«Im Supermarkt gefährlicher» - Kulturbranche kämpft mit Coronavirus Von Gerd Roth, dpa

Buchmessen, Clubnächte, Kunstmärkte - die Ausbreitung des neuen
Coronavirus schlägt eine Schneise auch durch das kulturelle Leben.
Das Thema ist allgegenwärtig. Doch nicht immer geht es um Absagen.

Berlin (dpa) - Das neue Coronavirus macht vor der Kultur nicht halt.
Die Intervalle zwischen Absagen auch großer und branchenwichtiger
Veranstaltungen werden immer kürzer. Die Leipziger Buchmesse fällt
genauso aus wie etwa Buchmessen in Bologna, Paris und London oder die
Kunstmessen Art Basel Hongkong und Art Dubai. Doch es trifft auch die
Kleinen. Der berühmte KitKatClub in Berlin cancelt eine Veranstaltung
ebenso wie das Kunsthaus Dahlem. Begründung jeweils: Sars-CoV-2.

«Wir sind der Ort, wo Menschen zusammenkommen, das ist ja die Idee
von Kultur», sagt Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat, der
Dachorganisation für 259 Bundeskulturverbänden. Der Geschäftsführer

verschafft sich gerade einen Überblick der Folgen für die Mitglieder.
«Je kleiner eine Einrichtung, desto problematischer können die
Auswirkungen sein», sagt Zimmermann. Große, öffentlich geförderte
Institutionen müssten vielleicht Einnahmeausfälle verkraften, seien
aber durch ihre Grundfinanzierung nicht sofort in Gefahr.

Zimmermann fürchtet mitunter existenzielle Auswirkungen in allen
Sparten. «Das frisst sich durch den gesamten Kulturbereich.» Einen
ersten Überblick möglicher Folgen und Forderungen will er an
Kulturstaatsministerin Monika Grütters weitergeben. Die
CDU-Politikerin soll sich bei staatlichen Stützprogrammen für die
Kultureinrichtungen stark machen.

Grütters will sich nach Angaben ihren Hauses bemühen, «die
geförderten Kultureinrichtungen so auszustatten, dass sie auch
unvorhergesehene Belastungen im Rahmen der ihnen zur Verfügung
stehenden Mittel stemmen können». Bei etwaige Kompensationszahlungen
der Bundesregierung für besonders betroffene Branchen will Grütters
auch Kultureinrichtungen «nach Kräften unterstützen».

In den verschiedenen Sparten werden derweil Fragen gesammelt und
Empfehlungen gegeben. Beim Deutschen Bühnenverein sind Reaktionen wie
in Basel bisher nicht bekannt. Dort hat das Theater bis Mitte des
Monats alle Aufführungen abgesagt. Opern, Theater und Bühnen haben
nach Angaben von Marc Grandmontagne, geschäftsführender Direktor des
Bühnenvereins, allgemeine Hinweise zu möglichen Gefährdungen
bekommen. Folgen sind noch überschaubar. «Die eine oder andere Karte
wurde zurückgegeben», berichtet Grandmontagne. In solchen Fällen sei

es eine Frage der Kulanz, wie damit umgegangen werde.

Berlins Kultursenator Klaus Lederer setzt dabei auf Entgegenkommen.
«Den Kultureinrichtungen danke ich für ihre Kulanz bei
Kartenrückgaben», twittert der Linke-Politiker und bittet
Besucherinnen und Besucher, «verantwortungsvoll zu entscheiden» und
bei einschlägigen Symptomen auf Veranstaltungen zu verzichten.
Kultureinrichtungen sollten bei ihren Entscheidungen Empfehlungen des
Robert Koch Instituts zugrunde legen.

«Die Risiken sind nicht bei allen Veranstaltungen gleich groß», hei
ßt
es dort. Absagen, Verschieben oder Umorganisation von
Massenveranstaltungen könnte gerechtfertigt sein, «um der vorrangigen
Gesundheitssicherheit der Bevölkerung Rechnung zu tragen». Deswegen
sollten Verantwortliche Risikofaktoren wie Zusammensetzung und Anzahl
der Teilnehmer oder Örtlichkeit sorgfältig abwägen, empfiehlt das
Bundesinstitut.

Der Deutsche Museumsbund kann bisher vor allem von einzelnen Absagen
von Teilnehmern an Tagungen berichten. Einige Häuser hätten ein
Dienstreiseverbot verhängt, um Mitarbeiter nicht zu gefährden, sagt
Sprecherin Sylvia Willkomm. Museen verfügten meist über «schon wegen

der Ausstellungsstücke gut klimatisierte, gut belüftete große Räume
».
Für die meisten Menschen sei es «im Supermarkt gefährlicher».

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, mit fast zwei Dutzend
Sammlungen, Museen, Instituten einer der international größten
Player, sieht ihre Häuser noch im Normalbetrieb. «Kolleginnen und
Kollegen sind über präventive Maßnahmen informiert», sagt Sprecheri
n
Stefanie Heinlein. Für «mögliche Eventualitäten» werden Notfallpl
äne
und Checklisten laufend überprüft und aktualisiert. «Eine
Komplettschließung der Museen ist derzeit aber kein Thema.» Es gebe
einige Stornierungen internationaler Reisegruppen, aber «derzeit
keine größeren Auswirkungen auf das allgemeine Besuchsverhalten».

Auch das Goethe-Institut, kulturelles Aushängeschild Deutschlands im
Ausland, stimmt sich mit den örtlichen Behörden ab. Während die
Einrichtungen in Deutschland noch nicht betroffen sind, «sind die
Goethe-Institute in Peking, Shanghai und der Mongolei im Notbetrieb»,
berichtet Sprecherin Jessica Kraatz Magri. Das gleiche gelte für die
Institute in Mailand, Turin und Genua. In Seoul und seinen vier
südkoreanischen Außenstellen wurde der Sprachkursbetrieb eingestellt.

Fans von James Bond fordern eine Verschiebung des Starts für den
neuen Bond-Film «No Time to Die». In Berlin haben gerade rund 330 000
Kinogänger eine elftägige Berlinale hinter sich. Die Verantwortlichen
waren nach eigenen Angaben ständig im Kontakt mit der zuständigen
Gesundheitsbehörde. Beim Kinoverband HDF heißt es: «Wir beobachten

die aktuelle Lage engmaschig». Sollten einzelne Kommunen aufgrund
unterschiedlich bewerteter Gefahrenlage zu intensivierten
Empfehlungen oder Auflagen greifen, werde den Kinos vor Ort
empfohlen, dies umzusetzen.

Gerade auch Risikofaktoren wie hautenger Kontakt oder viele Menschen
auf engem Raum locken internationale Szenegänger in die beliebten
Berliner Clubs. Die Absage im KitKat gehe aber darauf zurück, dass
DJs aus Risikogebieten Italiens erwartet wurden, weiß Lutz
Leichsenring von der Clubcommission der Hauptstadt. Das Netzwerk hat
seine Mitglieder mit einschlägigen Empfehlungen versorgt. Die meisten
Clubs zählten unter 1000 Besuchern, was in der Schweiz aktuell die
Schallmauer für Veranstaltungen ist.

Ist es jetzt also leichter, durch den als «härteste Tür» geltenden

Einlass ins berühmte «Berghain» zu gelangen? «Es kommt ja nicht dra
uf
an, wie voll es ist», sagt Leichsenring, «entschieden wird danach, ob
man reinpasst.»

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