Langweilige Stulle adé! Brotboxen werden bunter Von Anja Sokolow, dpa

Die japanische Tradition, Essen für unterwegs in Bento-Boxen zu
verpacken und aufwendig zu dekorieren, hat auch hierzulande immer
mehr Fans. Die Fernsehköchin Sarah Wiener warnt mit Blick auf Boxen
für Kinder vor einer Verniedlichung der Lebensmittel.

Berlin/Stahnsdorf/Leipzig (dpa) - Geschnitztes Obst und Gemüse,
Würstchen mit lustigen Augen, Brote und Käse in Sternchenform und
herzförmige Eier, hübsch verpackt in bunten Boxen mit vielen kleinen
Unterfächern. Die gute alte Stulle in der klassischen Brotdose hat
ausgedient, zumindest bei den Fans von so genannten Bento-Boxen.
Einige von ihnen zeigen auch gern im Internet Fotos von wahren
Kunstwerken, die sie ihren Kindern mitgeben oder auch für die eigene
Pause vorbereiten.

Bento, das steht für viele kleine Speisen in einer Box. Der Trend
kommt aus Japan. Dort ist es üblich, Essen für unterwegs so zu
verpacken. Japanische Mütter lernen sogar in Kursen, wie sie Fisch,
Reis, Gemüse & Co. für ihre Kinder möglichst geschmackvoll anrichten.

«In Japan ist Bento Alltag. In jedem noch so kleinen Bahnhof kann man
auch fertige Boxen kaufen», sagt Katrin Tiede. Die Inhaberin eines
japanischen Lebensmittel- und Feinkostladens in Berlin bietet neben
Boxen auch Bento-Kochkurse an. «Zu mir kommen Angestellte, Arbeiter
und Handwerker, die einfach einmal etwas anderes wollen als das
typische Pausenbrot», sagt sie.

Das kommt auch Nicole Zahran nicht mehr in die Box. Sie gestaltet
jeden Morgen für ihre beiden Kinder liebevolle Mahlzeiten. «Die Art,
wie wir unsere Kinder ernähren hat einen neuen Punkt erreicht hat -
Essen soll nicht nur gesund sein, sondern möglichst auch ästhetisch
angerichtet sein und alle Sinne ansprechen», sagt die 37-jährige
Berlinerin. Außerdem habe sie, wie andere Mütter auch, bereits viel
Lehrgeld gezahlt, wenn nämlich verschmähte Stullen abends im Müll
landeten.

Die dreifache Mutter Sabine Elvert aus Stahnsdorf in Brandenburg
gründete 2016 eine Facebook-Gruppe für Boxenfreunde, um Ideen und
Anregungen zu bündeln. Inzwischen hat die Gruppe fast 20 000
Mitglieder. «Der Bento-Trend schwappt immer mehr zu uns herüber», so

Elvert.

«Wenn eine Box dazu dient, dem Kind sehr viel Vielfalt anzubieten,
dann ist das sehr begrüßenswert. Je mehr ein Kind probieren kann,
desto besser», sagt Ernährungswissenschaftler Uwe Knop. «Es sollten
aber nur Dinge in der Box sein, die das Kind auch wirklich mag»,
betont er.

Die Fernsehköchin Sarah Wiener warnt vor der Verniedlichung der
Lebensmittel. «Appetitlich muss es natürlich aussehen und klar kann
man auch mal kreative Esswerke kreieren. Aber: ein lustiges Gesicht,
eine tolle Schnitzerei, Fantasienamen setzen falsche Anreize», sagt
sie. «Die Kinder sollen Brote, Obst und Gemüse doch essen wollen,
weil sie ihnen schmecken und sie ihren Körper nähren wollen - nicht,
weil sie da ein Wurstpanda anschaut, der die Bedeutung unserer
Lebensmittel karikiert», betont Wiener.

Nicole Zahran benutzt zwar hin und wieder Deko-Elemente wie Augen,
aber: «Die Tomate bleibt noch als solche erkennbar». Auf
Lebensmittelfarbe verzichte sie völlig. «Meine Kinder mögen es
einfach nicht, wenn das Brot damit bemalt ist», so die gelernte
Erzieherin. Zahran nimmt sich morgens etwa 40 Minuten Zeit für die
Boxen. Der Aufwand lohne sich: «Die Kinder haben bislang viel Freude
daran und ihre Klassenkameraden auch. Am Ende des Tages ist Eines
besonders wichtig: Die Box ist leer und der Bauch voll», so Zahran.

Längst nicht in jeder Familie gehören frisch zubereitete Mahlzeiten
zum Alltag. Sarah Wieners Stiftung bildet deshalb mit der Barmer
Krankenkasse Pädagogen zu Genussbotschaftern aus. Sie sollen Kindern
in Kitas und Schulen näher bringen, wie man kocht. Denn in vielen
Familien gehe dieses Wissen verloren. «Herd und Ofen bleiben kalt -
und Kinder ahnungslos», so Wieners Erfahrung.

«Viele Eltern haben gar keine Zeit, jeden Tag außergewöhnliche Boxen

zu gestalten, aber es hilft schon, Anregungen zumindest teilweise
umzusetzen», sagt Sabine Elvert. Vor allem Mütter, deren Kinder ihr
Brotdose kaum anrühren, seien dankbar über die Ideen aus der
Facebook-Gruppe. «Alles, was schön und liebevoll gestaltet ist, kommt
gut an. Und wenn es nur der Apfel ist, der sich von dem des
Nachbarkindes unterscheidet», so ihre Erfahrung.

Unter den Mitgliedern seien einige sehr professionelle wie etwa
Sabrina Wegele aus Waiblingen, von der sich viele andere inspirieren
ließen. Sie wurde für ihre Boxen bereits ausgezeichnet und zeigt sie
auch auf Instagram und ihrem Blog «Kochen, Backen, Bento packen».

«Letzten Endes ist es auch eine Egokiste: Wer postet die schönste
Box?», meint Uwe Knop über den Trend, die Fotos zu veröffentlichen.
Sabine Elvert sieht darin eher ein Hobby, dessen Ergebnisse man
anderen gern zeige. Und sie betont: «Für viele ist das Internet der
einzige Ort, an dem die Arbeit auch wertgeschätzt wird».

Weniger aufwendige Rezepte ohne Fotos zeigt die Buchreihe «Pausenbrot
reloaded». Das Pausenbrot werde oft stiefmütterlich behandelt und in
seiner Bedeutung völlig unterschätzt, sagt Mitautorin Inès Keerl. In

zwölf Schuljahren kämen immerhin rund 4800 Brote pro Kind zusammen,
rechnet sie vor. Deshalb sollten diese auch wieder mehr Beachtung
finden.

In den saisonal gegliederten Büchern geht es vor allem um Machbarkeit
und Einfachheit und das Brot steht weiterhin im Mittelpunkt. Die
Menüs bestehen inklusive Getränk nur aus vier Komponenten, kommen
ohne Dekoration aus und trotzdem bei Kindern an, so Keerl.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite