Rechtsprechung in Zeiten der Pandemie - die Justiz und das Virus Von den dpa-Korrespondenten
Eine Ausbreitung von Coronaviren in Gefängnissen? Das will man sich
nicht vorstellen. Bundesländer treffen deshalb Vorkehrungen,
schränken Besuche für Häftlinge ein. Und auch im Gerichtsbetrieb
ändert das Coronavirus so einiges.
Berlin (dpa) - Die Coronavirus-Krise stellt auch Gerichte und
Gefängnisse auf eine Belastungsprobe. Vorkehrungen zur Verlangsamung
der Ausbreitung des Coronavirus verzögern den Betrieb. «Es ist
richtig, den Zugang zu den Gerichten jetzt auf das absolut notwendige
Minimum herunterzufahren, um die Gesundheit aller Beteiligten zu
schützen», erklärten die Co-Vorsitzenden des Deutschen Richterbunds
(DRB), Barbara Stockinger und Joachim Lüblinghoff, am Mittwoch in
Berlin. Die Justiz werde ihre Kernaufgaben aber erfüllen können,
versicherten sie. Ein Überblick zur Lage in einigen Ländern:
In BAYERN sollen nach dem Willen des Justizministeriums derzeit nur
noch «in eiligen und dringenden Fällen» Verhandlungstermine
stattfinden. Zu einem Eklat kam es in München: Dort zeigte ein Anwalt
einen Richter des Landgerichtes München I wegen versuchter
Körperverletzung an, weil er trotz der aktuellen Corona-Pandemie auf
einer Verhandlung bestand. Das Landgericht Regensburg, an dem mehrere
wichtige Prozesse laufen, will den Betrieb hingegen weitgehend
aufrechterhalten - aber unter Auflagen: Im Saal muss jeder zweite
Stuhl frei bleiben und es sollen Fieberthermometer zur Kontrolle am
Einlass beschafft werden.
In mindestens zwei Fällen wurden in HESSEN Prozesse wegen der
Pandemie verschoben. Generell müssten die Gerichte selbst
entscheiden, hieß es. An vielen Gerichten wird allerdings nur noch im
Ausnahmefall mündlich verhandelt. Verfahren ohne mündliche
Verhandlung finden hingegen in der Regel weiterhin statt. Auch Klagen
und Schriftsätze können den Angaben der Gerichte zufolge eingereicht
und bearbeitet werden. Staatsanwaltschaften und Gerichte sollen aber
nach Möglichkeit zunächst telefonisch kontaktiert werden. Bei einer
Verhandlung vor dem Landgericht Wiesbaden um einen Mordversuch mit
vergifteter Nudelsuppe saßen Richter und Schöffen mit möglichst
großem Abstand voneinander.
Auch HAMBURGS Justiz fährt die Arbeit zum Schutz von Beschäftigten
und Betroffenen herunter. Strafsachen und dringliche Fälle etwa zu
Stromsperrungen, Wohnungsräumungen oder Inobhutnahmen liefen weiter,
sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne) am Mittwoch. «Dafür werden
andere Verfahren zurückgestellt werden müssen», sagte Steffen. Er
nannte etwa über Jahre laufende Bauprozesse, bei denen Urteile nun
länger dauern könnten. Insgesamt solle die Zahl der mündlichen
Verhandlungen auf das Nötigste reduziert werden. Auch die
Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen, zum Beispiel wenn ein
Schwarzfahrer seine Geldstrafe nicht zahlen kann, wird in den meisten
Fällen zunächst befristet aufgeschoben.
Die Justiz in BADEN-WÜRTTEMBERG fährt die Arbeit in Gerichten und
Gefängnissen ebenfalls so weit wie möglich herunter. Häftlinge dürf
en
bis auf Weiteres nicht mehr besucht werden, es werden nur noch
wichtige Prozesse verhandelt und die meisten Angestellten und Beamten
nach Hause geschickt, wie Justizminister Guido Wolf (CDU) in
Stuttgart ankündigte. Als Ausgleich für die fehlenden Besuche sollen
die Häftlinge länger telefonieren dürfen.
In NORDRHEIN-WESTFALEN fährt die Justiz den Betrieb auf das zwingend
notwendige Maß herunter und schränkt den Publikumsverkehr ein. Der
interne Dienstbetrieb soll aber aufrechterhalten werden. Darauf
verständigten sich das Justizministerium und Vertreter von Behörden
und Gerichten am Dienstag. Per Erlass gibt das Ministerium vor, dass
Verhandlungen nur durchgeführt werden, wenn sie keinen Aufschub
dulden, wie zum Beispiel bei Haftsachen. Wer Symptome einer
Covid-19-Erkrankung zeige, dem dürfe der Zutritt zum Gericht verwehrt
werden. Das gilt auch für Besucher, die zuletzt Risikogebiete besucht
haben.
Als Vorsichtsmaßnahme gegen das neuartige Coronavirus werden
Neuzugänge in den Gefängnissen MECKLENBURG-VORPOMMERNS separat
untergebracht. Besuche sollen bis auf weiteres mit Trennwänden
stattfinden. Sie können auch untersagt werden, wenn dies aus
medizinischen Gründen geboten erscheine. Besucher würden befragt, ob
sie aus Risikogebieten kommen oder vor kurzem dort waren.
Zur Entlastung der Justizvollzugsanstalten angesichts der Coronakrise
sollen in NIEDERSACHSEN vorerst keine Ersatzfreiheitsstrafen mehr
angetreten werden. Diese Regel gelte zunächst für einen Zeitraum von
drei Monaten, teilte das Justizministerium mit.
Das Bundesjustizministerium will übrigens verhindern, dass laufende
Strafprozesse wegen der Coronavirus-Einschränkungen platzen. Man
arbeite an einer Regelung, die eine Pause in Strafprozessen von
maximal drei Monaten und zehn Tagen gestattet. Bisher sind höchstens
drei Wochen oder - wenn es mehr als zehn Verhandlungstage gab - ein
Monat Pause vorgesehen.
Zudem will das Bundesverfassungsgericht bis Ende April keine großen
Verhandlungen und Urteilsverkündungen mehr ansetzen. Ausgenommen
seien unaufschiebbare Angelegenheiten, teilte das höchste deutsche
Gericht in Karlsruhe am Mittwoch mit. Die Arbeit in den Kammern sei
sichergestellt, weil die Richterinnen und Richter auch von zu Hause
aus arbeiten könnten.
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