Senat will Obdachlosen und Menschen ohne Geld in Coronakrise helfen

Die Coronakrise fordert alle Menschen gleichermaßen. Doch solche ohne
Geld oder Dach über dem Kopf haben es besonders schwer, den Gefahren
zu trotzen. Der Berliner Senat betont, auch ihnen beizustehen.

Berlin (dpa/bb) - Nach diversen Notprogrammen etwa für Unternehmen
oder Selbstständige will der Berliner Senat in der Coronakrise nun
auch sozial schwache Menschen unterstützen. Er beschloss dazu am
Dienstag Hilfen für Obdachlose, Mieter und Schuldner.

Für OBDACHLOSE werden Unterkünfte geschaffen, um sie besser vor dem
Virus zu schützen. Zunächst soll Platz für 350 Menschen bereitstehen,

wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) ankündigte. In einem
ersten Schritt soll demnach eine Jugendherberge mit 200 Plätzen in
der Kluckstraße in Tiergarten hergerichtet werden. Als zweiter
Standort ist die bisherige Kältehilfeeinrichtung in der Storkower
Straße in Pankow mit bis zu 150 Plätzen geplant. «Wir brauchen auch
für die Obdachlosen in dieser Stadt einen sozialen Rettungsschirm»,
sagte Breitenbach. «Das heißt konkret: dauerhafte Plätze in Zimmern,

hauptamtliche Sozialarbeitende, medizinische und psychologische
Beratung.»

WOHNUNGEN sollen wegen der Coronakrise in Berlin nicht mehr wegen
Mietrückständen geräumt werden. Auch Sperren wegen nicht gezahlter
Rechnungen für GAS, WASSER oder STROM soll es nicht mehr geben. Der
Senat beschloss, bei den städtischen Wohnungsgesellschaften dafür
Sorge zu tragen, dass diese bis auf Weiteres bei Mietrückständen
individuelle und kulante Lösungen vereinbaren, keine Kündigungen
wegen Zahlungsrückständen aussprechen und auch keine Räumungen
bewohnter Wohnungen vornehmen. Gleiches gilt für Gewerberäume. Der
Senat appellierte an die privaten Vermieter, ebenso zu verfahren.
Zuvor hatte der Bund angekündigt, den Kündigungsschutz bei
Mietrückständen für Wohn- und Gewerberäume deutlich auszuweiten.

Die BERLINER TAFEL wird bis auf weiteres vom Technischen Hilfswerk
unterstützt. Das THW stelle zwei Lastwagen nebst Fahrern zur
Verfügung, um Lebensmittel nicht zuletzt von Supermärkten abzuholen
und zur Tafel zu bringen, so Breitenbach (Linke). Auf diese Weise
solle die Versorgung bedürftiger Menschen sichergestellt werden, an
die die Tafel täglich Lebensmittel abgibt.

Bei der Durchsetzung der strengeren KONTAKTSPERRE stellte die Polizei
etliche Verstöße fest und zeigte sie an. Am Montagabend und in der
Nacht zu Dienstag waren es zwölf Ordnungswidrigkeiten wegen der
Nichteinhaltung der Kontaktbeschränkung, wie die Polizei mitteilte.
Die entsprechende Zahl zu den Verstößen am Montag tagsüber wurde noch

nicht bekanntgegeben. 300 Polizisten waren jeweils tagsüber und
nachts für Kontrollen im Einsatz. Dabei stellten sie am Dienstag
tagsüber auch 53 Verstöße von Imbissbesitzern und Bäckereien fest,

die Kunden in ihren Räumen essen ließen. 37 Lokale und Geschäfte
wurden geschlossen. In der Nacht entdeckten die Polizisten 64
Verstöße, 7 Lokale mussten schließen.

Die Gewerkschaft Verdi Berlin-Brandenburg forderte einen besseren
INFEKTIONSSCHUTZ für Mitarbeiter in der Pflege. «Außerhalb der
Kliniken fehlt es in vielen Pflegeeinrichtungen im Land, insbesondere
in der ambulanten Pflege, noch vollständig an der nötigen
Schutzausrüstung», beklagte Landesfachbereichsleiterin Meike Jäger.
«Das muss sich umgehend ändern. Alle Bereiche des Sozial- und
Gesundheitswesens müssen bei der Verteilung der Schutzausrüstungen
berücksichtigt werden.» Diese ist etwa auch in Arztpraxen knapp.

Die Präsident der Berliner Ärztekammer forderte eine bessere
KOORDINIERUNG aller Beteiligten in der Coronakrise. So sei derzeit
unklar, wo genau die 160 Ärzte, die bislang ihre Hilfe zur Behandlung
von Coronavirus-Patienten angeboten haben, gebraucht würden,
kritisierte Günther Jonitz im rbb-Inforadio. Trotz Kontakts zur
Gesundheitsverwaltung fehle ihm der Überblick, etwa über zuständige
Ansprechpartner bei der Senatsverwaltung oder im Krisenstab.

Kultursenator Klaus Lederer fordert für den Erhalt der KULTURSZENE
ähnliche Anstrengungen wie bei der Bankenkrise. «2008 war es binnen
weniger Tage möglich, mehrstellige Milliardenbeträge für die Rettung

von Banken bereitzustellen. Wenn das damals möglich war, dann muss es
jetzt möglich sein, diese existenzielle Kulturinfrastruktur zu
sichern», sagte der Linke-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
«Das ist das, worum wir hier kämpfen.»

Nach dem Einbruch der Passagierzahlen schickt die
FLUGHAFENGESELLSCHAFT Berlin Brandenburg ihre 2200 Mitarbeiter in
Kurzarbeit. Die kürzere Arbeitszeit solle Entlassungen vermeiden,
teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Die Flughafengesellschaft
werde das gesetzliche Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des
Nettoentgelts aufstocken, bei Alleinerziehenden auf 90 Prozent.

An den Berliner HOCHSCHULEN soll es trotz Corona zum Sommersemester
wieder Vorlesungen, Seminare und Prüfungen geben. Dazu wird an
digitalen Angeboten gearbeitet. «Die Hochschulen werden alles in
ihrer Macht Stehende organisieren, um für die mehr als 150 000
Studierenden kontaktlose Formate zu entwickeln und, wo möglich,
beginnend zum 20. April 2020 umzusetzen», sagte Christian Thomsen,
Präsident der Technischen Universität (TU) und Vorsitzender der
Landeskonferenz der Rektoren und Hochschulpräsidenten.

In Neukölln legten die zuständigen Behörden den geplanten Umzug von
170 FLÜCHTLINGEN in eine neue Unterkunft vorläufig auf Eis.
Angesichts der Kontaktsperre zur Eindämmung des Virus könne die
Unterkunft in der Gerlinger Straße in Neukölln vorerst nicht wie
geplant leergezogen werden, so die Sozialverwaltung. Dies wiederum
könnte Auswirkungen auf den sozialen Wohnungsbau haben: Denn auf dem
Gelände im Stadtteil Buckow sollen 900 kommunale Wohnungen entstehen.
Der Zeitplan dafür könnte nun ins Wanken kommen.