Hessen spannt milliardenschweren Corona-Rettungsschirm

Finanzminister Schäfer sieht den Kampf gegen die Folgen des
Coronavirus als «Jahrhundertaufgabe» und kündigt ein Hilfspaket an.
Die Krise hat auch Folgen für den Hessentag - die 60. Ausgabe des
Landesfests fällt aus.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Im Kampf gegen die Corona-Krise will Hessen
einen milliardenschweren Rettungsschirm spannen und der Wirtschaft
unter die Arme greifen. Zunächst sollen 7,5 Milliarden Euro
bereitstehen, sagte Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) am Donnerstag
in Wiesbaden. Wenn es die Situation erfordere, werde der Betrag
aufgestockt. Die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem
Covid-19-Erreger stieg im Bundesland unterdessen nach Angaben des
Sozialministeriums auf 740.

DER RETTUNGSSCHIRM

Nach den Plänen des Landes sind zunächst eine Milliarde Euro
Soforthilfe «für die Bewältigung der gesundheitlichen, sozialen und
ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie» vorgesehen. Die Wirtschaft
soll darüber hinaus mit schnellen steuerlichen Hilfen von bis zu 1,5
Milliarden Euro entlastet werden. Außerdem will das Land seinen
Garantie- und Bürgschaftsrahmen um 3,5 auf 5 Milliarden Euro erhöhen.
«Wir möchten damit schnell und unbürokratisch den Unternehmen in
unserem Land - von klein bis groß - notwendige Liquidität zur
Verfügung stellen», erläuterte Schäfer.

Für den kommenden Dienstag ist geplant, dass der Landtag den nötigen
Nachtragshaushalt im Schnellverfahren verabschiedet. Dafür muss auch
die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Dies bedarf nach bisheriger
Regelung einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag. Die oppositionellen
Fraktionen von SPD, Linke und FDP haben bereits ihre Zustimmung
signalisiert.

«Das ist in der Tat eine historische, wahrscheinlich eine
Jahrhundertaufgabe, die wir vor der Brust haben. Die wir auch im
Moment in den Dimensionen noch nicht abschließend einschätzen
können», sagte der Finanzminister. «Eine Volkswirtschaft, die
sozusagen von jetzt auf gleich in eine Vollbremsung versetzt wird,
ist natürlich im Schockzustand.»

DAS ABITUR

Die Abiturprüfungen sind in Hessen trotz der Coronakrise ohne große
Probleme angelaufen. «Wir sind zufrieden mit dem Start», sagte ein
Sprecher des Kultusministeriums. Die Vorgaben zur Hygiene und den
Sicherheitsabständen zwischen den Schülern seien insgesamt umgesetzt
worden. Landesweit sind rund 23 500 Abiturienten am Start. Regulärer
Unterricht wird derzeit nicht mehr erteilt. Der Philologenverband und
der Landeselternbeirat erklärten, in ihren Organisationen gebe es
eine heterogene Einschätzung der Lage. Es gebe viele Befürworter,
aber auch viele Sorgen. Wie in der gesamten Gesellschaft gebe es auch
unter den Schülern einen Teil, der die Situation nicht angemessen
ernst nehme, sagte Landesschulsprecher Paul Harder.

CORONA UND DER HESSENTAG

Wegen der Corona-Pandemie ist der in Bad Vilbel geplante Hessentag
abgesagt worden. «Angesichts der weltweit und in Deutschland sehr
dynamischen und ernstzunehmenden Situation aufgrund des Coronavirus
ist eine planvolle Umsetzung in der letzten Phase nicht zu
gewährleisten», teilten die Stadt und die Staatskanzlei am Donnerstag
mit. Die 60. Auflage des Landesfests war für den 5. bis 14. Juni
geplant. Bad Vilbel soll nun den nächsten offenen Termin im Jahr 2025
erhalten.

