Lügen über Corona - Warum gerade jetzt Fake News florieren Von Sebastian Fischer, dpa

Derzeit verbreitet sich im Netz viel Unsinn über das Coronavirus.
Selbst Menschen, die sonst gegenüber Falschnachrichten misstrauisch
sind, halten so einiges für glaubhaft. Doch warum ist das so?

Berlin (dpa) - Es ist ein wenig wie bei der Pandemie: Fake News über
das Coronavirus verbreiten sich derzeit offenbar genauso schnell wie
der Erreger selbst. Über soziale Medien und in privaten Chatgruppen
werden Gerüchte befeuert - teils wohl aus Ahnungslosigkeit oder auch
einer (verständlichen) naiven Hoffnung, oft aus Bosheit.

Der kruden Fantasie derjenigen, die die Lügen erfinden, scheinen kaum
Grenzen gesetzt. Dabei deuten manche Fakes auf eine geschlossene
Verschwörungstheorie hin: etwa dass das Virus in einem Labor im
chinesischen Wuhan gezüchtet und dann freigesetzt wurde, oder dass
die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die Entwicklung von Sars-CoV-2
finanziert haben soll.

Doch nicht immer wird das große Rad gedreht. Auch vermeintliche
Heilmittel gegen die vom Coronavirus ausgelöste Krankheit Covid-19
machen die Runde. So wird geraten, die ätzende Bleich-Chemikalie
Chlordioxid zu trinken, um das Virus abzutöten, oder eine
aufgeschnittene Zwiebel in die Wohnung zu legen, die den Erreger wie
ein Magnet aus der Luft zieht.

Alles vollkommener Unfug, zum Teil sogar gesundheitsgefährdend. «Die

kleinen Falschmeldungen halte ich für gravierender als die großen
Verschwörungstheorien», sagt Kommunikationswissenschaftler Tilman
Klawier von der Universität Hohenheim. Denn sie berühren den Alltag.

«Vom Coronavirus kann potenziell jeder betroffen sein», erklärt die
Stuttgarter Medienwissenschaftlerin Katarina Bader. Wenn es um die
Gesundheit gehe, hätten News rund um den Erreger in hohem Maße
Einfluss auf das eigene Leben. Das Problem allerdings: «Es gibt das
Gefühl, dass herkömmliche Kanäle nicht genug Informationen bieten»,

so die Fake-News-Expertin. «Das liegt einfach daran, dass aktuell so
vieles ungewiss ist.»

Und so wird manches Gerücht ungeprüft weitergereicht. Viele bekommen
derzeit so viel Unsinn untergejubelt wie noch nie - selbst von
Bekannten, die kruden Theorien eigentlich misstrauen. «Angst macht
anfälliger für Falschnachrichten - auch bei Leuten, die sonst keinen
Fake News glauben», sagt Journalismus-Professorin Bader. Viele hätten
derzeit ein diffuses Gefühl, was wahr und was unwahr ist. «Ich glaube
schon, dass unser Gehirn ein Stück weit aussetzt.»

Aber wer steckt dahinter? Für Fake-News-Forscher Klawier ist die
Absicht derzeit nicht immer deutlich. Wurden Lügen in der
Vergangenheit häufig verbreitet, um mit Klicks Geld zu verdienen oder
die eigene Ideologie unter die Leute zu bringen, so ist die
Motivation im Fall des Coronavirus seiner Ansicht nach nicht
unbedingt erkennbar. «Vielleicht ist es ein individuelles
Geltungsbedürfnis, Langeweile oder einfach ein gestörter
Erfindungsreichtum.»

Das Politische, das Falschnachrichten bisher häufig innewohnte, tritt
in den Hintergrund. Auch aus deutschen Sicherheitskreisen war zuletzt
zu hören, dass bislang kein nennenswerter Anstieg politischer Fakes
oder gezielter Kampagnen - etwa aus dem Ausland - registriert wurden.

Die kleinen Lügen aber grassieren, selbst wenn sie manchmal nur eine
Halbwertszeit von wenigen Stunden haben. So wurde etwa zuletzt in
Umlauf gebracht, ab sofort gelte in allen deutschen Unternehmen ein
«Arbeitsverbot». Die meisten Angestellten dürften spätestens nach
wenigen Stunden gemerkt haben, dass das völliger Quatsch ist. Und
doch kann das schon reichen, um mächtig Aufruhr zu stiften.

«Ich sehe nicht die Gefahr einer großen Massenpanik», sagt Bader. Ein

Großteil der Bevölkerung könne Falschnachrichten einschätzen. «Do
ch
auch eine kleine Panik einiger Menschen kann kontraproduktiv für
derzeitige Maßnahmen sein.» Etwa wenn sie sich aus Angst, der
Supermarkt schließe bald, entgegen jeder Empfehlung unter Menschen
stürzten.

Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel: Ist die eine Lüge von seriösen
Quellen aus der Welt geräumt, steht schon die nächste in den
Startlöchern. Sogar die Spitzen der Politik schlagen Alarm.

Die EU-Kommission rät, «sich vor arglistigen und irreführenden Fake
News und Desinformationen in Acht» zu nehmen. Bundesjustizministerin
Christine Lambrecht (SPD) hält deren Verbreiter für «völlig
verantwortungslos». Und mit Blick auf einen erfundenen
Zeitungsartikel, nach dem alle Supermärkte während der Woche nur
wenige Stunden geöffnet hätten, twittert Bundesagrarministerin Julia
Klöckner (CDU): «Das ist kein Spaß, Ihr spielt mit der Angst der
Leute.»

«Es gibt eine hohe Alarmbereitschaft seitens der Politik und der
Behörden», sagt Klawier. «Das wird zum Glück sehr ernst genommen.
»
Allerdings hat der Forscher wenig Hoffnung, dass Fake News absehbar
abebben. Um nicht auf die Stimmungsmache hereinzufallen, gelten
Wachsamkeit und Aufklärung. Oder, wie der Weilheimer HNO-Arzt
Christian Lübbers auf Twitter formuliert: «Viren und Fake News lassen
sich nur stoppen, wenn man diese nicht weitergibt.»

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