Baden-Württemberg schickt sich in Quarantäne - immer mehr macht dicht

Das Land schaltet im Krisenmodus einen weiteren Gang nach oben: Um
das Tempo der Infektionen mit dem Coronavirus zu drosseln, wird fast
alles geschlossen, was das gesellschaftliche Leben ausmacht. Die Zeit
drängt. Denn die Zahl der Infektionen steigt schnell.

Stuttgart (dpa/lsw) - Baden-Württemberg schottet sich im Kampf gegen
das Coronavirus weiter ab und schickt sich zunehmend selbst in
Quarantäne. Neben den Schulen und Kindergärten wurden am Montag die
Grenzen weitgehend geschlossen, die Flughäfen machen bald für die
meisten Reisenden dicht und das gesellschaftliche Leben wird immer
stärker auf das Nötigste reduziert. Museen und Theater, Kinos, Bäder

und Fitnessstudios, Bibliotheken und Volksschulen sind bereits
geschlossen, auf die bereits gebeutelte Gastronomie und die Hotels
kommen Einschränkungen zu.

Auch eine Vielzahl von Geschäften soll geschlossen werden,
Gottesdienste sowie Treffen in Vereinen werden verboten und
Spielplätze gesperrt, wie aus einem Beschluss der Bundesregierung und
der Regierungschefs der Länder vom Montag hervorgeht. Die Maßnahmen
sollen ab sofort gelten. Supermärkte und andere Läden, die zur
Versorgung der Menschen dienen, sollen allerdings offen bleiben.

Schritt für Schritt fast bis zum Stillstand. Und alles mit einem
einzigen Ziel: Die Regierung will Zeit gewinnen und den schneller
werdenden Anstieg der Infektionen mit dem ansteckenden Virus so gut
es geht in den Griff bekommen, um das Gesundheitssystem zu entlasten.
Soziale Kontakte im öffentlichen Bereich sollen durch die Verbote
weiter eingeschränkt werden. Eine Notwendigkeit zur Ausrufung des
Katastrophenfalls wie in Bayern sieht die Landesregierung derzeit
nicht.

Um notfalls auf millionenschwere Rücklagen zurückgreifen zu können,
will die grün-schwarze Landesregierung schnellstmöglich einen
Nachtragsetat durch das Parlament bringen. Sie habe um eine
Sondersitzung des Parlamentes möglichst bis zum Freitag (20.3.)
gebeten, sagte eine Sprecherin der Landtagsverwaltung in Stuttgart.
Das Landtagspräsidium will am Dienstag entscheiden.

Ende 2019 betrugen die Rücklagen für Haushaltsrisiken nach Angaben
des Finanzministeriums rund 853 Millionen Euro. Im laufenden Jahr
sollen rund 700 Millionen Euro hinzukommen. Ziel der Regierung ist
es, auf diese Summen auch bei Pandemien wie jetzt durch das
Coronavirus zurückgreifen zu können.

Am Montagmorgen wurden die Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich
und zur Schweiz verschärft, außerdem sollen bald die Flughäfen für

die meisten Reisenden dicht machen, um das Tempo der Ansteckungen von
außen so gut es geht zu bremsen. Der Betrieb werde aber nicht
vollends zum Erliegen kommen, teilte das Verkehrsministerium mit.
Urlaubern und Geschäftsreisenden werde die Rückkehr ermöglicht. Wer
aus Risikogebieten über den Flughafen einreise, solle möglichst keine
weiteren Kontakte aufnehmen und sich zu Hause 14 Tage in Quarantäne
begeben. Der Luftfrachtverkehr werde zudem fortgesetzt. Der Beschluss
soll im Lauf der Woche in Kraft treten.

Baden-Württemberg ist neben Nordrhein-Westfalen und Bayern das am
stärksten von der Ausbreitung des Coronavirus betroffene Bundesland.
Bis zum Sonntag waren in Baden-Württemberg bei den dortigen Behörden
1105 Infektionen bestätigt, die Zahl stieg zuletzt um 128 gemeldete
Fälle. Drei infizierte Menschen sind bisher gestorben.

In Bayern gelten seit Montag noch schärfere Einschränkungen als in
Baden-Württemberg: Der Freistaat rief den Katastrophenfall aus, um
schnelle Entscheidungen treffen zu können. Außerdem wurde zum Schutz
der Wirtschaft vor den nicht ansatzweise absehbaren Folgen der
Coronakrise ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro
bereitgestellt.

