Corona und Fitness - kreative Lösungen halten Einzug ins Wohnzimmer Von Anja Sokolow, dpa

Bauch-Beine-Po, Yoga oder Zumba: Wer früher gern im Fitnessstudio
trainierte, muss jetzt auf die eigenen vier Wände oder andere Orte
umsteigen. Während Fitness-Trainer sich um ihre Existenz sorgen,
brechen für App-Anbieter gute Zeiten an.

Berlin/Hamburg (dpa) - Die Sporttasche packen und ab ins
Fitnessstudio - für Freizeitsportler ein gewohntes Ritual, das seit
wenigen Tagen plötzlich wegfällt. Sporthallen und Fitnessstudios sind

wegen Corona geschlossen. Doch es gibt Alternativen: «Die Branche war
schon ab dem ersten Tag der Zwangsschließung aktiv und versucht ihren
Mitgliedern dennoch eine Leistung anzubieten - beispielsweise durch
Online-Kurse, Ernährungspläne oder Gutscheine für die Zeit nach der
Schließung», berichtet der Sprecher des Deutschen
Sportstudio-Verbandes, Alexander Wulf.

Auch Personal Trainer versuchen, das Beste aus der Situation zu
machen. «Für uns ist es ein starker Einschnitt. Wenn man plötzlic
h
nur noch ein Drittel der früheren Einnahmen hat, macht sich das
deutlich bemerkbar», sagt Patricio Escher, Fitnesstrainer und
Physiotherapeut aus Berlin.

Escher, der vor Corona die Kunden im eigenen Studio betreute,
versucht sie jetzt per Skype zu trainieren. Doch nicht jeder sei
bereit dazu, seine Squads (Übung für Beine und Po) und Crunches
(Bauchmuskel-Training) ohne persönliche Anleitung von Mensch zu
Mensch zu absolvieren. «Etwa 50 bis 60 Prozent der Kunden fallen
aus», berichtet seine Partnerin Daniela Dobner, mit der er das Studio
im Prenzlauer Berg betreibt. 

Auch für andere Kollegen sei die Situation hart. «Eine befreundete
Yogalehrerin hat am Telefon geweint, weil ihr plötzlich alle Aufträge
wegbrechen und sie um ihre Existenz bangt, so Escher. Man müsse
deshalb jetzt nach anderen Lösungen suchen. Wie viele andere
Fitness-Trainer stellen Dobner und Escher nun auch Videos online oder
trainieren gemeinsam mit ihren Fans via Instagram oder auf anderen
Plattformen.

Nutzer von solchen Angeboten freut das, wie zum Beispiel eine
Zumba-Tänzerin aus Berlin-Kreuzberg: «Für den Teilnehmer sind es
jetzt goldene Zeiten. Man kann quasi rund um die Uhr tanzen, wenn man
in den sozialen Netzwerken mit Trainern in aller Welt verbunden ist»,
so die fitnessbegeisterte Berlinerin, die gerade mit einer Trainerin
aus Madrid trainiert hat.

Das Trainieren zu Hause habe aber nicht nur Vorteile: «So viele
Möglichkeiten hatte ich noch nie. Doch dafür ist man alleine», sagt
die Kreuzberger Zumba-Tänzerin, die sonst das Tanzen in großen
Gruppen bei lauter Musik genießt. 

Viele Trainer erhalten sich mit kostenlosen Angeboten ihre
Kundschaft. Doch wie lange ist das durchzuhalten? «Wir bitten unsere

Nutzer um Spenden», sagt Daniela Dobner.   

Über Online-Trainings am Ball bleiben, das sollen möglichst auch die
Kunden von größeren Studio-Ketten: Bei «Mrs Sporty» beispielsweise

können sich Kundinnen melden, um vor dem Bildschirm zu Hause weiter
zu trainieren. Auch Fitness First bietet Workouts für Zuhause an. Die
Kette McFit empfiehlt ihren Kunden die ebenfalls zur
Unternehmensgruppe gehörende App «Cyberobics».

Der Anbieter aus Berlin gewährt derzeit auch allen anderen
Trainierwilligen einen kostenlosen Zugang zu der App: «Wir glauben
daran, dass es gerade in Extremsituationen wichtig ist, sich ein
Stück Normalität zu bewahren und etwas für sich zu tun», erklärt

Geschäftsführer Oliver Schulokat. 

Bei «Cyberobics» können sich die Kunden auch bei Live-Kursen
zuschalten. «Hier sind die Einschaltquoten jetzt sehr stark
gestiegen», berichtet Patricio Escher, der auch für dieses
Unternehmen arbeitet. Eine deutlich erhöhte Nachfrage registriert
auch die Plattform «IAMSTRONGER Hero Club»: «Seit dem 15. März
- also
exakt seit der Schließung der Fitness-Studios in Deutschland - haben
wir täglich über hundert neue Anmeldungen», berichtet PR Managerin
Elisa Brunke.  

«Als Konkurrenz betrachten wir die Fitness-Apps nicht, gerade in der
jetzigen Situation», sagt Alexander Wulf vom Sportstudio-Verband
DSSV. Sie böten eine willkommene Alternative, um sich auch in dieser
Zeit fit zu halten und möglichst gesund zu bleiben. 

Ganz auf Sport zu verzichten ist aus Sicht des Sportpsychologen Jens
Kleinert nämlich keine Option: «Man weiß aus vielen Studien, dass
Sport und Bewegung einen positiven Einfluss auf Stimmung und
körperliches Wohlbefinden haben.» Gerade in unsicheren Zeiten wie
jetzt, in denen viele Menschen unter Stimmungsschwankungen litten,
spiele die Bewegung eine wichtige Rolle, so der Professor von der
Deutschen Sporthochschule in Köln.

Es müsse auch nicht immer unbedingt ein Workout zu Hause sein. «Noch

dürfen wir ja auch an die frische Luft gehen - zum Spazieren oder
Joggen.» Wichtig sei es, sich einfach regelmäßig zu bewegen.