Erste Ausgangssperre und neues Infektionsschutzgesetz in Bayern Von Elke Richter, dpa
Es wird immer drastischer: Die erste Stadt in Bayern verhängt den
Ausnahmezustand. Die Staatsregierung sichert sich weit reichende
Kompetenzen. Das öffentliche Leben fährt immer mehr runter -
Fußballprofi Boateng hat aber ein Rezept gegen Langeweile.
München (dpa/lby) - Der Ausnahmezustand in Bayern nimmt immer größere
Ausmaße an. In Mitterteich in der Oberpfalz gilt erstmals im
Freistaat eine Ausgangssperre. Die Staatsregierung bringt ein neues
Infektionsschutzgesetz mit weit reichenden Befugnissen auf den Weg.
Die Prüfungen der rund 35 000 Abiturienten in Bayern werden um
mehrere Wochen verschoben.
Die Autokonzerne BMW und Audi fahren die Produktion runter. Wer durch
die Coronavirus-Krise in finanzielle Schieflage geraten ist, darf
fällige Steuerzahlungen zinsfrei stunden.
Mindestens 1798 Menschen wurden im Freistaat inzwischen positiv auf
Sars-CoV-2 getestet, sieben von ihnen starben. Potenziell Infizierte
müssen bis zu einer Woche auf ihr Testergebnis warten.
Die vom Landratsamt Tirschenreuth verhängte Ausgangssperre für die
6500-Einwohner-Stadt Mitterteich soll bis 2. April dauern. Damit
werden auch Ausgangssperren in anderen Orten wahrscheinlicher. Auch
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sie erst am
Mittwochmorgen erneut nicht ausgeschlossen. «Wir machen alles, was
zeitlich angemessen ist.»
Die Ausgangssperre in Mitterteich bedeutet nach Angaben des
Gesundheitsministeriums: Die Bürger sollen das Haus oder die Wohnung
unter anderem nur für unaufschiebbare Arztbesuche, zum Arbeiten oder
zum Einkaufen verlassen.
Laut Bürgermeister Roland Grillmeier handele sich um eine zusätzliche
Vorsorgemaßnahme aufgrund der hohen Fallzahlen in Mitterteich und im
Landkreis Tirschenreuth. «Denkt an Eure Gesundheit und die Eurer
Mitmenschen und nehmt die Bitte und Aufforderung ernst.»
Die Abi-Prüfungen in Bayern sollen nun statt am 30. April am 20. Mai
2020 starten. Die Nachholtermine für die schriftlichen Prüfungen
würden ebenfalls so angesetzt, dass sich die Abiturienten
termingerecht für bundesweit oder örtlich zulassungsbeschränkte
Studiengänge bewerben könnten, erläuterte Kultusminister Michael
Piazolo (Freie Wähler) in München.
Eine Verschiebung von Prüfungsterminen anderer Schularten sei
angesichts des flächendeckenden Unterrichtsausfalls ebenfalls nicht
ausgeschlossen. Auch die Erste Staatsprüfung für ein Lehramt an
öffentlichen Schulen sei mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, teilte
der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband mit.
Die Staatsregierung hat unterdessen ein neues bayerisches
Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht. Es soll unter anderem
mögliche Beschlagnahmungen von medizinischem Material und einen
erleichterten Zugriff auf medizinisches und pflegerisches Personal
regeln. Auch sollen Firmen zur Herstellung von Material verpflichtet
werden können. Zwischen den Fraktionen besteht bereits Einvernehmen
über den Gesetzentwurf, der in einer Woche endgültig beschlossen
werden soll.
Darin steht auch, dass die Behörden «von jeder geeigneten Person die
Erbringung von Dienst-, Sach- und Werkleistungen» verlangen dürfen,
«soweit das zur Bewältigung des Gesundheitsnotstands erforderlich
ist». Einigkeit herrscht im Landtag auch über das von Söder
angekündigte Zehn-Milliarden-Euro-Hilfspaket für die bayerische
Wirtschaft wegen der Corona-Krise.
Probleme haben die Autokonzerne. BWM schließt die Produktion, für
zunächst vier Wochen. Betroffen sind laut Konzern europaweit sowie in
einem Werk in Südafrika rund 30 000 Mitarbeiter, die nun aber
zunächst mit ihren Arbeitszeitkonten ins Minus gehen sollen.