Vollständig geschlossen sind die Grenzen zur Schweiz und nach
Frankreich aber noch nicht: Im südbadischen Weil am Rhein führten zum
Teil mit Atemmasken ausgestattete Kontrolleure unter anderem
Befragungen durch und schickten zahlreiche aus der Schweiz kommende
Autos zurück in das Nachbarland. Berufspendler und Fahrzeuge des
Warenverkehrs dürfen die Grenzen weiterhin überqueren. Die an
Baden-Württemberg grenzende französische Region Grand Est (Elsass,
Lothringen und Champagne-Ardenne) gilt als Risikogebiet.

Für die Schulen und Kindergärten sprach Kultusministerin Susanne
Eisenmann (CDU) kurz vor der landesweiten wochenlangen
Zwangsschließung der Einrichtungen von einer absoluten Notsituation.
«Das gab's so noch nie. Auf so was kann man sich auch nicht
allumfassend vorbereiten.» Jeder müsse seinen Teil beitragen.

Sie setzt in der Zeit ohne Unterricht und Betreuung auch auf digitale
Lernangebote. Sie vertraue darauf, dass von den Schulen Übungen
digital an die Schüler weitergegeben würden, sagte Eisenmann am
Montagmorgen im Radioprogramm SWR Aktuell. «Und wenn es irgendwie gar
nicht funktioniert, greifen wir vielleicht auch einfach auf die gute,
alte Post zurück.»

Bis auf wenige bereits geschlossene Einrichtungen wurde am Montag
landesweit zum vorerst letzten Mal in den Schulen unterrichtet und in
den Kindergärten betreut. Kinder und Jugendliche sollten nach Angaben
des Kultusministeriums Hausaufgaben und wichtige Informationen
abholen können. Trotz einer häufig eingerichteten Notbetreuung dürfte

die Zwangspause vor allem viele berufstätige Eltern vor Probleme
stellen.

Von den Schul- und Kita-Schließungen könnten bis zu 1,6 Millionen
Familien und Alleinerziehende mit Kindern betroffen sein. Trotzdem
verteidigte die Landesregierung sie als einzig richtige Maßnahme.
Auch andere Bundesländer hatten zuvor angekündigt, landesweit alle
Schulen und Kindertagesstätten bis Ostern zu schließen.

Auch die Justiz schränkt ihren Alltag in den Gerichten und
Gefängnissen so weit wie möglich ein. Häftlinge dürfen bis auf
Weiteres nicht mehr besucht werden, es werden nur noch wichtige
Prozesse verhandelt und die meisten Angestellten und Beamten nach
Hause geschickt, wie Justizminister Guido Wolf (CDU) ankündigte. «Es
muss sich niemand Sorgen machen. Der Rechtsstaat funktioniert auch in
der Krise», versicherte der Minister.

Geschlossen werden auch die sämtliche Schlösser, Klöster und Burgen
sowie die Spielhallen und Wettbüros in Stuttgart. Der landesweit
größte Krankenhausbetrieb, das Klinikum Stuttgart, hat wegen des
Coronavirus alle Operationen abgesagt, die geplant und auch
verschoben werden können. Die Notfallversorgung zum Beispiel nach
Unfällen oder bei akuten Schlaganfällen werde selbstverständlich
fortgesetzt, sagte ein Kliniksprecher. Ziel sei es, durch die Absage
von Operationen Kontakte zu reduzieren. Außerdem würden Patienten und
Mitarbeiter geschützt sowie vorsorglich Ressourcen für die Behandlung
von infizierten Menschen geschaffen.

Dagegen setzten die Fachkliniken Hohenurach (Kreis Reutlingen) die
Evakuierung eines Teils der Gebäude am Montag fort, nachdem am
Freitagabend zwei Corona-Fälle an der Bad Uracher Klinik bekannt
geworden waren. Infiziert hatten sich ein Patient und ein Arzt. «Für
uns steht Sicherheit an erster Stelle», sagte Sprecher Clemens
Frankenberger. Seit dem vergangenen Samstag seien daher rund 450
Patienten in häusliche Quarantäne entlassen worden. Die Fachkliniken
sind spezialisiert auf Akutmedizin und Rehabilitation. Sie verfügen
über 555 Betten und 600 Mitarbeiter.

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