Für den Zeitraum Anfang Juni könne heute noch keine abschließende
Einschätzung gegeben werden. «Daher hat sich die Stadt Bad Vilbel in
enger Abstimmung mit dem Land Hessen entschieden, den Hessentag in
diesem Jahr abzusagen», wurden Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr

und Staatskanzlei-Chef Axel Wintermeyer zitiert.

DER ALLTAG

Auf der sonst so belebten Bergerstraße in Frankfurt war es am
Donnerstag ein bisschen ruhiger als die Tage zuvor. Auch im nahen
Günthersburgpark saßen nur einzelne Menschen mit gebührendem Abstand.

Das Parkcafé war geschlossen, die Spielplätze mit Flatterband
abgesperrt. Viele Menschen nutzten die Gelegenheit, im Garten zu
arbeiten oder den Keller zu entrümpeln. Der Entsorger FES beklagte,
die Wertstoffhöfe erlebten einen enormen Ansturm.

Nach der landesweiten Schließung von Geschäften, Kneipen und
Freizeiteinrichtungen begannen Städte in Hessen mit ersten
Kontrollen. Mitarbeiter der Ordnungsbehörden überprüften, ob die
Verordnung auch umgesetzt wird. Wie eine Stichprobe der Deutschen
Presse-Agentur ergab, wurden dabei vereinzelt Läden
zwangsgeschlossen. Auf die Verhängung von Bußgeldern verzichteten die
Kommunen jedoch zunächst.

CORONA-VORSORGE BEI POLIZEI UND VERWALTUNG

Wegen der Corona-Krise fährt die Frankfurter Polizei ihr
Einsatzpersonal herunter. Die Zahl der im Dienst befindlichen Beamten
werde auf das Notwendigste reduziert, «ohne dabei die
Einsatzfähigkeit nachhaltig zu schwächen», teilte das
Polizeipräsidium mit. Die Rathäuser in Hessen sollen im Kampf gegen
die Ausbreitung des Coronavirus den Publikumsverkehr nach Empfehlung
des Städte- und Gemeindebundes auf das «absolut notwendige Minimum»
reduzieren.

JUGENDHERBERGEN GESCHLOSSEN

Die Corona-Krise hat auch die hessischen Jugendherbergen voll
erwischt. Alle 30 Häuser in dem Bundesland sind am Donnerstag
geschlossen worden, wie der Landesverband mitteilte. Die Schließung
soll vorläufig bis zum 19. April dauern. «In den nächsten Tagen gilt

es nun für uns, faire und gute Lösungen für unsere Gäste zu finden,

die im Schließungszeitraum einen Aufenthalt in unseren Häusern
geplant hatten», teilte der Vorsitzende des DJH-Landesverbandes, Timo
Neumann, mit.

CORONA UND KRIMINALITÄT

Betrüger haben in Südhessen die Angst vor dem Coronavirus für eine
neue Variante des Enkeltricks genutzt. Keiner der Angerufenen sei
aber auf die Täuschung reingefallen, teilte die Polizei mit. Die
Anrufer hatten bei ihren Telefonaten mit zwei älteren Frauen in
Mörfelden-Walldorf am Mittwoch vorgegeben, deren Verwandte seien mit
dem Virus infiziert und benötigten dringend Geld für ein neues
Medikament. Zudem wurden in Büttelborn Senioren per Telefon
angeboten, für sie einkaufen zu gehen. Im Laufe des Gesprächs
forderten die Betrüger Geld, das sie angeblich verloren hatten.

CORONA UND FLÜCHTLINGE

Nach Auskunft des Gießener Regierungspräsidiums ist erstmals bei
einem Bewohner einer hessischen Erstaufnahmeeinrichtung eine
Infektion mit dem Covid-19-Erreger festgestellt worden. Es handele
sich um einen 24-jährigen Afghanen, der am Dienstag in Gießen
angekommen sei. Unterdessen teilte das Innenministerium mit, dass
Abschiebungen aus Hessen wegen der Corona-Krise nicht pauschal
ausgesetzt werden. «Ob die Rückführung eines Untergebrachten aktuell

durchgeführt wird oder nicht, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab»,
erklärte ein Sprecher.