Finanzvorstand Nicolas Peter sagte in München, BMW werde beim Verkauf
dieses Jahr insgesamt «deutlich unter Vorjahr» liegen, selbst wenn
sich die Nachfrage nach einigen Wochen wieder normalisieren dürfte.
Der Konzern rechnet daher für 2020 mit einem weiteren Gewinneinbruch.
Audi kündigte für die Standorte Ingolstadt und Neckarsulm Kurzarbeit
an. In beiden Werken stehen die Bänder ab nächster Woche still. «Die
durch die Corona-Krise weltweit eingeschränkte Nachfragesituation und
bevorstehende Lieferengpässe zwingen uns daher, den Antrag auf
Kurzarbeit zu stellen», sagte Produktions- und Logistikvorstand Peter
Kössler.
Deutlich vorgezogen werden die Prüfungen für Polizeianwärter - von
Mai auf kommenden Montag. Als Grund für den kurzfristigen Start
nannte ein Sprecher der zuständigen Bereitschaftspolizei in Bamberg,
dass aktuell noch alle Kandidaten gesund seien. Ein weiterer Vorteil
sei, dass nach bestandener Prüfung 800 neue Polizeibeamte zur
Verfügung stünden und mögliche Personalausfälle ausgleichen könnt
en.
Dieses Problem stelle sich derzeit aber ausdrücklich noch nicht.
In Bayern haben sich derweil weitere 446 Menschen nachweislich mit
dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert. Die Tests auf das Virus dauern
nun bis zu einer Woche. Der mobile Fahrdienst der Kassenärztlichen
Vereinigung Bayerns (KVB) nimmt nach eigenen Angaben täglich bei etwa
1700 Menschen Abstriche, mehr als 200 Fahrzeuge seien dazu im
Freistaat unterwegs. Die Abstriche würden in Labore gebracht, die
jedoch auch völlig überlastet seien, wie ein Sprecher sagte.
Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, ergreifen nun auch die
Supermarktketten Schutzmaßnahmen. Regierungschef Söder kündigte zudem
an, Minijob-Regelungen so flexibel wie möglich handzuhaben, um
ausreichend Personal für die Läden sicherzustellen.
Über die Bundesagentur für Arbeit solle ein «Arbeitsportal»
eingerichtet werden, damit etwa Mitarbeiter aus der nunmehr stark
reglementierten Gastronomie schnell eine Perspektive in Supermärkten
oder Drogerien fänden. Auch sollen Erntehelfer etwa für die
anstehende Spargelzeit trotz der aktuellen Einreisebeschränkungen
problemlos nach Deutschland kommen dürfen, wie Agrarministerin
Michaela Kaniber (CSU) in Eitting bei München ankündigte.
Ein existenzielles Problem haben derweil nach der angeordneten
Schließung der Bordelle auch viele Prostituierte, wie Hedwig Christ
von der Nürnberger Beratungsstelle Kassandra der Deutschen
Presse-Agentur sagte. «Die Frauen verdienen kein Geld mehr.» Viele
der knapp 6400 Betroffenen wohnten zudem in den Bordellen und könnten
jetzt ihre Miete nicht mehr bezahlen.
Wer wegen der Ausbreitung des Erregers Sars-CoV-2 in finanzielle
Schieflage gerät, kann in Bayern ab sofort fällige Steuerzahlungen
zinsfrei stunden, wie Finanzminister Albert Füracker (CSU)
ankündigte. Dies betreffe sowohl die Einkommen- und
Körperschaftsteuer als auch die Umsatzsteuer. Zudem kann auf Antrag
auch die Höhe der Vorauszahlungen angepasst werden.
Derweil startete Ex-Nationalspieler Jérôme Boateng eine neue
Internet-Challenge. Bei Instagram stellte der 31 Jahre alte
Innenverteidiger vom FC Bayern ein Video online, in dem er statt
eines Fußballs eine Rolle Toilettenpapier jongliert - der
Hygieneartikel ist zum Symbol der Hamsterkäufe geworden. Boateng
«nominierte» zugleich andere Profi-Fußballer, die zum Teil umgehend
reagierten und in Videos ebenfalls mit Klopapier und Küchenrollen ihr
Geschick bewiesen.
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