Ausgangssperre, Ausgangsbeschränkung, Betretungsverbot - was nun? Von Ruppert Mayr und Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Die Länder greifen zu unterschiedlichen Einschränkungen für Bürger
im
Kampf gegen die Corona-Epidemie. Die Maßnahmen sind nicht genau
festgelegt. Doch das schützt nicht vor Strafe.

Berlin (dpa) - Manche haben offensichtlich den Knall noch nicht
gehört. Hängen weiter in Gruppen in Parks oder auf öffentlichen
Plätzen rum, suchen geradezu den sozialen Kontakt, während die Zahl
der mit dem gefährlichen Coronavirus Infizierten von Tag zu Tag
drastisch steigt. Alle Warnungen von Bundes- und Landesregierungen
scheinen nicht richtig zu fruchten. In den besonders betroffenen
Regionen bleibt der Politik gar nichts anderes übrig, als darauf mit
massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens zu reagieren.

Die Mittel der Wahl sind unterschiedlich: Ausgangssperre,
Ausgangsbeschränkung, Betretungsverbot sind im Gespräch. Und ihre
Definition ist in aller Regel Auslegungssache, weil sie juristisch
nicht eindeutig festgelegt sind. Was in der einen Region
Ausgangssperre genannt wird, heißt in der anderen Betretungsverbot.
Schon kommt Kritik am Föderalismus auf. Beklagt wird die mangelnde
Klarheit und Einheitlichkeit der Maßnahmen.

Doch die Unterschiede der Maßnahmen haben insofern auch ihre
Berechtigung, als die Regionen unterschiedlich stark betroffen sind.
Wenn im Landkreis Tirschenreuth 47 Corona-Infizierte registriert
werden und allein 25 davon in Mitterteich, kann man schon mal darüber
nachdenken, ob hierauf nicht direkt reagiert werden muss - mit einer
«Ausgangssperre». Und wenn nach dem Karneval im Raum Heinsberg
besonders viele Corona-Infizierte registriert werden, muss auch dort
angemessen reagiert werden, ohne gleich das ganze Land unter
Quarantäne zu stellen.

Saarland, Nordrhein-Westfalen, Bayern oder Baden-Württemberg sind
unter den besonders betroffenen Bundesländern, zumal sie an den
Grenzen zu Hochrisikoregionen der Nachbarstaaten Frankreich oder
Italien liegen. Es ist nachvollziehbar, dass die dortigen Regierungen
einen besonderen Handlungsdruck verspüren und nicht darauf warten
wollen, bis die übrigen Bundesländer auch soweit sind.

Hinzu kommen natürlich auch unterschiedliche Temperamente der
Regierungschefs. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) agiert
beim Thema Ausgangssperre offensiver als NRW-Regierungschef Armin
Laschet (CDU), der eher auf der zurückhaltenden Linie von
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt, die wohl nach Möglichkeit
eine massive Einschränkung der Bürgerrechte vermeiden will. Aber
Ausgangsbeschränkungen gibt es in jedem Fall.

AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN: Der Begriff klingt relativ harmlos, kann aber
am weitesten gefasst werden. Dahinter kann ein Appell stehen, nur
noch die nötigsten Besorgungen außer Haus zu machen bis dahin, dass
das Verlassen der eigenen Wohnung nur noch bei Vorliegen triftiger
Gründe erlaubt wird. Dazu zählen unter anderem der Weg zur Arbeit,
notwendige Einkäufe oder Arzt- und Apothekenbesuche.

AUSGANGSSPERRE: Wenn die triftigen Gründe nachgewiesen werden müssen

mit entsprechenden Zertifikaten oder Ausweisen, ist die Einschränkung
schon erheblich. Hier geht die Ausgangsbeschränkung wohl über in eine
Ausgangssperre. Allerdings unterscheidet sich diese Form von
Ausgangssperre wiederum von solchen Ausgangssperren, wie sie in
Konflikt- und Kriegsregionen zeitlich begrenzt üblich sind, also etwa
einer Nachtausgangssperre, bei der die Bürger von 18.00 Uhr bis 6.00
Uhr tatsächlich das Haus nicht mehr verlassen dürfen.

In Bayern soll man in den nächsten Tagen und Wochen einen Grund
angeben, weshalb man sich außer Hauses bewegt. Allerdings sollen
neben dem Weg zur Arbeit, notwendigen Einkäufen, Arzt- und
Apothekenbesuche, auch die Hilfe für andere, Besuche von
Lebenspartnern, sowie Sport und Spaziergänge erlaubt sein. Das klingt
nicht nach Ausgangssperre wie in Italien, Frankreich oder Spanien,
eher noch nach Ausgangsbeschränkungen.

BETRETUNGSVERBOT: Die Ausgangsbeschränkung, die Freiburg verhängt,
wurde auch als Betretungsverbot bezeichnet. Öffentliche Orte dürfen
nicht mehr in größeren Gruppen betreten werden. Wobei wiederum die
Bestimmung öffentlicher Orte relativ offen bleibt. Ist es schon die
öffentliche Straße oder erst der Park oder der Bolzplatz um die Ecke.

Ob man sich am Sonntag bei der Schaltkonferenz der Kanzlerin mit den
Ministerpräsidenten vielleicht doch noch auf bundesweit einheitliche
weitreichende Ausgangsbeschränkungen einigen wird, hängt im Prinzip
von zwei Dingen ab: Wie viele Menschen bundesweit am Samstag in Parks
und an anderen öffentlichen Orten in Gruppen zusammen stehen oder
sitzen und die Steigerungsrate der Neu-Infektionen. Was auch immer
Bund und Länder für Einschränkungen beschließen, immer stellt sich
-
neben all den Problemen, die die Krise für Wirtschaft und
Arbeitsmarkt bringt - die Frage: Was kann man den an maximale
Freizügigkeit gewöhnten Bundesbürgern wie lange zumuten?

BEWEGUNGSFREIHEIT: Denn nach dem Grundgesetz Artikel 11 scheint die
Bewegungsfreiheit erstmal grenzenlos: «Alle Deutschen genießen
Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.» Ausnahmen: Fälle, «in denen
es
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die
freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines
Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder
besonders schweren Unglücksfällen (.) erforderlich ist», darf die
Bewegungsfreiheit gesetzlich eingeschränkt werden.

Unklarheit der Begriffe und Auslegungsfreiheit schützen indessen
nicht vor Strafen bei Verstößen. Im Fall der Corona-Epidemie ist der
Paragraf 28 des Infektionsschutzgesetzes zentral für die Ahndung von
Verstößen. Dort kommt der Begriff «Ausgangssperre» zwar nicht vor,

allerdings finden sich dort Regelungen, auf die sich die
Länderbehörden stützen könnten.

Nach diesem Paragrafen kann eine Behörde «Personen verpflichten, den
Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr
bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen
durchgeführt worden sind». Bei Zuwiderhandlung drohen eine
Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder empfindliche Geldstrafen.
Ein Verstoß gegen eine verhängte Quarantäne für infizierte Personen

kann als Ordnungswidrigkeit gewertet und mit bis zu 25 000 Euro
geahndet werden.