Von Hustenetikette bis Quarantäne: Coronavirus verändert Alltag Von Christos Pasvantis und Ulrike von Leszczynski, dpa

Ein mulmiges Gefühl beim Einkaufen, Langeweile in der Quarantäne: Das
neuartige Coronavirus beginnt das normale Leben in Deutschland zu
verändern. Die Vorsichtsmaßnahmen können viele Menschen vor
Ansteckung bewahren.

Gangelt/Berlin (dpa) - Das Virus ist unsichtbar in Gangelt. Es sind
nur Kleinigkeiten, die in der Gemeinde tief im Westen
Nordrhein-Westfalens auf seine Spur hindeuten. Vor einer Apotheke
stehen Kunden Schlange. Sie dürfen nicht hinein. Immer nur einen
Spalt breit öffnet die Apothekerin am Freitag die Schiebetür, um ein
Rezept anzunehmen. «Aus aktuellem Anlass» steht auf einem Blatt
Papier, das provisorisch an einer Scheibe klebt. Jeder hier weiß, was
gemeint ist.

Vergangenen Dienstag ist in Gangelt die erste Sars-CoV-2-Infektion im
dicht bevölkerten Bundesland nachgewiesen worden. Der 47-jährige
Mann, der sich angesteckt hat, lebt hier mit seiner Familie. Er ist
bisher der einzige der mindestens 53 bisher bekannten Virusträger in
Deutschland, der schwer erkrankte. Er sei in einem kritischen, aber
stabilen Zustand, heißt es aus der Uni-Klinik.

Der Alltag in Gangelt fühlt sich seitdem nicht mehr so vertraut an.
«Irgendwie eine bedrückende Atmosphäre, wenn man hier steht», sagt

eine Frau, die ein Medikament aus der Apotheke holen will. Erst
schien das Virus weit weg. Nun sei eine Kollegin vorsorglich in
Quarantäne. «Sie hat uns per WhatsApp informiert», berichtet die
Erzieherin.

«Alle Welt spricht jetzt über uns», ergänzt ein Mann in der
Warteschlage. Viele Menschen, die jetzt vorsorglich in Quarantäne
seien, hätten Angst vor Stigmatisierung. Für sie fühle sich die
Isolation an, als ob sie etwas verbrochen hätten.

Quarantäne. In Deutschland erfahren gerade hunderte Menschen ganz
persönlich, warum das bei einer neuen Infektionskrankheit nötig ist.
Seit seinem Ursprung in China hat sich das Sars-CoV-2-Virus in mehr
als 50 Länder verbreitet und nachweislich mehr als 83 000 Menschen
infiziert. In China sind bisher fast 2800 Menschen an der neuen
Lungenkrankheit Covid-19 gestorben. Damit ist diese Infektion wohl
tödlicher als eine Grippe - auch, wenn die große Mehrzahl der
Infizierten nur leicht oder auch gar nicht erkrankt.

Bei Maßnahmen wie einer Quarantäne für Kontaktpersonen geht es darum,

dass sich die Krankheit nicht noch weiter ausbreitet.
Eindämmungsstrategie nennen das die Wissenschaftler am Berliner
Robert Koch-Institut. Die Gesundheitsämter arbeiten dazu wie
Detektive: Wer hat wann wen getroffen? Wenn sich möglichst viele
Kontaktpersonen finden lassen und selbst ohne Symptome rund 14 Tage
zu Hause bleiben, schützen sie sehr viele andere. Ein lokaler
Ausbruch kann so unter Kontrolle bleiben statt zu einem Flächenbrand
zu werden.

Gutes Zureden ist in Sachen Quarantäne dabei nicht alles. Bei
Missachtung einer häuslichen Isolation drohen nach Angaben des Kieler
Gesundheitsministeriums Konsequenzen. Das sei bußgeldbewehrt, sagte
Infektionsreferentin Anne Marcic am Freitag. «Und wenn man sie nicht
einhält und die Krankheit verbreitet, ist es sogar strafbewehrt.
Darüber werden alle aufgeklärt.»

In Norditalien heißt Quarantäne zur Zeit etwas ganz anderes. In der
Lombardei ist die gesamte Stadt Codogno samt zehn weiteren Gemeinden
seit knapp einer Woche abgeriegelt. Das kontrollieren Polizisten und
Militär. Supermärkte und Apotheken sind aber geöffnet. Inzwischen
seien auch wieder Kioske offen, berichtet Bewohner Roberto Cighetti
der Deutschen Presse-Agentur. «Die Leute gehen wieder mehr auf die
Straßen, nicht nur draußen auf dem Land, sondern auch wieder im
Zentrum. Aber sie halten Abstand zueinander.» Die Quarantäne habe
auch positive Seiten, sagt der 33-Jährige, der in einer Schule in der
Umgebung unterrichtet. Die Leute verbrächten wieder mehr Zeit mit der
Familie.

Für Deutschland hat das Robert Koch-Institut drastische Maßnahmen wie
in Norditalien bisher ausgeschlossen. Quarantäne für einzelne
Menschen ist aber auch hierzulande nötig, um das Sars-CoV-2-Virus
möglichst lange auszubremsen. Mit jeder Woche gewonnener Zeit steigt
zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, geeignete Medikamente gegen die
schwere Lungenentzündung zu finden, die das Virus in seltenen Fällen
auslösen kann. Jeder kann dabei mithelfen. Das fängt bei Husten- und
Nies-Etikette an und reicht über häufigeres Händewaschen bis hin zur

Isolation.

Deshalb kamen auch alle Rückkehrer aus der Virus-Hochburg Wuhan in
China in Deutschland erst einmal vorsorglich zwei Wochen in
Quarantäne, unter anderem in Berlin. Für die Betroffenen war das kein
Vergnügen. Auf die Schnelle fand sich in der Hauptstadt nur ein
abgelegenes Verwaltungsgebäude auf einem Klinikgelände als
Unterkunft. Anfangs gab es dort für 20 Menschen nur wenige Toiletten
und provisorische Duschhäuschen auf dem Hof. Am Ende war niemand
infiziert. Die Vorsichtsmaßnahme halten Virologen dennoch für
notwendig. Ein infizierter Mensch kann letztlich durchaus hunderte
andere anstecken. Das gilt auch für medizinisches Personal: Der erste
Infizierte in Hamburg ist Arzt am Uni-Klinikum. Er war vorher in
Italien.

Für den Bayerischen Rundfunk hat der erste deutsche
Coronavirus-Patient seinen Quarantäne-Alltag im Krankenhaus kurz und
bündig zusammengefasst: sehr, sehr langweilig. Er habe deshalb in
seinem Einzelzimmer gearbeitet - per Laptop. Doch er kann die
Vorsichtsmaßnahmen nachvollziehen. Er hat eine schwangere Frau und
eine kleine Tochter. Sie haben sich nicht angesteckt. Dennoch habe es
mit der Zeit psychischen Druck gegeben, wie lange die Isolation wohl
dauert, sagte er. Am Ende waren es bei ihm 18 lange Tage.

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