands am Donnerstag. Für den erfolgreichen
Einsatz von inländischen Erntehelfern seien Lockerungen der
bestehenden gesetzlichen Regelungen nötig. Ohne zusätzliche
Arbeitskräfte drohten bei Sonderkulturen wie Spargel, Kohl, Salat und
Möhren Engpässe und Preisanstiege.

KEIN ABI OHNE PRÜFUNG

Der hessische Philologenverband lehnt ein Abitur ohne
Abschlussprüfungen strikt ab. Sollte die Corona-Pandemie keine
Abiturprüfungen mehr zulassen, werde es aber sicher auch alternative
Lösungen geben, erklärte der Verbandsvorsitzende Reinhard Schwab in
Wiesbaden, ohne das zu konkretisieren. Kultusminister Alexander Lorz
(CDU) hatte zuvor betont, dass sich alle Schüler in Hessen sicher
sein können, dass ihnen in jedem Fall die Möglichkeit zur Erlangung
der allgemeinen Hochschulreife geboten werde. Nach derzeitigen
Planungen will Hessen seine Abiturienten trotz der Corona-Krise
weiter wie geplant bis zum 2. April schriftlich prüfen.

SOLIDARITÄT

Hessen nimmt 14 schwerkranke Covid-19-Patienten aus Italien und
Frankreich auf. Zehn Kranke stammen aus der hessischen Partnerregion
Emilia-Romagna in Italien und vier aus der französischen Region Grand
Est, wie die Staatskanzlei in Wiesbaden mitteilte. Zu der einmaligen
Aktion habe sich die Landesregierung auf Bitten von italienischer und
französischer Seite entschlossen. «In der Krise stehen wir zusammen»,

erklärte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). «In diesen schweren

Zeiten zeigt sich wahre Freundschaft.» Die Patienten sollen
landesweit auf mehrere Krankenhäuser verteilt und dort notmedizinisch
behandelt werden.

WOHNZIMMERANDACHT

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) startet an diesem
Freitag ein neues Format für Online-Gottesdienste in
Wohnzimmeratmosphäre. Neben den bestehenden Angeboten, Gottesdienste
in Kirchen via Internet zu empfangen, sollen nun unter dem Motto
«Living Room» jeden Freitag Wohnzimmer-Andachten angeboten werden,
teilte die EKHN mit. Der Titel sei in Zeiten der Kontaktsperre
bewusst ausgesucht worden. Dort sollen Menschen persönlich und
ermutigend erzählen, warum der christliche Glaube gerade in
herausfordernden Zeiten eine kostbare Kraft sein kann. Die Sendung
würde absichtlich freitags gesendet, um die Bildschirme für die
großen Fernsehgottesdienste frei zu halten.

KÜNDIGUNG VON ZEITKARTEN BEIM RMV

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) erleichtert die Kündigung von
Zeitkarten. Die Kündigungsfrist zum Monatsende sei von 20 auf 10 Tage
verkürzt worden, zudem würden keine Bearbeitungsgebühren mehr
erhoben, erklärte der RMV auf Anfrage. Über weitere Lösungen werde
beraten, die «sowohl die Lage der Fahrgäste als auch die
Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierung des öffentlichen
Nahverkehrs mit einbeziehen, der im Sinne der Daseinsvorsorge auch in
Corona-Zeiten weiterfährt», erklärte der RMV. Der nordhessische
Verkehrsverbund NVV dünnt derweil sein Angebot ab Samstag nochmals
aus, unter anderem bei der Kurhessenbahn zwischen Kassel und Korbach
sowie Brilon und Frankenberg.