Berlin heruntergedimmt und leise - Wie läuft der neue Alltag?

Es sind oft die kleinen Gesten, die in der Corona-Krise die Menschen
zusammenrücken lassen. Auch Hilfe für Menschen und Unternehmen muss
nicht immer von oben organisiert sein.

Berlin (dpa/bb) - Menschen vereinzelt, Parks verwaist, Kinos und
Restaurants geschlossen, Kinder zu Hause. Auch die Hauptstadt läuft
wegen des Coronavirus nur noch auf Sparflamme. Macht Not die Berliner
erfinderisch, um klarzukommen? Die dpa hat Eindrücke und
Beobachtungen gesammelt.

NACHBARSCHAFTSHILFE:  Die beiden Studentinnen Katha und Vera haben
einen Zettel an einen Straßenbau in Friedenau geheftet. Sie bieten
an, für Ältere in der Nachbarschaft in die Apotheke zu gehen, Post
abzugeben oder einzukaufen - «damit Sie sicher zuhause bleiben
können». Die aufgedruckten Telefonnummern sind schon alle weg.

GUTSCHEINE: Für existenzbedrohte Gastronomen, Clubbetreiber,
Intendanten und Geschäftsinhaber ist private Hilfe auf einer neuen
Online-Plattform angelaufen. Seit Freitagabend wurden in den ersten
48 Stunden nach Angaben der Initiatoren Gutscheine im Wert von mehr
als 30 000 Euro verkauft. Damit solle Berliner Lieblingsorten
kurzfristig Liquidität verschafft werden. Die Gutscheine könnten
später eingelöst werden.

ALTERNATIVER STUNDENPLAN: Eine Mutter in Lichtenberg hat mit ihren
beiden Töchtern einen Plan erstellt, damit der Alltag nicht aus den
Fugen gerät. 8.00 Uhr Frühstück, dann Lernen, 12.00 Uhr Kochen, 15.00

Uhr Gärtnern auf dem Balkon. Die Fünfjährige, die noch nicht lesen
kann, fragt: «Wann ist wieder Balkon?»

EHRENAMTLICHES ENGAGEMENT. In Neukölln unterstützt das Bezirksamt
ehrenamtliches Engagement jetzt mit 10 000 Euro für Sachkosten.
Einwohner erledigten Einkäufe für Menschen, die nicht aus dem Haus
können oder führten Hunde Gassi. Finanziell unterstützt werden könn
e
damit etwa die Ausleihe von Lastenfahrrädern oder Mietautos, auch
Tankrechnungen könnten damit beglichen werden. Bezirksbürgermeister
Martin Hikel (SPD) teilte mit: «Trotz aller Einschränkungen ist
solidarische, nachbarschaftliche Hilfe möglich - und dringender denn
je.»

ÄRGER ÜBER MANGELNDEN ABSTAND: In einem Gartenmarkt in Mahlsdor
f hat
ein Verkäufer seinen Ärger über unvernünftige Kunden, die nicht
genügend Abstand halten, noch nicht ganz verdaut. Er habe schon
überlegt, einen Bestatter aus der Nachbarschaft um Visitenkarten zu
bitten. «Die verteile ich dann an die entsprechende Kundschaft»,
meinte er sarkastisch.

FREIWILLIGE HELFER: Der Berliner Arbeiter-Samariter-Bund will nun auf
einer Plattform freiwillige Helfer und Hilfesuchende zusammenbringen.
«Bitten melden Sie sich, wenn Sie helfen wollen oder aber Hilfe
benötigen», appellierte der Verein.

ATEMMASKEN AUS FARBIGEN STOFFEN: In einem Schöneberger Geschäft näht

Textilkünstlerin Pia Fischer Atemmasken aus farbigen Stoffen und
verkauft sie durch ein kleines Fenster nach draußen. «Damit ich meine
Miete zahlen kann», sagte die Ladeninhaberin. Die Schutzmasken seien
waschbar - das sei ihr wichtig. Eine Freundin, die in der Pflege
arbeitet, habe sie auf die Idee gebracht. Anderswo in der Stadt nähen
Frauen für Kinderkrebs-Kliniken bunte Schutzmasken.

BLUMEN ZUM ABHOLEN: Ein Blumenladen in Kaulsdorf ist trotz der
Schließung für seine Kunden da. Rosa Tulpen, Ranunkeln in blau und
rot sowie Iris standen vor dem Laden zum Abholen bereit - mit dem
Zettel «Bestellung». Auf einem Aufsteller war ein Appell zu lesen:
«Bitte unterstützen Sie uns und vor allem unsere Gärtnereien».

FALSCHE FLYER: Die Selbsthilfeplattform «quarantaenehelden.org» hat
sich von Flyern distanziert, auf denen Hilfe von jungen Menschen
angeboten wird, die sich angeblich nicht mit dem Coronavirus
infizieren könnten.

KRISENHOTLINE Der Kreisverband Müggespree des Deutschen Roten Kreuzes
hat unter 030 989 3090 eine Krisenhotline eingerichtet. Damit sollen
Menschen erreicht werden, die sich im Umgang mit den neuen Medien
unsicher fühlten oder diese nicht nutzten, aber Hilfe brauchten,
teilte der Verband mit.